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Gefahr
im Verzug
Die
Aufgabe des Killers
Wenn
man während seiner Arbeit das Privileg hat, den Ton anzugeben, mag es ganz
reizvoll sein, während der so genannten freien Zeit sich bespielen zu lassen.
Modulationen, neue Intervalle, Registerwechsel. Der Komponist oder Arrangeur
ist ein anderer, aber ohne einen selbst würde es nicht gehen. Selbst wenn
man nur ein kleiner Bauer ist. David (Christophe Malavoy) hat sich ganz auf
die Musik kapriziert. Vor einem Jahr hat er auch noch Französischunterricht
erteilt, aber seitdem gibt er nur noch privat Gitarrenstunden. Er wohnt in einer
Art Dachatelier, das verflossene Spiegelei klaubt er mit einem Stück Schokolade
auf. Boheme also. Trenchcoat und Turnschuh, Schubert und große Gelassenheit.
Die
Großbourgeoisie wartet mit anderen Raffinessen. Vivienne (Anaïs Jeanneret)
ist Davids neue Schülerin. Sie schläft schon mit ihrem Freund oder
wie auf Bildern von Balthus. Die Gitarrenstunden verlaufen aber immer ganz brav
und korrekt. Wie sein Namenspatron ist David allseits beliebt. Natürlich
sieht er gut aus, keineswegs ist er eitel, der Zug kommt von außen. Julie
Thombstay (Nicole Garcia), die Mutter Viviennes, verzichtet dabei ganz aufs
Vorspiel. Wie Bathseba, aber David lässt es zu. Arglos. Von einer Sinnlichkeit
zur anderen. Die neue Nachbarin der Thombstays, Edwige (Anémone), ist
etwas seltsam, aber unglaublich unterhaltsam. Reiches verkorkstes Innenleben
wegen Behinderung? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Viviennes Vater (Michel
Piccoli) wirkt erst mal diskret, weiß aber sofort, welche Musik gespielt
wird. Die Attacke gegen David kommt also gar nicht von einer ja auch gar nicht
verschmähten Liebhaberin, sondern aus dem Dunkel. Aber in diesem Film ist
immer einer zu viel. Der Räuber wird überrascht – von einem Killer
(Richard Bohringer), der David wenn nicht das Leben so doch seine kostbare Hand
rettet, auf die es der Räuber womöglich auch noch abgesehen hatte.
Die Tochter ist auf die Mutter eifersüchtig, der Gatte auf seine Frau,
nur die Lust der Mutter scheint reine Hingabe.
Der
Killer wird Davids Freund und öffnet ihm die Augen. Warf Julie Thombstay
sich ihm nicht ein bisschen zu schnell an den Hals? Zu was ist diese ganz und
gar enthemmte Frau fähig? Liebesstau im eigenen Haus, der zu Hass wird?
Der Killer soll ausgerechnet ihren Mann beseitigen und einen angeblich wertvollen
Gegenstand mitnehmen. Plötzlich tauchen Videos auf, die unangenehme Essentials
und Details zeigen. Alle Welt geht auf einmal mit einem Videogerät durch
diese kleine Welt. Etwas später wohnt David schon in einem einsam gelegenen
Haus. Außerdem hat er mal wieder seine Eltern getroffen, die wahnsinnig
sympathisch sind, auch wenn sein Vater gefährliche Sachen bastelt. Granaten,
die entschieden die Bum-Bum-Phase hinter sich gelassen und den „Nib-Nib“-Status
erreicht haben, von dem einmal ein alter General in einem Buch von Octave Mirbeau
versonnen träumte. Nirwana des organischen Körpers.
Dann
platzt ein Rendezvous. Graham Thombstay hat wider Erwarten das Haus nicht verlassen.
Das erwartete Schäferstündchen zieht sich zusammen in eine unangenehme
Schrecksekunde für David. Am Ende gibt es zwar wie verlangt den Toten,
aber wer war der Täter? Das Schöne an diesem Krimi ist, dass man keinen
Polizisten sieht. Die Verhältnisse biegen sich scheinbar ganz von alleine
zurecht, also in dem Sinne, dass das Prinzip „einer zu viel“ sich wie von selbst
löst. Der Film schildert den raffinierten Prozess einer Bereinigung, und
ganz zum Schluss steht, ohne unangenehme Rückstände, einfach nur ein
schönes Paar. Unbedingt sehen.
Dieter
Wenk
(11.04)
Dieser
Text ist zuerst erschienen bei:
Gefahr
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PERIL
EN LA DEMEURE
Frankreich
- 1984 - 101 min. – Kriminalfilm - FSK: ab 16; feiertagsfrei - Prädikat:
wertvoll - Verleih: Concorde, VPS (Video) -Erstaufführung: 22.8.1985/17.4.1986
Video/11.1.1989 ZDF - Fd-Nummer: 25043 - Produktionsfirma: Gaumont/Elefilm/TF
1
Produktion:
Emmanuel Schlumberger
Regie:
Michel Deville
Buch:
Michel Deville
Kamera:
Martial Thury
Musik:
Johannes Brahms, Enrique Granados, Franz Schubert
Schnitt:
Raymonde Guyot
Darsteller:
Anémone
(Edwige Ledieu)
Richard
Bohringer (Daniel Forest)
Nicole
Garcia (Julia Tombsthay)
Christophe
Malavoy (David Aurphet)
Michel
Piccoli (Graham Tombsthay)
Anaïs
Jeanneret (Viviene Tombsthay)
Jean-Claude
Jay (der Vater)
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