Girlfight
Stolz und stark
Ein Mädchen steigt in den Boxring - und prügelt sich mit Männern
Diana hat einen unheilversprechenden Blick. In einem Science
Fiction-Film könnte sie ihre Gegner mit einem Augenaufschlag zu
Instant-Pulver verwandeln. Wenn sie durch die Gänge der High-School in
Brooklyn streift, gehen die Mitschülerinnen aus dem Weg. Wer sich mit ihr
anlegt, hat schlechte Karten. Kein Kratzen, Beißen, Haare ziehen - Diana
Guzman (Michelle Rodriguez) haut zu, mit der Faust mitten ins Gesicht.
Zufällig verschlägt es sie in einen heruntergekommenen Boxclub. Ihr
jüngerer Bruder trainiert dort unwillig, weil der Vater aus ihm einen
echten Kerl machen will. In der verschwitzten Männerwelt des Clubs fühlt
sich Diana sofort zu Hause. Den Sparring-Partner des Bruders streckt die
große Schwester gleich einmal mit einem gezielten Haken nieder.
Nicht die Bewunderung für's Testosteron verbindet sie mit der
Macho-Subkultur, sondern das Gefühl für die eigene Stärke. Gegen alle
Widerstände gelingt es ihr, den alten Victor (Jamie Tirelli) als
Boxtrainer zu gewinnen. Nur langsam freunden sich die ungeduldige
Schülerin und der wortkarge Lehrer an. Diana lernt ihre Aggressionen zu
kontrollieren und findet im schweißtreibenden Training auch ihr
persönliches Gleichgewicht.
An der Filmoberfläche buchstabiert Karyn Kusamas Kinodebüt Girlfight die
Dramaturgie des Boxerfilms pflichtbwewusst durch. Hartes Training, Siege
und Rückschläge, bis hin zum alles entscheidenden Finale. Wie Silvester
Stallone in Rocky ist auch Diana ein Underdog, der sich nach oben
arbeitet. Boxen ist für sie jedoch nicht nur der Weg zum sozialen
Aufstieg, sondern vor allem der Kampf um Respekt und Selbstvertrauen.
Girlfight ist ein Sportfilm, der weniger vom Siegen als vom
Erwachsenwerden erzählt. Diana will einfach nicht hineinpassen in die
kichernden Teenagerwelten ihrer diätsüchtigen Mitschülerinnen. Im Boxring
findet sie ihren eigenen Platz, auch wenn sie dort den andauernden
Anfeindungen der Machowelt ausgesetzt ist.
Vorsichtig verliebt sich Diane in den Fliegengewichtsboxer Adrian. Die
spröde Art wie die beiden umeinandertänzeln, immer wieder in Deckung
gehen und unerwartete Schläge austeilen, ist weit entfernt von den
Balzritualen geleckter Highschool-Schmonzetten. Dass die beiden am
Schluss gegeneinander um die Meisterschaft kämpfen, gehört gewissermaßen
zur Konsequenz der Beziehung.
In der Männerdomäne des Boxerfilms jongliert Regisseurin Karyn Kusama
souverän mit den Geschlechterstereotypen und zeigt ohne feministische
Kampfposen, dass zwischen den Rollenklischees immer noch genug Platz zum
Leben (und Filmen) ist. Stark, stolz, selbstbewusst ist ihre Heldin, ohne
zur kämpferischen Überfrau zu mutieren. Michelle Rodriguez setzt mit
enormer Leinwandpräsenz jede Szene unter Strom. Kaum zu glauben, dass die
junge Schauspielerin in Girlfight zum ersten Mal vor der Kamera stand.
Martin Schwickert
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Girl Fight
USA 2000 R&B: Karyn Kusama K: Patrick Cady D: Michelle Rodriguez, Jaime Tirelli, Paul
Calderon
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