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Die
Geierwally (1987)
Hätte die kletterbegabte Österreicherin,
Naturliebhaberin und Malerin Anna Stainer-Knittel geahnt, was mit ihren 1910
verfassten Lebenserinnerungen später alles angestellt werden würde,
sie hätte sich die Autobiographie womöglich verkniffen. Wilhelmine
von Hillerns Schnulzenroman „Die Geierwally“, in dem aus der Tirolerin „Walburga
Stromminger“ wurde, und die Opernadaption „La Wally“ könnten ihr noch gefallen
haben. Aber dann gab´s eine „Blut und Boden“-Filmversion aus der NS-Zeit
und – das krasse Gegenteil – die schrille, schwule, mit Musiknummern gespickte
Persiflage Walter Bockmayers im Jahr 1987, in der Heimatfilm-Konventionen und
das züchtige Bergbauernleben nach allen Regeln der Klamotte durch den Kakao
gezogen wurden. Zur Erstaufführung eher links liegen gelassen, ist diese
vierte „Geierwally“-Verfilmung inzwischen zum Kultobjekt avanciert.
Dass die von Fans heiß ersehnte DVD mit Extras
eher geizt, ist hier nicht ganz so schlimm, weil das Making Of in den Film gewissermaßen
schon eingebaut war: Bockmayer schickte mit Vorliebe die „misslungenen“ Szenen
ins Kopierwerk. So stolpern die Darsteller vergnüglich über ihr Pseudo-Tirolerisch
(„In der Bibela stahts g´schriebi!“) und brechen während dramatischer
Auseinandersetzungen in hemmungsloses Lachen aus. Wenn Wallys Tante Luckart
die Schicksalskarten aufdeckt – Ralph Morgenstern verkörpert sie als kölsche
„Zug´reiste“ –, kommentiert die Spiritistin das unheilvolle Blatt mit
stakkatohaften Entsetzensschreien. Dann flattert noch der titelgebende Greifvogel
zum Fenster herein, Morgensterns Perücke geht zu Boden, das Durcheinander
ist perfekt – und die Lachtränen laufen auch beim Publikum.
Etwas wehmütig stimmen die Auftritte der kürzlich
verstorbenen Elisabeth Volkmann (als singende „Erbfürstin“) und der unvergesslichen
Theaterschauspielerin Ortrud Beginnen in der Rolle einer über-ehrgeizigen
Magd, die in den Kleidern ihrer Herrin erwischt wird und kleinlaut bemerkt:
„I wollt halt nur amol probiern, wie i als Höchstbäuerin ausschau!“
Veronica Ferres, die in Bockmayers Kölner Lokaltheater „Die Filmdose“ ihre
allerersten Auftritte hatte, wurde auf dem „Geierwally“-Hof noch als Edelstatistin
eingesetzt, während die nicht weniger dralle Samy Orfgen in der Titelpartie
in die Vollen gehen darf, wütend über Almwiesen und Gletschersteige
stampft und den Männern – dem Vinzenz und dem Bären-Joseph – mal so
richtig zeigt, was eine Heugabel ist. Ach, vielleicht hätte Anna Stainer-Knittel
(die vielen ja als früh Emanzipierte gilt) Bockmayers Wally ja doch gemocht.
Jens Hinrichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-dienst
Die
Geierwally (1987)
BR
Deutschland - 1987 - 91 min. - Erstaufführung: 28.1.1988/Mai 1989 Video/2006
DVD (Kinowelt)
Regie:
Walter Bockmayer
Buch:
Walter Bockmayer
Vorlage:
nach einem Roman von Wilhelmine von Hillern
Kamera:
Wolfgang Simon
Musik:
Horst Hornung
Schnitt:
Alexander Rupp
Darsteller:
Samy
Orfgen (Geierwally)
Gottfried
Lackmann (Bärenjosef)
Christoph
Eichhorn (Vinzenz)
Elisabeth
Volkmann (Erbfürstin)
Ralph
Morgenstern (Tante Luckart)
Barbara
Valentin
Walter
Bockmayer
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