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Die
Geschwister Savage
Komik und Seelenpein
Tamara Jenkins schildert, mit seltsamen Wechseln
der Tonlage in "Die Geschwister Savage" vom Leiden und Sterben eines
Vaters und davon, wie seine Kinder damit umgehen.
Ein blauer Himmel und die Sonne, Palmen, Häuser
in Reih und Glied: so präsentiert uns Tamara Jenkins die als Schönwettergesamtaltenheim
entworfene Stadt Sun City in Arizona. Dann sehen wir eine Reihe zurechtgeschnittener
Büsche, die in einer Arkade mannshohe Durchbrüche überkronen.
Aus den Durchbrüchen treten eine Reihe nicht mehr junger Frauen in Cheerleader-Kostümen.
Sie tanzen, dazu spielt auf der Tonspur des Films fröhliche Musik. Was
sollen wir davon halten? Macht sich der Film über diese so unangemessen
gekleideten Seniorinnen lustig? Solidarisiert er sich mit ihnen? Was ist das
für ein Ton, den Tamara Jenkins' Film "Die Geschwister Savage"
anschlägt?
Aus der künstlichen Außenwelt geht es
dann in die Innenwelt. Ein alter Mann in Unterwäsche (Philip Bosco) leistet
Widerstand gegen einen Betreuer, indem er mit seiner eigenen Scheiße das
Wort "Prick" (also etwa: Arschloch) an die Wand schmiert. Bald darauf
sehen wir, wie die Frau, mit der er zusammenlebt, desorientiert in einer Kosmetikabteilung
auftaucht, sich einen Finger anmalen lässt - dann schlägt sie hin
auf den Kosmetikstandtresen und ist tot. Ist das komisch?
Die beiden Kinder des alten Mannes, der den Namen
Savage trägt, reisen an, die Zeitarbeiterin mit schriftstellerischen Ambitionen
Wendy (Laura Linney) aus New York und der Literaturprofessor Jon (Philipp Seymour
Hoffman) aus Buffalo. Das Haus, in dem der Vater lebt, hat seiner Lebensgefährtin
gehört. Er muss jetzt raus. Die Ärzte diagnostizieren eine Demenz-Erkrankung,
also muss er in ein Alten- und Pflegeheim. Daran führt, das weiß
Jon und will Wendy nicht wahrhaben, kein Weg vorbei. Von den beiden erzählt
der Film, der von ihrer Vorgeschichte so viel ahnen lässt, dass sie keine
glückliche Kindheit hatten.
Von Glück geprägt ist auch ihre Gegenwart
nicht. Jon will endlich sein Brecht-Buch fertigschreiben, Wendy bewirbt sich
vergeblich um Stipendien für ein Drama, das sie schreiben will, über
ihre Kindheit und Jugend. Wie die Geschwister einander näherkommen, deren
Verhältnis von Konkurrenz geprägt ist, aber auch dem Wunsch, zur Zuneigung
fähig zu sein, davon erzählt dieser Film. Er tut aber auch das, indem
er von einem Ton in den anderen fällt. Mal streiten sie, mal sind sie einander
behilflich. Tamara Jenkins sucht in der Seelenpein die Komik und in der Komik
die Seelenpein. Sie will es sich und dem Zuschauer weder zu schwer machen noch
zu leicht.
Die Musik ist aber durchgehend eine Spur zu fröhlich,
es ist, als wippte sie zum Anblick des siechenden und sterbenden Vaters mit
dem Fuß. Dazu kommen Ablenkungsmanöver anderer Art: Wendy, die ein
Verhältnis mit einem verheirateten Mann hat und eine Katze. Jon, der seine
polnische Freundin nicht heiraten will, darum muss sie nach Polen zurück.
Nichts wird zuende erzählt, Problempäckchen werden geschnürt,
den Figuren überreicht und dann ist auch gut. Weiter mit Musik. Es geht,
vom Sterben der Alten mal abgesehen, doch manches noch halbwegs gut aus. Es
schwankt dieser Film, der offenbar mit Absicht das Unentschiedene will, irritierend
zwischen aufrechtem Problembewusstsein und falschem Trost.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 23.04.2008. im: www.perlentaucher.de
Die
Geschwister Savage
USA
2007 - Originaltitel: The Savages - Regie: Tamara Jenkins - Darsteller: Laura
Linney, Philip Seymour Hoffman, Philip Bosco, Peter Friedman, Gbenga Akinnagbe,
Cara Seymour, Tonye Patano, Guy Boyd, Debra Monk - FSK: ab 12 - Länge:
113 min. - Start: 24.4.2008
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