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Gefahr
in Frisco
Betrug !
Bevor der durch Filme wie "Rififi" (1956)
bekannt gewordene Jules Dassin, Sohn russischer Einwanderer jüdischer Abstammung,
in Connecticut geboren, 1940 nach Hollywood ging, erlernte er das Schauspielerhandwerk
und arbeitete für das Radio. Schon sein erster Film machte Dassin als Vertreter
eines "harten" Realismus bekannt. In "Zelle
R 17" (1947) zeichnete er ein
brutal-realistisches Bild von einer Gefängnisrevolte mit Burt Lancaster
in der Hauptrolle. Auch "Die nackte Stadt" (1948) hielt sich an diese
dem italienischen Neorealismus sehr verwandte Art der Inszenierung, wirkte fast
dokumentarisch und schilderte die Arbeit einer Mordkommission.
"Gefahr in Frisco" war der letzte von Dassin
in den USA gedrehte Film. Er wie viele anderer seiner Kollegen wurden in der
McCarthy-Ära durch den Ausschuss gegen "unamerikanische Aktivitäten"
denunziert, seine Arbeit im Filmgeschäft unmöglich gemacht, so dass
Dassin nach Europa ging.
• I N H A L T •
In dem 1949 gedrehten "Thieve's Highway"
schildert Dassin das Leben mehr oder weniger um ihre Existenz kämpfender
Obsthändler und -farmer, die von den Großhändlern in San Francisco
abhängig sind. Dassin erzählt die Geschichte von Nick Garcos (Richard
Conte), der, als er aus dem Krieg zurückkehrt, mit Entsetzen feststellen
muss, dass sein Vater (Morris Carnovsky) - angeblich bei einem Autounfall während
der Arbeit - beide Beine verloren hat. Sein Vater erzählt, er habe mit
dem Großhändler Mike Figlia (Lee J. Cobb) ein Geschäft abschließen
wollen, sei von ihm zum Trinken eingeladen worden und dann auf der Rückfahrt
wohl verunglückt. An Details könne er sich nicht mehr erinnern. Von
dem Geld fehlt jede Spur.
Nick hat Figlia sofort im Verdacht, seinen Vater
übers Ohr gehauen zu haben und für dessen Unfall verantwortlich zu
sein. Er beschließt, nach San Francisco zu fahren, um Figlia zur Rede
zu stellen. Allerdings hat sein Vater den Lkw an einen Nachbarn verkauft. Und
der, Ed Prentiss (Millard Mitchell), will den Lkw nicht zurückgeben, obwohl
er ihn noch nicht bezahlt hat. Nick lässt sich auf einen Vorschlag Eds
ein: Beide laden den Lkw und einen weiteren, den Nick kaufen soll, mit Äpfeln
voll, um sie in San Francisco zu verkaufen.
Auf der Fahrt rettet Ed Nick das Leben, als der -
von der Straße abgekommen - vergeblich versucht, einen Reifen zu wechseln
und dabei eingeklemmt wird. Nick und Ed fahren weiter, wobei Ed allerdings jetzt
Schwierigkeiten mit seinem Lkw hat. Nick kommt, völlig erschöpft,
in San Francisco an, während Ed noch mindestens einen halben Tag zurückliegt.
Auf dem Großmarkt trifft er das erste Mal auf den bei allen anderen Händlern
als Gauner verschrieenen Figlia. Ohne dass Nick es merkt, lässt Nick von
seinen Handlangern einen Reifen von Nicks Lkw zerstechen. Figlia will Nicks
Ladung in Kommission verkaufen, dabei ordentlich verdienen und Nick lediglich
3 ½ statt 6 ½ Dollar pro Kiste zahlen. Zugleich besticht Figlia
mit 50 Dollar die Prostituierte Rica (Valentina Cortese), Nick mit nach Hause
zu nehmen, damit Figlia in Ruhe die Äpfel verkaufen kann.
Da sich Rica allerdings in Nick verliebt, erzählt
sie ihm von dem geplanten Betrug, und Nick stellt Figlia zur Rede. Unter diesem
Druck zahlt Figlia die gesamten Einnahmen aus dem Apfelverkauf an Nick. Allerdings
hat Nick nicht mit dem Ausmaß an Skrupellosigkeit Figlias gerechnet. Denn
der beauftragt seine Leute, Nick zu überfallen und ihm das Geld wieder
abzunehmen ...
• I N S Z E N I E
R U N G •
Wie in seinen anderen Filmen schildert Dassin ein
überaus realistisches Bild der Verhältnisse. Er engagierte u.a. Arbeiter
des Großmarktes in San Francisco für den Film und drehte am Originalschauplatz.
Aber auch die Schauspieler tragen dazu bei, die Atmosphäre ohne die ansonsten
oft üblichen Klischees und Ausschmückungen realistisch erscheinen
zu lassen. Lee J. Cobb, der für etliche negative Charakterdarstellungen
bekannt ist, spielt Figlia als gerissenen, skrupellosen Geschäftemacher
- aber ohne alle Übertreibung oder theatralische Überzeichnungen.
Ähnliches gilt für Richard Conte, Valentina Cortese und Millard Mitchell.
Lediglich Barbara Lawrence in der Rolle der Polly Faber - der Verlobten Nicks
- neigt in ihrer Darstellung zu leichter Überzeichnung.
Hinzu kommt die ausgezeichnete Kameraarbeit von Norbert
Brodine, der in den 40er Jahren zu den bedeutendsten Experten seines Fachs gehörte
und sich vor allem durch seine Art von Außenaufnahmen einen Namen gemacht
hatte. Nur eine Szene des Films ist gefälscht. Als man auf einer Obstplantage
Apfelbäume vor der Ernte aufnehmen wollte, stellte man fest, dass bereits
alle Äpfel in Kisten verpackt waren. Alle, einschließlich der Schauspieler,
halfen mit, die Äpfel an zehn Bäumen mit Drähten zu befestigen,
um die Szene zu drehen.
Der Film wird getragen von der Spannung zwischen
den unterschiedlichen Charakteren Nicks und Figlias, aber vor allem auch von
der sehr nüchtern dargestellten Liebesgeschichte zwischen Nick und Rica,
der Prostituierten. Während Rica anfangs Nick noch hintergeht, indem sie
sich von Figlia bestechen lässt, spürt sie zunehmend Zuneigung zu
ihm und merkt, dass auch Nick sie mag. Als Nick seine Verlobte anruft, sie solle
doch nach San Francisco kommen und mit ihm das gute Geschäft zu feiern,
glaubt er noch, Polly bald heiraten zu können. Als sich jedoch herausstellt,
dass Nick inzwischen des Geldes beraubt wurde, greift die inzwischen in Frisco
angekommene Polly zu ihrem Koffer und fährt zurück. Nick muss erkennen,
dass sie ihn offenbar nur wegen des Geldes heiraten wollte.
Demgegenüber stellt er fest, dass Rica ihn zwar
betrogen hatte, jetzt aber fest zu ihm hält. Diese Darstellung der Liebesgeschichte
ist derart nüchtern, unromantisch und in sich stimmig und realistisch inszeniert,
dass es einem zunächst die Sprache verschlägt. Und doch führt
diese Inszenierung eben gerade dazu, dass sie glaubwürdig wirkt. Dass Rica
Prostituierte ist, spielt für die Handlung keinerlei Bedeutung. Dass sie
in charakterlich - trotz ihres bisherigen Lebens zwischen Prostitution und Gaunerei
- ein ehrlicher Mensch ist, hat dagegen entscheidende Bedeutung. Auch für
Nick spielt es keine Rolle, dass sie bislang als Hure arbeitete. Für einen
Film der 40er Jahre eine durchaus gewagte Darstellung der Verhältnisse.
Auch die anderen Personen - Ed, Slob (Jack Oakie)
und Pete (Joseph Pevney), die Ed hinterher fahren - tragen zur Nüchternheit
und Realismus der Handlung bei. Selbst das Happyend und die Rache an Figlia
sprengen nicht den Rahmen dieser Realistik. Dassin schildert das Leben der Obsthändler
und -farmer als hartes Leben, ohne Schnörkel. Und so gehört "Thieve's
Highway" zu jener Sorte von film noir, die man im heutigen Kino manchmal
sehnlichst vermisst.
• D V D •
Der Film erschien
in der Reihe "20th Century Fox - Große Film-Klassiker" zu einem
Preis von € 12,99. Diese Reihe enthält etliche Filme aus den 30er, 40er,
50er und 60er Jahren. Trotz fehlendem Bonusmaterial liefert Fox hier einen passablen
Überblick über zum Teil schon vergessene Filme dieser Jahrzehnte.
Die Box mit dem Originalfilmplakat enthält ein vierseitiges Booklet mit
Informationen zum Film. Bild- und Tonqualität lassen nichts zu wünschen
übrig. Wer drei oder mehr Filme dieser Reihe kauft, kann sich auf der Homepage
der Fox zusätzlich eine Prämie "ergattern". Jede DVD enthält
einen Code, den man dort eingeben kann. Für drei dieser Codes kann man
sich beispielsweise eine weitere DVD als Prämie holen. Weitere Informationen
unter:
http://www.fox-große-klassiker.de.
Wertung: 10 von 10 Punkten.
Ulrich Behrens
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei:
Gefahr
in Frisco
(Thieve's
Highway)
USA
1949, 94 Minuten /DVD: 90 Minuten)
Regie:
Jules Dassin
Drehbuch:
A. I. Bezzerides, nach dessen Roman "Thieve's Market" (auch: "The Red Of My Blood")
Musik:
Alfred Newman
Kamera:
Norbert Brodine
Schnitt:
Nick De Maggio
Darsteller:
Richard Conte (Nico "Nick" Garcos), Valentina Cortese (Rica), Lee
J. Cobb (Mike Figlia), Barbara Lawrence (Polly Faber), Jack Oakie (Slob), Millard
Mitchell (Ed Prentiss), Joseph Pevney (Pete), Morris Carnovsky (Yanko Garcos),
Tamara Shayne (Parthena Garcos), Kasia Orzazewski (Mrs. Polansky), Norbert Schiller
(Mr. Polansky), Hope Emerson (Midge)
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