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Gefahr
Diabolik
Dass
man mit dieser Adaption eines erfolgreichen italienischen Comic Serials auf
den populären James-Bond-Zug aufspringen wollte, ist offenkundig. Alles
ist vorhanden: Lounge-Atmosphäre im futuristischen 60ies Look, die augenzwinkernde
Eleganz, mit der jede brenzliche Situation gemeistert wird, das gute Leben eines
Manns von Welt, der schnelle Wägen fährt und leichtbekleidete Frauen
an der Taille umfasst. Und trotzdem: Der Held, ein dem französischen Fantômas
nicht unähnlicher, maskierter Superverbrecher namens Diabolik (John Phillip
Law), ist nicht etwa ein Lebemann, aber dennoch Vertreter bürgerlicher
Ideologien, sondern ein hedonistischer Outcast, der ähnlich wie Batman
in einer modischen Hi-Tech-Höhle lebt, vornehmlich den Staat beklaut und
dessen Symbole und Vertreter der Lächerlichkeit preis gibt. Nicht nur sämtliche
Steuerbehörden des Landes werden in die Luft gesprengt, auch das gesamte
eingeschmolzene Goldvermögen der Nation in Form eines übergroßen
Goldbarrens ist für ihn lohnendes Ziel. Und beinahe schon beiläufig
sabotiert er eine live im TV übertragene Pressekonferenz des Innenministers,
der, Diaboliks Spielereien gegenüber machtlos, die Wiedereinführung
der Todesstrafe verkünden will, mit Lachgas.
Es
ist dies die erfrischend unmoralische Würze, die das italienische Genrekino
seit jeher zu dieser oft belächelten Schatzkammer der Filmgeschichte macht.
Und mit Mario Bava, dem Meister des farbverliebten Filmemachens, der fast noch
aus jedem B-Movie mit seinem Hang zum Ästhetizismus eine aufregende Achterbahnfahrt
durch die Welt der filmischen Konventionen gemacht hat, war obendrein noch der
für diesen Stoff geeignetste Regisseur verpflichtet.
Die
dramaturgische Struktur gleicht sich dem Comic-Vorbild an und erzählt dergestalt
eine zwar zusammenhängende Geschichte - im wesentlichen Inspector Ginkos
(Michel Piccoli) Jagd auf den meist im Catsuit zu Werke gehenden Superverbrecher
-, unterteilt diese aber in episodische Etappen mit kleinen Höhepunkten.
So bleibt zwar zum Schluß das ganz große Knallbonbon, das man sich
angesichts des unbekümmert zur Schau gestellten wilden Gestus eines angenehm
unverkrampften Unterhaltungskinos erwartet hatte, aus - dafür gibt es einen
leicht absurden Cliffhanger, an dem der Film genauso gut hätte weitergehen
können, ein Sequel wurde trotz großen Erfolgs leider nie gedreht
-, doch stellt sich ein rasantes Erzähltempo ein, das durch seine stete
Verabreichung kleiner bis größerer Schauwertspitzen den freudigen
Zuschauer bei Laune hält. Gewiss, man hat schon brillantere Drehbücher
gesehen, doch bezieht Danger
Diabolik
seinen Reiz auch nicht etwa durch den sukzessiven Spannungsaufbau eines clever
durchgezogenen Coups, man ist vielmehr im besten Sinne naives Spektakel, das
sich aus der grundehrlichen Sehnsucht nach dem Ausbruch aus kapitalistischen
Widersprüchen und dem Versprechen dessen Möglichkeit speist. Diabolik
ist kein despotischer Blofeld oder der Prototyp eines Faschisten wie Dr. Mabuse.
Nein, er ist unbekümmerter Anarchist. Aber einer, der Geld, vor allem dessen
reichhaltiges Vorhandensein, noch zu schätzen weiß. Er ist der Mensch,
der die hohlen Versprechungen der Reklamewelt beim Wort nimmt und einfordert,
was ihm zusteht. Ein Materialist also auch, was die Kamera mit wenigen Einstellungen
kommuniziert: Kaum in seiner Höhle angekommen, kann sie ihn nur noch in
wechselseitiger Beziehung verschränkt mit der edlen Einrichtung in Szene
setzen.
Morricones
Soundtrack (hier ein sehr schöner, großformatiger Coverscan) unterstreicht
diese sorglos wattige Atmosphäre eines angesichts der Erzählung paradox
anmutenden unschuldig gebliebenen Luxus. Ein loungiger Swing mit verführend
trällernden Frauengesängen unterlegt die Pop-Art-Bilder. Das klingt
nach Sekt auf Flokatis, Patton-Einrichtungen, Seifenreklame und Panoramablick.
Eine Welt, aus der das Elend der Lohnarbeit siegreich vertrieben wurde.
Bava,
für den Film vor allem Kameraarbeit und - hier nicht ganz so deutlich nachzuzeichnen
wie andernorts - Ausleuchtung bedeutet, hat das Geschehen mit ganz wunderbaren
Raumstrukturierungen in den Bildkader gepresst. Die Welt reinster Oberflächligkeit,
die hier entworfen wird, kann im Spiegel nur den besten Verbündeten finden,
folgerichtig genießt das filmgestalterische Experiment damit hohe Priorität.
Der Raum, den Diabolik wie kein zweiter in diesem Film beherrscht, ist immer
wieder Adressat inszenatorischer Anschläge: Spiegelbilder erweitern ihn
in seiner Beengung, Fernsehbildschirme wandeln sich nahtlos zur eigentlichen
Perspektive, die Tiefe des Filmbildes dient allein der Aufsprengung des Raums
durch Bewegungsdynamik: Alles ist der Optik unterworfen.
Ein
Kino des Sehen-Wollens, der Lust am Sehen also. Das Auge als oberste erogene
Zone, das im italienischen Genrekino eine vorrangige Position genießt.
Seien es Bronsons scopeleinwandfüllende Augen vor dem entscheidenen Duell
oder später Fulcis wiederholten und lustvoll in Szene gesetzten Attacken
gegen das Sehorgan im Close-Up. Auch Danger
Diabolik
kann kaum anders als im Vorspann mit einer Großaufnahme der Augen zu beginnen,
wie überhaupt das Kostüm den Körper in der Nacht egalisiert,
die Augen aber betont. Am Ende dann ein Augenzwinkern, komplizenhaft in Großaufnahme:
Alles gar nicht ernst gemeint. Als ob wir anderes erwartet hätten!
Thomas
Groh
Dieser
Text ist zuerst erschienen im:
Gefahr:
Diabolik
Danger
Diabolik
Italien
/ Frankreich 1967 (aka: Diabolik)
Länge:
101 Minuten / Farbe
Regie:
Mario Bava
Buch:
Mario Bava, Dino Maiuri, Tudor Gates
Darsteller:
John Philip Law, Marisa Mell, Michel Piccoli, Adolfo Celi, Claudio Gora
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