zur startseite
zum archiv
Glitzernder
Asphalt
Eine keimfreie Kiezschmonzette. TV-Reporter Fisher
berichtet live aus den Straßen Manhattans. STREETSMART heißt seine
Sendung, und das ist auch der Originaltitel des Films. Der deutsche Verleih
hat sich dafür die biederen Titel „Stimme der Straße" (TV-Serie
im Film) und GLITZERNDER ASPHALT ausgedacht, und recht tut er dran, denn jetzt
riechts gleich nach dem Muff der fünfziger Jahre, und keiner, der ins Kino
geht, kann sagen, er hätte es nicht schon vorher gewußt.
Also: Saubermann Fisher räumt im Lager des Bösen
auf. Immer wieder zieht es ihn in das Dirnen- und Zuhältermilieu. Ja, er
legt eigens nagelneue Jeans an. Und endlich wird er fündig. Aug' in Aug'
steht er dem Luden-Boss Fast Black gegenüber. Ein Neger! Und ein Zuhälter
dazu! Übel spielt er den Mädchen mit, die tapfer für ihn anschaffen,
besonders der armen Punchy, der er glatt ein Auge aussticht, jedenfalls beinahe.
- Nein, so geht das nicht, und Held Fisher erledigt den Fast Black, gar nicht
beinahe, sondern total. Aber auch Punchy muß den Filmtod erleiden. Obzwar
sie eigentlich guter Kumpel ist und darüberhinaus weiß, für
wen die Gerechtigkeit Partei nimmt. Doch leider ist und bleibt sie eine Nutte,
und auch das geht nicht. Besonders, da sie den stinknormalen Staatsanwalt zu
einem Sadoakt verleitet hat, jedenfalls beinahe. „Du hast doch bestimmt eine
perverse Tour drauf! Du möchtest mich schlagen!", analysiert sie blitzschnell.
Der spießige Beamte kommt ganz schön ins Schwitzen, aber dann bleibt
er standhaft, total. Das Gute bleibt Sieger. Punchy wird vom Filmdrehbuch mit
dem Tod bestraft. Und Miles Davis bläst die schönsten Melodien von
Robert Irvin III.
Niemand wird glauben, daß Christopher Reeve,
Ex-Superman, TV-Journalist oder gar Sozialreporter ist. Denn er kann eine solche
Rolle nicht spielen, weil er, wie man spätestens nach diesem Film weiß,
überhaupt keine Rollen spielen kann. Als geschlechtsloses Etwas wirkt er
auf der sündigen Meile fehl am Platz; linkisch und betreten absolviert
er seine Auftritte, und die verfolgen keinen anderen Zweck, als all den anderen
Spießern im Publikum zur gewünschten Reaktion zu verhelfen: tz-tz-tz,
aber nein doch, wie geht's auch nur verrucht zu, auf dem Kiez! Die Prostituierten
und die Zuhälter werden regelrecht vorgeführt - zwecks sittlicher
Entrüstung, moralischer Überführung und physischer Liquidierung.
Und damit niemand auf die Idee kommt, den Opfern dieser filmindustriellen Ausbeutung
geschehe Unrecht, sorgt der Film vor: Fast Black und die Leute vom Kiez bleiben
blaß und fade, irgendwie sind sie schon weg. Vielleicht liegt das an der
Flut der Dialoge, die pausenlos erklären, vorzeigen - eben vorführen.
Oder es liegt daran, daß das Drehbuch die Personen von vornherein festlegt
und ihnen auch nicht die kleinste Entwicklung oder gar Änderung gestattet.
Jedenfalls reicht es nicht einmal, sich über diesen Film ernsthaft aufzuregen:
auch als Saubermannfilm funktioniert er nicht richtig, weil er halt langweilig
ist. Regisseur Jerry Schatzberg hat umsonst recherchiert. GLITZERNDER ASPHALT
sollte wie weiland ASPHALTBLÜTEN (Goldene Palme 1973) ein Film über
„wirkliche Menschen" werden. Das unsägliche Drehbuch (Freeman) war
dawider - der Drehort Montreal desgleichen, denn diese Stadt tut sich augenfällig
schwer, das Elaborat auch nur mit der geringsten Manhattan-Authentizität
anzureichern. Tja Jerry, war wohl nix.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: „epd Film" 10/87
Glitzernder
Asphalt
STREET
SMART
USA
1987. R: Jerry Schatzberg. B: David Freeman. K: Adam Holender. Sch: Priscilla
Nedd. M: Robert Irving III. Pg: Cannon. P: Menahem Golan, Yoram Globus. G:
Scotia-Cannon. L: 97 Min. FSK: 16, ffr. St: 6.8.1987. D: Christopher Reeve (Jonathan
Fischer), Kathy Baker (Punchy), Mimi Rogers (Alison Parker), Morgan Freeman
(Fast Black), Jay Patterson (Leonard Pike).
zur startseite
zum archiv