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Das
Geld
Geld
ist das, was Waren, Wünsche, Menschen in Verkehr bringt. Falschgeld ist,
da ist Bresson konsequent, Unterbrechung dieses Verkehrs. Das Geld, das fehlt,
wird ersetzt durch den durch Wahrheit ungedeckten Schein, an dessen Freisetzung
dann nicht nur die Geschäfte kollabieren. Das Falsche zeugt das Falsche.
Der Betrug unterbricht den Fluß der Zahlungskommunikation. Schauplatz
dieser Unterbrechung: das Gericht, das Gefängnis. Die Gerechtigkeit schlägt
zu, zieht aus dem Verkehr, aber den Falschen. Unschuld wird mit Falschgeld in
Schuld umgemünzt. Und die umgemünzte Unschuld wird Schuld, in fast
unerträglicher Manier. Man hört dazu immer nur, den ganzen Film hindurch,
Schritte. Man sieht, kaum beteiligt, Ausschnitte. Gegenstände, etwa Yvons
Hände, zu Beginn, die den Einfüllstutzen zuschrauben, Hände,
die das Geld gegen das Licht halten. später das Schloss, das sich hinter
Yvon schließt, die Axt, auf die - dies nun als ganz konventionelle Vorausdeutung
- der Blick der Kamera fällt.
Die
Welt von Bressons Filmen ist zeichenhaft und material zugleich, darin liegt
ihr scheinbares Paradox und ihre größte Konsequenz. Die schiere Materie
des Geräuschs, etwa, im Gefängnis, der Topf, der über den Boden
kratzt (Wiederaufnahme von Motiven aus "Ein zum Tode Verurteilter..."),
die Schritte, die alles grundieren, punktieren, eine Musik, die so wenig Musik
ist wie die Figuren Charaktere sind. Affektverweigerung, als könnten die
Geräusche, die Dinge sprechen, ohne zu wirken. Die Logik von Port-Royal,
sprachphilosophische Grundlegung des Jansenismus, die die Rhetorik verbannen
möchte und auf Zeichen hofft, die nur Bedeutungen in Verkehr bringen miteinander,
ohne ungedeckten Schein und ohne Falsch. Das Zeichen, so Bressons kinematisches
Phantasma, soll, auch als visuelles, nichts sein als das, was es bedeutet; es
darf sich nicht verströmen an den Zuschauer, der Identifikation begehrt
und Empathie; es darf niemals symbolisch werden, alles, was man bei Bresson
sieht und hört, ist in radikaler Weise literal zu nehmen. Das Böse
ist immer das, was nicht ist, was es zu sein scheint. Es sind die Zeichen selbst,
die auf die Tonspur graviert sind, es ist, als wollte Bresson allen denkbaren
Überschuss (Soundtrack, emotionales Spiel) verunmöglichen durch die
harsche Beschränkung des Zeichens auf das, was seine Materie ist. (Dass
hier der Teufel des Ästhetischen ein neues Einfallstor findet, ist nicht
in Bressons Sinne.)
Das
Zeichen ist nichts als sein Wert, auf den ersten Blick: wie das Geld. Es ist
der Mangel an Geld, der die Blüte als die rhetorische Figur des Geldes
hervortreibt. Das Geld ist darum immer schon mehr als nur sein Wert, weil es
besetzt wird mit einem Begehren, mit dem es nichts zu tun hat. Das Begehren
will, natürlich, nie das Geld. Und Bresson demonstriert die Fatalität
des Begehrens, das das Zeichen mit dem verwechselt, was es begehrt. Das Falschgeld
ist also das Falsche des Geldes und stört deshalb den glatten Kommerz,
in dem das Geld nichts ist als reine Potenzialität des Tauschs. Als solches
wäre es wahres Geld, wie die kinematografischen Zeichen als reine Zeichen
wahre Zeichen wären. Das Übel kommt in die Welt, ist in der Welt,
nur als Überschuss über das leere Zeichen.
Ekkehard
Knörer
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei:
Robert
Bresson: Das Geld (F/Schweiz 1983)
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