Good Bye, Lenin!
Noch
immer ist das Leben eine Baustelle bei Wolfgang Becker, doch immerhin: Es geht
voran. Nicht unbedingt für alle in die selbe Richtung, aber Gott hat die
Welt auch nicht an einem Tag erschaffen, warum also sollte es den Ossis da besser
ergehen?
Alex
liebt seine Mutter, und als diese nach achtmonatigem Koma als ehedem stramme
Sozialistin plötzlich inmitten einer kapitalistisch gewendeten Heimat aufzuwachen
droht, muß er handeln. Ihr Herz ist schwach, sie würde diese Nachricht
nicht verkraften, also muß die DDR weiterleben, auf 79 Quadratmetern,
koste es, was wolle. Und so rekreiert Alex die DDR, besorgt original Spreewaldgurken,
besticht naseweise ehemalige FDJler, der Frau Mama am Bette ein sozialistisches
Volksliedchen anzustimmen, und ersinnt mit seinem Freund phantasievolle Ausgaben
der "Aktuellen Kamera". Auferstanden aus Ruinen, zum zweiten Mal:
die DDR.
Die
wunderbare Grundidee von Autor Bernd Lichtenberg erscheint wie geschaffen, um
die einst so kommentarlos zum Schweigen gebrachte DDR-Seele wieder ins Bewußtsein
zu rufen und auf arbeiter- und bauernschlaue Art ein klein bißchen Rache
zu nehmen am unvermeidlichen Verlauf übermächtiger Geschichte. Die
deutsch-deutsche Thematik ist nicht gerade der Deutschen filmisches Lieblingssujet.
Leander Haußmanns "Sonnenallee" beispielsweise wußte mit
seiner Hintergedankenlosigkeit das Gros zu begeistern, und im Fernsehen grub
sich Roland Suso Richters Hochglanzchronik "Der Tunnel" in die von
TV-Romanen geschmierten Mägen eines Millionenpublikums. Immerhin. Doch
was ist davon geblieben? Ein bißchen humorvoll bediente Nostalgie hier,
ein bißchen mit Bedacht kalkulierte und sich in den Geist der Geschichte
einfügende Empörung dort.
Ersteres
unternimmt auch "Good Bye, Lenin!", zweifellos. Allein die umwerfende
und im Detail liebevolle Ausstattung befriedigt Nostalgie-Erwartungen vollauf
- für Ossis in erster Linie, aber sicher ebenso für Wessis. Nach einer
ausdrücklich formulierten Notwendigkeit oder einer sonstwie gearteten Bewertung
der Vereinigung allerdings sucht der Betrachter im Drehbuch der beiden BRD-Gebürtigen
vergebens. Eine Bewertung mittels emotionaler Beeinflussung findet kaum statt,
vielmehr könnte der Subtext als Trauerarbeit gelesen werden für einen
Verlust, den jeder Ostbürger - sei dieser nun positiv oder negativ konnotiert
- erlebt hat.
"Good
Bye, Lenin!" beerdigt das Dasein der DDR mit gebotener Würde. Praktisch
als Vollstrecker einer kollektiven Disposition läßt der Film seine
Hauptfigur eine gestandene sozialistische Mutter zu Grabe tragen, für die
das Ende der DDR eines ist, das erhobenen Hauptes zu dulden wäre. Somit
gelingen Becker/Lichtenberg und dem gewohnt perfekten technischen Stab ein Film,
auf den Deutschland gewartet hat. Und diesmal wirklich.
Oliver
Baumgarten
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Kritiken
Good Bye, Lenin!
D
2002. R,B: Wolfgang Becker. B: Bernd Lichtenberg. K: Martin Kukula. S: Peter Adam. P: X Filme. D: Daniel Brühl, Katrin Saß, Chulpan Khamatova,
Michael Gwisdek, Maria Simon, Florian Lukas u.a. 121 Min. X Verleih ab 13.2.03