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Gegenüber
Szenen einer Ehe. Er ist Polizist, sie ist Grundschullehrerin.
Er ist sanft, bescheiden, geduckt, einer, der sich am liebsten verkriechen würde
immerzu. Einmal begeht er fast aus Versehen eine Heldentat, er soll befördert
werden, es ist ihm sehr unangenehm. Georg Hoffmann (Matthias Brandt) ist das
Gegenteil eines Helden. Er nimmt die Schuld der Welt auf sich. Er genießt
es nicht, er ist kein Masochist, aber sich zur Wehr setzen, das ist nicht sein
Ding.
Seine Frau Anne (Victoria Trauttmansdorff) hält
es nicht aus. Sie hält ihn nicht aus, sie hält die Ehe nicht aus,
sie hält ihr Leben nicht aus: es ist nicht einfach zu sagen. Aber eins
ist gewiss: Sie duckt sich nicht, sie belässt es auch nicht bei Widerworten.
Sie schlägt zu. Sie schlägt ihren Mann, der sich nicht zur Wehr setzt,
der sich am liebsten verkriechen würde, der die Schläge nimmt, wie
sie kommen. Sie genießt das nicht, sie bittet ja, es ist ihr selbst wohl
nicht recht klar, was sie von dieser Wut halten soll, die sie zuschlagen lässt.
Jan Bonny macht dieses Szenario in seinem Debütfilm
"Gegenüber" plausibel. Ein bisschen zu nachdrücklich vielleicht,
wenn er die Eheleute mit beinahe guten Gründen für die plötzliche
Eskalation der Beziehungsprobleme nach zwanzig Ehejahren umzingelt. Dazu gehört
ein Schwiegervater zum Beispiel, von dem sie finanziell abhängig sind,
der Georg seiner Erfolglosigkeit wegen verachtet und ihn kränkt und verletzt,
wo er nur kann. Oder einem Kollegen (Wilke Wotan Möhring), der Georg die
Beförderung neidet und sich als Freund gibt, der er, wie man bald sieht,
nicht ist.
Bonny erzählt seine Geschichte im sozialrealistischen
Modus - wer also angesichts der psychodynamisch fatalen Kernkonstellation an
Fassbinder denkt und seine präzisen Stilisierungen, liegt eher falsch.
Bonny setzt nicht auf Distanz, sondern auf größtmögliche Intimität.
Es schleicht sich dabei aber dank der hervorragenden Schauspieler kein falscher
Ton in die Darstellung, die Bilder zeigen die Verletzungen, aber beuten sie
nicht aus. Weil Bonny nichts verschweigt, die intensiven Szenen nicht durch
Humor entschärft, ist das Zuschauen manchmal schwer erträglich. Es
spricht das aber für, nicht gegen den Film.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.perlentaucher.de
Gegenüber
Deutschland
2007 - Regie: Jan Bonny - Darsteller: Victoria Trauttmansdorff, Matthias Brandt,
Wotan Wilke Möhring, Susanne Bormann, Anna Brass, Pablo Ben-Yakov, Jochen
Striebeck, Maria Körber, Claus Dieter Clausnitzer - Länge: 96 min.
- Start: 11.10.2007
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