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Gods
and Monsters
Die letzten Tage im Leben des Horrorfilm-Regisseurs
James Whale - und die Beziehung zu seinem Gärtner.
1957: James Whale (Ian McKellen), der einst gefeierte
Regisseur, lebt schon seit Jahren zurückgezogen in einem Haus in Hollywood,
umsorgt von der aufopfernden Haushälterin Hanna (Lynn Redgrave). Seine
Gesundheit verschlechtert sich zusehends - seit einem Gehirnschlag holen ihn
immer wieder Visionen aus der Vergangenheit ein. Der offen homosexuelle Künstler
ist angetan von der Präsenz seines Gärtners (Brendan Fraser) und versucht
seine Freundschaft zu gewinnen - nicht ohne Hintergedanken.
Äußerst amüsant beginnt Bill Condons
letzter Film, Gods and Monsters. Eine prächtige Vorstadtvilla, in die sich
James Whale nach seiner Ächtung durch Hollywood zurückgezogen hat,
bietet den prächtigen Hintergrund für einige Dialogperlen. Ian McKellen,
sichtlich angetan von der Chance, James Whale als einen dirty
old man mit nonchalanter Ironie auszustatten,
erhält Besuch von einem begeisterten Fan von Horrorfilmen, der ihn interviewen
will. Whale beschließt zu seinem Amüsement, das Interview als eine
Art Strip-Poker zu inszenieren: für jede ehrliche Antwort soll der junge
Mann ein Kleidungsstück ablegen. Eine fein ausgearbeitet ironische Szene
folgt, die plötzlich in Schrecken umkippt. Whale, der immer wieder von
Blackouts heimgesucht wird, verliert sein Bewusstsein, als der Anblick des jungen
Manns unwillkommene Erinnerungen aus der Vergangenheit heraufbeschwört.
Das Interview wird abgebrochen, Whale nimmt einige der ungeliebten Medikamente
zu sich, die zwar die Anfälle verhindern, aber ihn der Klarheit im Kopf
berauben - und sieht bald darauf das nächste Objekt seiner Begierde: den
Gärtner Clayton Poole (den Brendan Fraser mit einer angenehm unaufdringlichen
maskulinen Präsenz ausstattet). Der Beginn einer Freundschaft, die sich
zögerlich (Clayton macht keinen Hehl aus seiner Homophobie) entwickelt
und in einer gewollten Tragödie mündet.
"Funny is funny and scary is scary - why mix
the two?", sagt Claytons Freundin in einer Schlüsselszene des Films,
als sich der junge Mann mit ein paar Freunden The
Bride of Frankenstein im Fernsehen
ansieht, ein Hauptwerk aus dem Schaffen des neuen Bekannten. Und tatsächlich
scheint Gods and Monsters wie zur Rehabilitation Whales zuerst den Beweis
antreten zu wollen, dass das eben doch geht. Es gibt witzige Apercús
zuhauf - dieser Film hat zwar nur eine mäßige Regie zu bieten, aber
die Dialoge des Drehbuchs sind ausgefeilt. Leider stellt sich das nach einer
gewissen Zeit als Irreführung heraus. In der zweiten Hälfte, als die
Komödie langsam in eine Tragödie übergeht, macht Condons Film
all die Fehler, die Whale (auch im Film) dem Hollywoodsystem ankreidet. Der
von traumatischen Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg geprägte Mann beklagt
sich, dass sein persönlichstes Werk, der Antikriegsfilm The
Road Back vom Studio verstümmelt
worden sei - nichts mehr vom Schrecken des Kriegs sei spürbar gewesen.
Und genau diese Atmosphäre macht sich auch in den Rückblenden breit,
die Whale in regelmäßigen Abständen quälen - saubere, von
leichter Nebelatmosphäre "verbesserte" Kunstlichtaufnahmen, auf
denen in großer Leuchtfarbe "Studionachbau" steht. Ebenso geht
es daneben, wenn - in offensichtlich ehrerbietiger Absicht - immer wieder Szenen
aus Frankensteins Braut eingefügt werden: das (ungenützte) Breitwandformat
von Gods and Monsters zwingt, dieses Material auf eine andere Größe
zu strecken und so zu verändern - weniger wäre hier mehr gewesen.
Das gilt auch für die detailliert nachgebauten Sets des alten Films, die
in einer typischen Rückblende dafür herhalten müssen, um zu zeigen,
daß es vor allem Whales offenes Schwulsein war, das ihn vom Mainstream
Hollywoods unterschied: Das falsche Schwarzweiß des neuen Films zerstört
die Kontinuität mit den alten Aufnahmen. Zwar weist Condons Biopic auch
auf die andere, wirklich originelle Seite des Regisseurs hin: sein abgründiger
Sinn für Humor, seine Sympathie für die "Monster" seiner
Horrorfilme, aber selbst geht Gods
and Monsters dann doch einen krass
anderen Weg - eine Art schwerfälliges Trauerspiel wird daraus, mit allerlei
prätentiösen Ideen darüber, wie die Kunst und das Leben einander
spiegeln und imitieren.
Trotzdem ist der Film letztendlich nicht völlig
unsympathisch: neben McKellens großartiger Darstellung besticht Lynn Redgrave
als seine treue Haushälterin und bei allem Herumgetändel um angeblich
wichtige Parallelen zwischen Werk und Biographie (die in ihrer Einseitigkeit
den Blick auf andere Faktoren bewusst verstellen), merkt man ihm doch die Liebe
zum Sujet und Werk Whales an, etwa in Szenen, in denen das Treffen von Whale
und Hauptdarstellern aus seinen Filmen (Boris Karloff, Elsa Lanchester) für
einen Augenblick die Zeit anhält - auch für die Filmemacher ist diese
Nebensache ein bedeutungsvoller Moment (man kann vermuten, dass Horrorlegende
Clive Barker als executive producer auch einen Anteil daran hat). Dennoch kann das die
Schwächen eines Drehbuchs, das nur im Dialog besticht, nicht übertünchen
- seltsam modisch wirkt die Konzentration auf psychologische Traumata und die
Betonung der sexuellen Differenz: in fünf Minuten von The
Old Dark House (einem Meisterwerks
Whales, das hier nicht einmal erwähnt wird), erfährt man letztendlich
mehr über den Menschen und Schöpfer Whale als in der ganzen Spieldauer
von Gods and Monsters.
Christoph Huber
Dieser Text ist zuerst erschienen
bei: www.allesfilm.com
Gods
and Monsters
GODS AND
MONSTERS
USA
/ England - 1998 - 105 min.
Regie:
Bill Condon
Buch:
Bill Condon
Vorlage:
nach dem Roman "Father of Frankenstein" von Christopher Bram
Kamera:
Stephen M. Katz
Musik:
Carter Burwell
Schnitt:
Virginia Katz
Darsteller:
Ian
McKellen (James Whale)
Brendan Fraser
(Clayton Boone)
Lynn Redgrave
(Hanna)
Lolita Davidovich
(Betty)
David Dukes
(David Lewis)
Kevin J.
O'Connor (Harry)
Mark Kiely
(Dwight)
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