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Genug
Immer
auf die Zwölf
Seien
wir ganz ehrlich: die Erwartungen an Michael Apteds fragwürdiges Drama
um Ehestreit und Selbstjustiz sind nicht gerade von überschwänglichem
Enthusiasmus geprägt, dazu geben weder eine inhaltliche Übersicht,
noch die Liste der unmittelbar Beteiligten einen berechtigten Anlass. Wäre
man jetzt gar schonungslos offen, käme wohl niemand umhin, der katastrophal
einsilbig konstruierten Geschichte um die misshandelte Slim (Jennifer Lopez)
und ihre Tochter Gracie (Tessa Allen), die alle beide den gewalttätigen
Händen Mitch Hillers (Bill Campbell), einem seltsam neo-aristokratischen
Vater und degenerierten Ehemann, entfliehen, und in all ihrer femininen Verzweiflung
nach einem Zufluchtsort suchen, ein vernichtendes Urteil auszustellen.
Doch
dieser Mitch findet sie. Immer wieder. Denn der bisher so treu sorgende und
scheinbar friedliche Gatte entpuppt sich vor den Augen seiner jahrelang in Bigotterie
erstarrten Ehefrau zum ultimativen Monstrum. Eine Metamorphose der besonderen
Art, denn Mitch entsendet ganze Heerscharen von finstrem Gesindel um seine Frau
und die fidele Gracie in den familiären Albtraum zurückzuholen. Über
kriminelle Zweige schnürt sich die Schlinge um Slims Hals immer mehr zu,
denn je weiter sie sich von Mitch entfernt, desto klarer erscheint ihr die Ausweglosigkeit
ihrer Situation. Mitch ist überall, er wird sie immer finden.
Enough -
so der Film im Original - ist derart realitätsfern und schwimmt auf einer
solch dünnen narrativen Schicht, dass es schier grotesk erscheint, mit
welch selbstauferlegter Zielstrebigkeit der Film ein ums andere Mal die eigene
Absurdität des groben Ganzen karikiert, um einen noch exemplarisch schlechteren
Streifen daraus zu gewinnen. Es passt leider kein Stein auf den anderen, weder
das lose Gerüst aus wahllos aneinandergereihten Sequenzen, noch das indiskutable
Ende, in dessen Verlauf sich die anfangs Wehrlose zu gnadenlos selbstgerechter
Rache berufen fühlt und der Film jedes Maß an Verantwortung oder
gar reflexiven Sinnzusammenhängen verliert.
Einzig
und allein aufgrund eines Reflexes lässt sich Apteds Inszenierung ertragen,
verstehen oder nachvollziehen und das ist Mitleid. Mitleid mit der naiven Kellnerin,
die einen relativierten Psychopathen ehelicht, Mitleid mit der jungen Gracie,
die zwischen den einzelnen Ungereimtheiten so etwas wie den kindlichen Puffer
bietet und Mitleid mit Noah Wyle, der als Handlanger von Mitch derart fehlbesetzt
ist, dass dies bei der gesamten Crew des "Emergency Room" zu supraventrikulären
Extrasystolen führen dürfte. Enough ist
soweit jenseits von dem, was sich in der Regel als gelungene Unterhaltung definiert,
dass es fast körperliche Schmerzen bereitet, dieser sinnentfremdeten Verballhornung
einer durchaus ernsten Thematik zuzusehen. Diesen Tiefschlag hat niemand verdient.
Außer Mitch.
Patrick
Joseph
Diese
Kritik ist zuerst erschienen bei: ciao.de
Genug
USA
2002 - Originaltitel: Enough - Regie: Michael Apted - Darsteller: Jennifer Lopez,
Billy Campbell, Juliette Lewis, Dan Futterman, Fred Ward, Bill Cobbs, Jeff Kober,
Bruce A. Young, Tessa Allen, Noah Wyle - FSK: ab 12 - Länge: 115 min. -
Start: 19.9.2002
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