zur startseite
zum archiv
Das
Geheimnis der falschen Braut
Louis
Mahe (Jean-Paul Belmondo), ein junger, vermögender Tabakpflanzer auf einer
ehemaligen französischen Kolonialinsel, verliebt sich in ein mittelloses
und dazu noch in dubiose Affären verwickeltes Mädchen. Julie Roussel
(Catherine Deneuve) heißt die attraktive Abenteuerin angeblich. Doch sie
hat sich unter falschem Namen an ihn herangemacht und Louis nicht nur geheiratet,
sondern auch eine Bankvollmacht von ihm ergattert. Heimlich verlässt die
angebliche Julie die Plantage ihres Mannes, um einen Fremden zu treffen. Zuvor
bringt sie Louis um seine ganze Barschaft, indem sie sämtliche Konten leerräumt
und anschließend spurlos verschwindet. Durch Zufall findet Louis sie wieder:
Zunächst als Taxichauffeurin, später, indem er sie verfolgt, als Animiermädchen
in einer Bar. Und gerät erneut in ihren Bann, ja er ist sogar bereit, einen
Mord für sie zu begehen...
Francois
Truffaut, der in seinen frühen Filmen aus den 60er Jahren („Jules
und Jim“,
„Antoine und Colette“, „Die süße Haut“, „Fahrenheit
451“)
um Wirklichkeitsnähe und Authentizität bemüht war, selbst wenn
es sich, wie etwa bei „Fahrenheit 451“ um einen Science-Fiction-Stoff handelte,
gab seinen späteren Werken häufig einen ironischen Unterton. Nicht
mehr die Abbildung von Wirklichkeit stand im Mittelpunkt, sondern die Schaffung
einer eigenen Welt, in der sich die Wirklichkeit entlarvend spiegelt. Dabei
nutzte Truffaut immer wieder Konventionen und Klischees bestimmter Filmgenres,
um den Zuschauer so leichter in seine Welt hinüberzuziehen.
So
auch bei „Das Geheimnis der falschen Braut“, einem Stoff, der wie „Die Braut
trug schwarz“ (1967) nach einem Roman von William Irish (= Cornell Woolrich
("Das
Fenster zum Hof"))
entstand. So schrieb der „Spiegel“ seinerzeit: „Trivialer ist im Kino selten
über die Liebe geredet worden. Der Regisseur (...) narrt die Betrachter,
die nach Tiefsinn fahnden, mit einer Krimi-Dramaturgie a la Hitchcock..“
Truffaut
hat den Schauplatz der Vorlage von New Orleans auf die Insel La Reunion und
die Handlung in die Gegenwart der 60er Jahre verlegt, jedoch das traditionelle
Sujet vom Vamp, von der femme fatale, die einen ehrenwerten Mann völlig
in der Hand hat, übernommen.
„Das
Geheimnis der falschen Braut“ ist die Geschichte eines Mannes, der seine „falsche“
Frau auch dann noch liebt, als er ihre skrupellose Geldgier erkannt hat, der
sogar einen Detektiv, der ihr auf der Spur ist, kaltblütig beseitigt. Truffaut
hat den Film auch als eine Hommage an den von ihm verehrten Regisseur-Kollegen
Alfred Hitchcock gedreht – allerdings mit der oben erwähnten ironischen
Distanz des skeptischen Erzählers, der seine Figuren nicht ganz ernst nimmt.
Und
noch ein Bezug fördert der Film – in seinem überraschenden Schluß
im winterlichen Grenoble – zutage: Er erinnert an Jean Renoir und dessen Film
„Marsellaise“. Louis und Julie versuchen händchenhaltend durch den Schnee
über die Grenze zu entkommen, nachdem sie ihn in einer einsamen Waldhütte
gesund gepflegt und ihm ihre Liebe geschworen hat...
Die
beiden Protagonisten Jean-Paul Belmondo und Cartherine Deneuve, in weiteren
Rollen sind u.a. Michel Bouquet und Nelly Borgeaud zu sehen, spielen sehr unterkühlt
und zumindest für den Geschmack der zeitgenössischen französischen
Kritik zu lässig. Die auch an der unübersichtlichen, in viele Episoden
zerfallenden Geschichte kaum ein gutes Haar ließ.
Heute
kann man Truffauts Talent, subtile seelische Vorgänge auf der Leinwand
sichtbar zu machen, gänzlich unverstellt von solchen längst vergessenen
Cineasten-Debatten genießen.
Pitt
Herrmann
Dieser
Text ist zuerst erschienen im:
Das
Geheimnis der falschen Braut
LA
MIA DROGA SI CHIAMA JULIE
LA
SIRENE DU MISSISSIPPI
Frankreich
/ Italien - 1968/69 - 124 min. - Scope
FSK:
ab 16; feiertagsfrei - Prädikat: wertvoll - Verleih: United Artists - Erstaufführung:
19.12.1969/27.4.1974 ARD - Fd-Nummer: 16562 - Produktionsfirma: Les Films du
Carosse/Artistes Associés/Associate Delphos
Produktion:
Claude Miller
Regie:
François Truffaut
Buch:
François Truffaut
Vorlage:
nach dem Roman "Waltz Into Darkness" von William Irish (= Cornell
Woolrich)
Kamera:
Denys Clerval
Musik:
Antoine Duhamel
Schnitt:
Agnès Guillemot
Darsteller:
Jean-Paul
Belmondo (Louis Mahé)
Catherine
Deneuve ("Julie Roussel"/Marion B.)
Michel
Bouquet (Comolli, Detektiv)
Nelly
Borgeaud (Berthe, Julies Schwerster)
Marcel
Berbert (Jardine)
zur startseite
zum archiv