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NVA
Good
Bye, DDR
Hallo, DDR!
Olle Knopp will sie entsorgen, weggesendet (ZDF)
und weggeprintet (Buch). Sonnenallee-Haußmann macht sie zum Fun-Racer
für die Jüngsten. Unsere DDR. Die PC CD-Rom gibt es unter dem Label
Chuck Brenner Games ab 29. September. Wer "NVA -Mission: Vorwärts
immer!" spielt, "schlüpft in die Rolle des Rekruten Henrik und
nimmt als frischgebackener NVA-Soldat an einem großen Sommer-Manöver
teil. Er erhält von seinen Vorgesetzten verschiedene Aufgaben, welche nacheinander
erledigt werden müssen. Im Rahmen der ersten Mission lernt Henrik eine
schöne FDJlerin kennen, in die er sich ohne Umschweife verliebt und deren
Eroberung fortan sein wichtigstes Ziel ist."
Um nicht nur die Teenies für die Spaß-DDR
zu begeistern, sondern auch die Älteren, die sich eine DVD brennen, gar
noch ins Kino gehen, startet am Computerspiel-Tag "NVA" unter dem
Motto
Abschied von Sex und geilen Weibern,
Abschied von Schnaps und LSD,
Abschied von allem, was wir lieben,
Scheiße - wir müssen zur Armee!
Zu singen nach der Melodie "Bad Moon Rising"
von CCR.
Damit sind die Leute in den Zwanzigern abgedeckt.
Und was ist mit der Generation, die schon mal ein Buch gelesen hat? Klaro, das.
Die nehmen Leander Haußmanns ersten Roman in die Hand, 240 Seiten KiWi
für 8.90 Euro. "NVA" ist billig.
Im Vergleich mit dem Kalter-Krieg-Agitator Guido
Knopp und seinem Seniorenfernsehen ("Goodbye, DDR") hat der immerwährende
Jugendliche Leander Haußmann die Zukunft vor sich. Das sagen ja schon
die Gesichter in den Filmen. Greise bei Knopp im Palast der Republik. Fast noch
Kinder in der "NVA"; wie 15jährig sieht der aus, der locker die
Hauptrolle spielt, seine erste. Dabei ist Kim Frank schon 22 und Leuten, die
Musik hören, total bekannt. Die Goldene Schallplatte für "Freischwimmer"
und für die Auskopplung "Du trägst keine Liebe in Dir".
Echos, Bambis und Goldene Kameras zuhauf. Und Musik in "NVA" satt.
Hiermit wette ich, daß ein NVA-Musical folgen wird.
Nun ist es so, daß ich mich nicht als Produktmanager
sehe und auch nicht Filme nach Plätzen in den Charts propagiere. Ich bin
leider in Knopps Zielgruppe. Dann müßte ich "NVA" auf altmodische
Weise eine Militärklamotte nennen und damit aber sehschwache Seniorenaugen
wieder zum Leuchten bringen. Dumm gelaufen. Am meisten ärgerte ich mich
im "NVA"-Kino über mich selbst. Wer war das, der laut lacht?
Ich?? Daß Kim oben auf dem Wachtturm die tolle Tochter des Obersten vögelt
(Detlev Buck)? Hallo, DDR, und peinlich, das. Für mich.
*
Tauchen wir ein in die graue,
trübe Welt des ZDF-Knopp. Er hat sich nicht nur von der DDR, sondern auch von der Gegenwart,
von der Jugend, vom Spaß-trotz-allem sowie von Nebensätzen, Relativierungen,
gar Fragezeichen verabschiedet. Seine Hauptsätze dulden keinen Widerspruch.
Sie knallen wie Marschstiefel aufs Pflaster. Er allein weiß, wos längs
geht. Ich laß ihn ziehen. Goodbye, Guido Knopp.
"Goodbye, DDR", der ZDF-Film, wurde unter
seiner Leitung gemacht. So steht es im Abspann. Und was heißt das? Als
Pimpf hatte ich gelernt, daß es keine Redakteure mehr gibt, wohl aber
Schriftleiter. Filmleiter Knopp also, denke ich mir, wird es sein, der aus dem
off in die Bilder reinspricht, die Ulbricht, Honecker und all die Größen
zeigen. Knopp gibt den Originalton West, damit wir wissen, was wir von den Originalbildern
Ost halten sollen. Er scheint das für nötig zu halten. Für ihn
ist der Kalte Krieg noch nicht zu Ende gegangen. Allerdings dürfte dann
die Entsorgung der DDR noch nicht gelungen sein. Warum muß er uns belehren,
daß Ulbricht "in freien Wahlen nicht hätte bestehen können"?
Daß "die Russen" an allem schuld sind? "Sie betrachten
die Zone als ihre Beute und schleppen weg, was zu haben ist". Merk Dir
das. Schon vergessen? Dann gleich nochmal: "Nach der Plünderung des
Landes durch die Sowjets bedeutete die Planwirtschaft Verwaltung des Mangels".
- Ist das zu abstrakt? Dann gehen wir ans knoppsche Personalisieren. Ist das
nicht ein Vaterlandsverräter, der willig für die Russen arbeitet?
"Die Misere hat einen Namen: Ulbricht".
Die Geschichte der DDR reduziert sich in diesem agitatorischen
Abriß auf den Machtkampf im Politbüro. Um "die einzelnen"
im Arbeiter- und Bauernstaat geht es längst nicht mehr. Die seien mit Hilfe
des Slogans 'Die Partei hat immer recht' nicht nur kaltgestellt worden; es sei
sogar darum gegangen, ihnen auf diese Weise "die Würde zu nehmen",
wie wir von Carola Stern erfahren. Jetzt aber ungestört den "Poker
um die Macht" dramatisiert. Der einst stalintreue Adept Ulbricht versucht
es jetzt mit dem Statement "Stalin war kein Klassiker des Kommunismus".
Für Giordano "eine Wendung um 90 Grad". Aber zu spät. In
Großaufnahme sehen wir die Schreibmaschine, auf der die Intriganten im
Politbüro den Brief an Breschnew schreiben, Ulbricht denunzierend. Knopp
war dabei. Und schon kommentiert er wieder, feige aus dem off: "Honecker
nimmt seinen Förderer, Ulbricht, aufs Korn". Das paßt aufregend
zum Bild: Staatsjagd in der SU. Und? Schießt er? Trifft er? Die Spannung
wird unerträglich, denke ich, daß Knopp so denkt. Leider ist der
Film dann gleich zu Ende. "Ulbricht Ziehsohn ist am Ziel". Ulbricht
hat "den Poker um die Macht verloren". Die Bilanz ist "bitter".
- Jei Guido, Du Shakespeare! Das war mehr als ein sportlicher Match. Die DDR
als Ziehvater-Sohn-Konflikt im Politbüro. Jubelst Du da nicht die Größen
hoch, die Du klein machen wolltest? Heh! Die Bilanz von "Goodbye DDR"
ist bitter.
*
Mit dem Sendedatum (30. Juli dieses
Jahres) ist jedoch die DDR-Personality-Geschichte mitnichten vorbei. Es gibt
da noch das Buch. Von Guido Knopp, steht auf dem Cover. Doch was mag Buchleiter
Knopp von den 257 Seiten selbst geschrieben haben? Die vier Beiträge nennen
nach dem Namen Knopp jeweils einen Co-Autor, und der Stil könnte unterschiedlicher
nicht sein. Das Gemeinsame ist die Personalisierung der Geschichte der DDR:
ein Kammerspiel unter vieren, Ulbricht, Mielke, Erich - und Kati. Gemeinsam
ist auch die Sorge Knopps, daß der Leser sich die rechte Meinung
bildet. Denn wer kann schon selbst die Frage beantworten, wie die Stasi in den
Annalen der Geschichte steht. Na? Hätten Sies gewußt? Sie steht "für
brutale Willkür und zynische Menschenverachtung". Aber, so geht es
auf Seite 11 gleich weiter, "wie paßt Katarina Witt in dieses Kabinett
des Todes"? Ehrlich, ich mußte passen. Wie das? In einem Knopptext
ein Fragezeichen?! Das paßt doch nicht! Und siehe, das Katikapitel ist
völlig anders geschrieben, sachlich, verständnisvoll, faktenorientiert
und ohne jede Kalte-Kriegsrhetorik.
Knopp malt lieber gemeinsame Auftritte von Walter
Ulbricht und Joseph Goebbels aus, etwa 1931 im Saalbau Friedrichshain oder gleich
danach im Reichstag. Selbstverständlich teilt er dazu mit, was wir davon
zu halten haben. Geurteilt wird nach Kriterien, die für Fernsehduelle zu
Beginn des 21. Jahrhunderts gelten. And the winner is - Dr. Goebbels. "Gegen
den wortgewaltigen Demagogen hatte der hölzerne Sachse mit der Fistelstimme
keine Chance". So steht es auf Seite 27 im Knoppbuch geschrieben.
Sind Zweifel an der Kompetenz des Geschichtspädagogen
Knopp erlaubt? Wie immer apodiktisch stellte er (auf Seite 39) fest, daß
nicht etwa durch das bonner Grundgesetz, sondern "durch die Bildung der
provisorischen Volkskammer war die Teilung Deutschlands staats- und völkerrechtlich
endgültig vollzogen". War da der Herr Hallstein nicht anderer Meinung?
War es nicht viele Jahrzehnte lang in der BRD offizielle Doktrin, daß
Deutschland staats- und völkerrechtlich NICHT geteilt war? Aber so gehts,
wenn man als Kriterium heranzieht, was am 16. August 1961 in der Bild-Zeitung
gestanden hat (S. 68).
Im Mielke-Beitrag gilt als Quelle, was RIAS 1960
gesendet hat. "Wie schwarze Limousinen sowjetischer Bauart über die
holprigen Straßen" fuhren, und Menschen zum Verhör brachten.
"Zwar sind Details über das Verhör unbekannt", doch für
Knopp oder seinen Autor steht fest, daß der Vorwurf der staatsbürgerlichen
Hetze "willkürlich" war und daß der Mielke-Apparat sich
dadurch "selbst entlarvt" habe (S. 94). Und überhaupt dieser
Mielke, der schon 1931 mit dem Parteiselbstschutz "das staatliche Gewaltmonopol
untergrub" (S. 80). Und nun das Allerschlimmste: Mielke hat in den achtziger
Jahre Schiedsrichter bewogen, zu Gunsten seines Lieblingsfußballklubs
FC Dynamo Berlin zu pfeifen! Empörend! "In den westdeutschen Stadien
dagegen rollte die Lederkugel ohne politische Einflußnahme" (S. 120).
Schiedsrichter sind im Westen nicht korrupt. Nein. Nie. Nie. Nie. Stand 2005.
Knopps demagogische Hetze im Mielke-Kapitel ist museumsreif.
Daß man heute noch so schreiben kann, geht wohl nur, wenn man in der Zeit
der DDR, nein, in der Zeit der Zone stehen geblieben ist. Und dann lebt er doch,
der andere Teil Deutschlands.
*
Wir machen jetzt eine kleine Pause. Die Werbung.
- Was Knopp und Leander Haußmann gemeinsam ist, das ist ihre kolossale
Einseitigkeit, die wiederum gegensätzlicher nicht sein könnte. Wer
es seriös haben möchte, gar ausgewogen und dazu noch locker und munter
erzählt, und wer sich angesprochen fühlt, wenn es journalistisch hübsch
aufgemotzt ist, der greift zum Buch von Claus Christian Malzahn "Deutschland,
Deutschland. Kurze Geschichte einer geteilten Nation", 219 Seiten, 12 Euro.
- Das wars schon, und was mich betrifft, ich geh jetzt nach drüben, in
die knoppfreie Zone.
*
Die ARD ist knoppfrei. Die Serie "Damals in
der DDR - Das letzte Jahr" wendet sich den Menschen zu, die in der DDR
lebten. Sendetermine: 19., 21., 26. September. In "D-Mark für alle"
sehen wir Bilder aus Wittstock, vom Land. Glücksritter fallen aus dem Westen
ein. Mercedesfahrer steigen im Interhotel ab. Koffer mit sechsstelligen Summen
werden verladen. Gänzlich unhektisch, mit aller Ruhe, wird vorgestellt,
wie Geschäfte gemacht werden. Wie die Treuhand verladen wird. Wie Kriminelle
abzocken. Wie die Bauern ihre Ferkel töten und der Konsum Putenschnitzel
aus dem Westen bezieht. Wie der Westen die Versorgung der Bürger übernimmt
- und ihnen die D-Mark wieder abnimmt.
Ich kann die Kritik gut nachvollziehen.
An der Verwurstung der Ossis war ich beteiligt. Buchstäblich. Mit der Kettensäge
ging ich 1990 auf Ossijagd. In der eigenen Schlachterei wurde das Ossifleisch
zerlegt und zum Konsum zubereitet. Mit Schweinefleisch war ja im vereinten Deutschlands nichts mehr anzufangen. All das tat ich aus Überzeugung
im "Deutschen
Kettensägenmassaker", einem Film von
Christoph Schlingensief. Ich steh dazu. In der Vereinigungseuphorie von 1990
war dieser Film die richtige Prophezeiung. Ich möchte das Produkt aus rein
politischen Gründen in konkret plazieren.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist
auch erschienen in: konkret
NVA
Deutschland
2005 - Regie: Leander Haußmann - Darsteller: Kim Frank, Oliver Bröcker,
Detlev Buck, Jasmin Schwiers, Maxim Mehmet, Philippe Graber, Daniel Zillmann,
Robert Gwisdek - Prädikat: besonders wertvoll - FSK: ab 6 - Länge:
98 min. - Start: 29.9.2005
Good
Bye, DDR
Deutschland
2005 – Regie: Guido Knopp
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