Die Göttin von 1967
Die Existenz der Göttin ist unbestritten. Zwischen 1955 und 1975
wurde sie 1.455.746 Mal zum Leben erweckt. Ihr Name lautet Citroën DS,
und sie ist fraglos eines der schönsten Automobile, die je erschaffen
wurden. Im August 1962 rettete sie Präsident Charles de Gaulle durch
ihre revolutionäre hydropneumatische Federung das Leben, als ein
Anschlag auf ihn verübt wurde.
Heutzutage ist sie ein begehrtes Sammlerstück, insbesondere für den
jungen Japaner JM, der in Australien ein lachsfarbenes Exemplar aus
dem Jahr 1967 ersteigern kann. Zuvor jedoch muß er die vormalige
Besitzerin, die blinde Deirdre, auf einer fünftägigen Fahrt durch das
Outback zu ihrem Cousin bringen. Während sich zwischen JM und Deirdre
zarte Bande knüpfen, offenbart der Film in ausladenden Flashbacks die
tragische Familiengeschichte Deirdres und den wahren Grund für den
Road Trip.
Regisseurin Clara Law nimmt sich, wie es immer heißt, wenn ein Film
ein langsames Tempo vorlegt, viel Zeit für ihre Figuren, gräbt tief in
den Abgründen religiösen Fanatismus´ und sexuellen Mißbrauchs. Doch
gerade an der Oberfläche des offen Sichtbaren gelingt ihr
Erstaunliches: einnehmend atmosphärische Bilder, sowie eine
hinreißende Tanzszene, wunderbar entrückt und dennoch herzzerreißend.
Die zahlreichen Rückprojektionen während der Fahrtszenen wecken
Erinnerungen an Filme und Zeiten, in denen die Goddess kein Klassiker,
sondern das Auto der Zukunft darstellte.
Ist der Film auch letztlich eine Spur zu lang und das dramaturgische
Gerüst gegen Ende kaum mehr tragfähig, besticht er doch über weite
Strecken durch seine behutsam eingesetzte Kontrastierung
unterschiedlicher Kulturen, Weltanschauungen und Erfahrungen. Der
einzige Kontrast jedoch, der am Ende zählt, ist der zwischen
zielgerichtetem Fahren und dem mit geschlossenen Augen, unerheblich,
wohin einen der Weg und das Fahrzeug bringen werden. Einer Goddess
darf dieses Vertrauen entgegengebracht werden. Allein Fliegen ist
schöner.
Carsten Happe
Diese Kritik ist zuerst erschienen im:
Die Göttin von 1967
The Goddess of 1967. AUS 2000. R,B:
Clara Law. B: Eddie Ling-Ching Fong. K: Dion Beebe. S: Kate Williams. M:
Jen Anderson. P: Still Life. D:
Rose Byrne, Rikiya Kurokawa, Nicholas
Hope, Elise McCredie, Tim Richards u.a.
119 Min. Kairos ab 4.4.02