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Die
Geisha
Im Kirschblütenregen
Rob Marshalls Literaturadaption "Die Geisha"
erfüllt alle Voraussetzungen für großen Camp, ist aber doch
nur panasiatischer Quark. Dank seiner Schauspielerinnen sieht er gleichwohl
fantastisch aus
Im Alter von neun Jahren werden Chiyo und ihre ältere
Schwester, Töchter eines ärmlichen Fischers und seiner todkranken
Frau, in einer nächtlichen Transaktion von ihrem Vater verkauft. Die See
ist aufgewühlt, als kündeten die Naturgewalten bereits von der bevorstehenden
menschlichen Tragödie. Der Menschenhändler verkauft Chiyo an einen
Okiya,
einen Geisha-Haushalt, in Kyoto. Es sind seine strahlend graublauen Augen, die
das Mädchen vor dem Schicksal ihrer Schwester bewahren. Die muss sich im
Hanamachi gion,
dem Geisha-Viertel Kyotos, mit niederer Arbeit verdingen, bis sie flieht und
sich damit früh aus dem Film verabschiedet.
Als ihre Eltern sterben, bleibt Chiyo der Okiya als
einziger emotionaler Rückhalt. Derart in die Welt geworfen, gerät
sie zwischen die Fronten: Auf der einen Seite steht die missgünstige Hatsumomo
(Gong Li), die Haupt-Geisha des Okiya, auf der anderen Mameha (Michelle Yeoh),
die Grand Dame im Hanamachi. Mameha nimmt sich schließlich der heranwachsenden
Chiyo, die nun von Zhang Ziyi dargestellt wird, an, um das junge Mädchen
in die Geisha-Kunst einzuführen.
Rob Marshalls "Die Geisha", eine Filmadaption
von Arthur Goldens Bestseller "Memoirs of a Geisha", erfüllt
alle Voraussetzungen für großen Camp: eine hysterische, opulente
und politisch höchst unkorrekte Variante von "Vom Winde verweht",
gemischt mit den besten Elementen aus "Showgirls", dargeboten von
den drei größten weiblichen Stars des asiatischen Kinos. Edle Gesten
und Gemüter bespielen in "Die Geisha" die Gefühlsklaviatur.
Die schweratmigen Tableaus ersticken beinahe die Grazie des Stoffes. Dazu erfüllen
das Knistern samtener Kimonos und das tonlose Zischeln intriganter Zicken die
Bilder mit einem anhaltenden Hintergrundrauschen.
Goldens Romanvorlage erreichte Ende der Neunziger
hunderttausende amerikanische Haushalte als penibel recherchierter, authentisch
gefühlter Erlebnisbericht über eine Tradition, die westlichen Betrachtern
bis heute suspekt geblieben ist. Der Harvard-Absolvent Golden hat sich während
seines Studiums eingehend mit japanischer Geschichte und Kunst befasst. "Geishas",
erklärt Mameha dann auch Chiyo, "sind weder Kurtisanen noch Ehefrauen.
Wir verkaufen unsere Fähigkeiten, nicht unsere Körper. Wir schaffen
eine andere, geheime Welt. Eine Geisha muss als ein lebendiges Kunstwerk verstanden
werden."
Doch Marshalls Interesse an der Geisha-Etikette ist
mäßig, sofern sie nicht optisch (Kostüme, Tanz und Kirschblütenregen)
etwas hergibt. Hier haftet dem Film Marshalls Broadway-Stallgeruch noch merklich
an. "Die Geisha" sieht aus, wie sich Joe Blöd japanische Traditionskultur
vorstellt. "Bei euch [gemeint sind die Japaner] ist alles ein Ritual",
sagt ein GI höflich zu Chiyo, als sie ihm Sake einschenkt. Marshall schlachtet
diese kulturelle Vorstellung weidlich aus. Die Damen beim Schminken, beim Shamisen-Spiel,
beim Tanz, beim Konversation-Pflegen, als Gäste eines Sumo-Wettkampfes.
Servilität als höchste Form weiblicher Kultiviertheit. Nur Sex ist
tabu bzw. bleibt dem Höchstbietenden vorbehalten. "Wenn es einen Preis
für das, worum Sie bitten, gäbe", weist Chiyo einen aufdringlichen
Verehrer ab, "könnten Sie ihn sich nicht leisten."
Mit seinem "There is no business like show business"-Chuzpe
wirkt "Die Geisha" wie ein pompöser Aufwasch von "Chicago".
Leider geht dem Film die ironische Distanz von Marshalls Debütfilm völlig
ab; die Theatralik des Geisha-Stoffes wird nie gebrochen. Zugegeben, Zhang Ziyi,
Michelle Yeoh und Gong Li sind schier atemberaubend, sie hauchen ihren Figuren
mehr Lebendigkeit ein, als Marshalls Inszenierung ihnen zugestehen mag. Aber
der Film kann die Enge der Bühne nie überwinden, selbst wenn der Blick
einmal in die Ferne, über die Dächer von Kyoto, schweift.
Gleichfalls zieht Marshall keinen Vorteil aus der
Hermetik seiner Inszenierung. Über die soziale Stellung der Geisha im modernen
Japan und das Leben im Okiya erfährt man fast nichts. Die ausbeuterische
Natur der Geisha-Tradition, die Film wie Buch vehement leugnen, kommt in "Die
Geisha" nur am Rande zum Vorschein, wenn nach dem Endes des Zweiten Weltkriegs
viele der Frauen in die offene Prostitution gezwungen werden. Angesichts dieser
eklatanten Schwächen gerät die bereits im Vorfeld zirkulierende Kritik
an "Die Geisha" beinahe zur Nebensache. Moniert wurde unter anderem,
dass chinesische bzw. malaiische Schauspielerinnen Japanerinnen verkörpern,
dass die Traditionen und die Musik nicht akkurat wiedergegeben werden und die
– im Original - putzige Lingo der Darstellerinnen. Doch von einem so streng
kalkulierten Unterhaltungsprodukt der größten westlichen Filmindustrie
lässt sich wirklich nichts anderes erwarten als das, was Marshall dem Zuschauer
bietet: ein panasiatischer Quark, der die alten Vorurteile und Klischees nur
erneut bekräftigt.
Die anhaltende Kritik kann Marshall zu Recht nicht
berühren. Es ist geradezu absurd, einen Film, der derart hemmungslos seine
eigene Künstlichkeit ausstellt, aufgrund von Authentizitätsdefiziten
zu belangen (dass nationale Befindlichkeiten nicht trotzdem verletzt werden
können, soll hier gar nicht bestritten werden). "Die Geisha"
ist ein Film für Menschen, die dreimal im Jahr ins Kino gehen und dabei
möglichst geschmacksneutral unterhalten werden wollen - also genau die
Klientel, auf die Hollywood seine Filme in den letzten Jahren mehr und mehr
zuschneidet. In seiner reinen Nutzwertigkeit steht Marshalls Film damit Goldens
Gebrauchsprosa in nichts nach.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Die
Geisha
USA
2005 - Originaltitel: Memoirs of a Geisha - Regie: Rob Marshall - Darsteller:
Zhang Ziyi, Ken Watanabe, Michelle Yeoh, Koji Yakusho, Youki Kudoh, Kaori Momoi,
Tsai Chin, Cary-Hiroyuki Tagawa, Suzuka Ohgo, Gong Li - Länge: 145 min.
- Start: 19.1.2006
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