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Die
Geschichte vom Spitfire Grill
CARE
OF THE SPITFIRE GRILL, der den Publikumspreis beim Sundance Filmfestival gewann,
ist eher ein schlechter als ein guter Film, es ist einer der Filme, die als
Frauenfilm für ein weibliches Publikum konzipiert sind, aber von einem
männlichen Autor und Regisseur gemacht. Der heißt Lee David Zlotoff
und hat bisher viel für das Fernsehen (unter anderem „Remington Steele")
produziert.
Ein
amerikanisches Provinzdrama. Und wie THE AMERICAN QUILT, ANTONIA'S LINE Oder
jetzt Timms PUTZFRAUENINSEL, so erzählt auch CARE OF THE SPITFIRE GRILL
von der Verschwesterung über die Generationengrenze hinweg. Hannah Ferguson
(Ellen Burstyn als krauslockige Alte) ist es hier, die Wirtin des „Spitfire
Grill", eines urtümlich amerikanischen Coffee-Shops die sich, erst
widerwillig, dann mit ruppiger Herzenswärme, einer entlassenen Strafgefangenen
annimmt. Küchenarbeit gegen Unterkunft und Verpflegung ist der Deal. Später
gesellt sich als Dritte im Bunde noch Hannahs Schwiegertochter Shelby dazu,
eine über/-unterforderte Hausfrau und Prototyp des naiven Blondchens.
Hannah
will die Gaststätte verkaufen, aus Alters- und anderen Gründen. Käufer
sind schwer zu finden. Doch Percy, die junge Ex-Delinquentin, hat eine intelligente
Idee: einen Aufsatzwettbewerb, mit einem Grundeinsatz von 100 Dollar. Thema:
„Warum möchte gerade ich den Spitfire Grill' übernehmen?" Gemeinsam
macht sich frau an die Umsetzung.
Auch
wenn es dabei ein wenig zu liebevoll und ein wenig zu stereotyp zugeht: Gelungen
ist dieser Film, wo er beschreibt und beobachtet, wie sich bei der gemeinsamen
Arbeit die Beziehungen der Frauen untereinander und zu den Nachbarn ins Dorf
verändern. Vielleicht liegt das daran, daß das Beste an diesem Film
seine Darstellerinnen sind. Ellen Burstyns herbe Herzlichkeit ist fast schon
zuviel des Guten. Marcia Gay Harden (USED PEOPLE) betreibt die Verwandlung des
stupsnäsigen Hausfrauendummchens zur selbstbewußten Unternehmerin
mit Überzeugungskraft und Charme. Und Allison Elliot gibt das verletzte
Unterschicht-Mädchen, das sich schwerfällig öffnet und zu praktischer
Verantwortlichkeit heranwächst, mit so viel scheuer Glaubwürdigkeit,
daß es geradezu ein Schock ist, sie im Presseheft auf einem Variety-Starbild
posieren zu sehen.
So
weit, so gut. Es könnte mitgefühlt werden, gelitten und gebangt, gelacht
und geweint. Könnte, denn den vereinten Bemühungen der Schauspielerinnen
und unserer Herzen um rührende Ergriffenheit kommt gerade immer im falschesten
Moment der gewaltsame Versuch ihrer künstlichen Herstellung in die Quere.
Und so ist
es - zum Beispiel mit der Musik (James Horner: APOLLO 13, LEGENDS OF THE FALL)
- wie in der Geschichte vom Hasen und vom Igel: wo wir gerade erst hinkommen
sollen, die anschwellenden Streicherklänge sind längst da.
CARE
OF THE SPITFIRE GRILL ist auch eine Geschichte von der Enge der Provinz und
von Borniertheit, die in Haß umschlägt, der Fremdes angstvoll abwehrt.
„Gilead" heißt das Dörfchen in Maine, wo der „Spitfire Grill"
sich befindet, und unter der idyllischen Oberfläche ist es dort so wie
der biblische Name suggeriert: archaisch, patriarchalisch, abweisend. Die Göre
Percy, „young white trash" aus Akron/Ohio, ist hier ein mißtrauisch
beäugter Fremdkörper. Als Percy in einer Winternacht in Gilead ankommt,
aus dem Überlandbus steigt und mit ihrem Bündel durch das Dorf zur
Polizeistation stapft, lugen die Dorfbewohner hinter ihren Gardinen hervor.
Diese
Welt ist klein und eng. Percy hat mehr Feinde als sonst was. Einzige Ausflucht:
der Wald, der auch einen geheimnisvollen Fremden beherbergt. Sich hier zu bewähren
ist nicht einfach. Percy könnte es schaffen. Doch der Film gönnt ihr
das glückliche Ende nicht. Das ist kein Zufall. Denn auch, wenn es auf
der innerfilmischen Ebene (der der Story) so aussieht, als würde dieser
Film eine Heldin gegenüber ihren Bedrängern in Schutz nehmen: Aus
einer etwas weiter gefaßten Perspektive (der der Herstellung gesellschaftlicher
Bedeutung) ist es gerade die Filmerzählung selbst, die ihre Heldin als
Frauenopfer mißbraucht. Das Schicksal kommt da gerade recht.
Das
Ärgerliche an diesem Film sind die Subtexte, die er unter seiner vordergründigen
Botschaft, dem Eintreten für weibliche Solidarität und die Verstoßenen,
recht suggestiv vorbringt. Hier wird eine andere Sprache gesprochen als die
der parteilichen Unterstützung. Oft sieht es so aus, als müßte
Percy nicht nur ihrer Umwelt, sondern auch uns ihre Unschuld beweisen, sich
bewähren. CARE OF THE SPITFIRE GRILL verweist dabei in seinem Innersten
auf melodramatische Zusammenhänge, die von familiärer Schuld und mütterlichen
Verfehlungen erzählen.
Percy
ist zu befleckt, um das Glück verdient zu haben. Die Verfügungsgewalt
über den „Spitfire Grill" bekommt am Ende eine Unschuldige, eine ledige
Mutter. Allerdings auch die nicht für sich selbst. „It's
for Charley. Give
my boy a chance", bittet sie in ihrem Aufsatz. Ein merkwürdiges Ende
für einen „Frauenfilm".
Silvia
Hallensleben
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd film
Die
Geschichte vom Spitfire Grill
CARE
OF THE SPITFIRE GRILL
USA
1995. R und B: Lee David Zlotoff. P:
Forrest Murray. K: Rob Draper. Sch: Margie Goodspeed. M: James Horner. T: Stuart
Pearce. Pg: Gregory/Mendocino Corp. V:
Concorde. L: 116 Min. FSK: 12, ffr. FBW:
besonders wertvoll. DEA:
Filmfest Hamburg 1996. St: 24.10.1996. D: Alison Elliott (Percy Talbott), Ellen
Burstyn (Hannah Ferguson), Marcia Gay Harden (Shelby Goddard), Will Patton (Nahum
Goddard), Kieran Mulroney (Joe Sperling), Gailard Sartain (Sheriff Gary Walsh),
Louise De Cormier (Effy Katshay), John Jackson (Johnny B.).
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