Ghost Dog - The Way of the Samurai
Jim
Jarmusch hat in seinem neuen Film diverse Kulturen gemixt und daraus eine Simple-Mind-Story
gemacht. Held Ghost Dog ist fünffach determiniert. Erstens ist er Brieftaubenzüchter;
deswegen flattert es im Film überall, gern auch gen Himmel. Zweitens ist
der Geisterhund Bücherleser; das erlaubt dem Film, uns einige Schrifttafeln
vorzusetzen. Drittens ist er Schwarzer; das wiederum bringt den coolen Original-Street-Beat
des Wu-Tang-Clan-Rappers RZA auf die Tonspur. Damit nicht genug, arbeitet Ghost
Dog als Auftragskiller; damit ist die komische Seite des Films abgedeckt: Klischee-Mafiosi-Bosse,
allesamt Gewalt-Comic-Fetischisten, machen sich lächerlich. Fünftens
und letztens ist unser Mehrfachheld Samurai. Damit schuldet er seinem Herrn
unverbrüchlichen Gehorsam, und der ist in Jarmuschs Fall fatalerweise eben
einer der ethisch ungenügenden Mafiosibosse. Ein Konflikt! Was entsteht
daraus? Bibberbibber. Wer mokiert sich? Wir Deutsche haben nicht das Recht dazu.
Denn
aus deutscher Nibelungentreue entstanden die Greuel in Bosnien und Herzegowina
sowie überhaupt die im 1. Weltkrieg. Erinnern wir uns. Wir gehen 90 Jahre
zurück. Am 29. März 1909 prägte der in Hamburg, meiner Heimatstadt,
geborene Reichskanzler Bernhard Fürst von Bülow in seiner legendären
Reichstagsrede das Schlagwort "Nibelungentreue" für die unverbrüchliche
Bündnistreue zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn.
Was
war die Folge? Das glückliche Austria annektierte flugs Bosnien und Herzegowina.
Das war ethisch, ethnisch und weltpolitisch ein großer Fehler. Die Nibelungentreue
war das Falsche.
Wir
können nicht verschweigen, daß die Nibelungentreue zur Nato nebst
Einsatz deutscher Kämpfer in Bosnien und Herzegowina der 90er Jahre des
20. Jahrhunderts auch nicht das Richtige war, erst recht nicht, wenn belesene,
gehorchende, rappende Killer vom Samurai-Schlag wie Ghost Dog für die richtige
Sache, die dann selbstredend die schwarze gewesen wäre, dort zum Einsatz
gekommen wären.
Jetzt
könnte man mich fragen, ob ich mich mit der germanischen Vasallentreue
nicht arg weit von Jarmuschs Film entfernt habe. Aber das ist überhaupt
nicht der Fall. Denn ich sah den Film 1999 in eben dem Wien, das sich neunzig
Jahre zuvor dank deutscher Treue das heutige Krisengebiet unter den Nagel gerissen
hatte. Das Wien von damals war demnach die Mafiazentrale vom Ghost Dog 1999.
Und das war und ist ethisch nicht in Ordnung. Soweit zur geographisch, regional
und individuell konditionierten Rezeption des neuen Jarmusch-Films. Wenn mich
der Film mit seiner ebenso einfältigen wie reaktionären Ethikbotschaft
auch jagen kann … - Hoppla, ich habe überhaupt nichts gegen Jim Jarmusch.
Als er damals mit seinem Debütfilm Permanent
Vacation
(1980) zum Festival nach Mannheim gekommen war, geschah das auf eigene Kosten.
Denn Fee Vaillant hatte den Film eben nicht zum Wettbewerb eingeladen. Unsere
Jury hatte sodann von einem Recht Gebrauch gemacht, das sie heute, glaube ich,
nicht mehr hat, und Jarmuschs Debütfilm erstens in den Wettbewerb gehievt
ihn und zweitens ihn mit einem total bedeutungsvollen Preis bedacht, dessen
Name mir momentan nicht gegenwärtig ist.
Um
noch einmal anzusetzen: Ideologischer Simplizität ungeachtet hat der Film
prima lakonische Werte; da steckt er dann doch drin, der gute alte Jarmusch,
und Robby Müller hat das in klassischer Klarheit zum Ausdruck gebracht.
Forest Whitaker ist aller Mehrfachdeterminierung zutrotz ein richtiger Mensch,
ziemlich abgehoben und grad deswegen. Also unter uns Jungs funktioniert Ghost
Dog
dann doch - ungeachtet usw.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser
Text ist zuerst erschienen im:
Ghost Dog - The Way of the Samurai
USA
1999. R,B: Jim Jarmusch. K: Robby Müller. S: Jay Rabinowitz. M: RZA. P: Plywood. D: Forest Whitaker, Isaach
de Bankolé, John Tormey, Henry Silva u.a. 116 Min. Arthaus
ab
13.1.00