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Good
Bye Lenin!
Aus
gegebenem Anlass meine etwas relativierende Kritik zu Good
Bye, Lenin!
Sie erschien zuvor in leicht abgewandelter Form im Rahmen meiner diesjährigen
Berlinaleberichterstattung für F.LM - Texte zum Film.
Während
die PDS um ihre letzten Mandate im Bundestag zu kämpfen hat, ist die Zeichenwelt
der DDR endgültig im Zitatenhimmel des Pop angekommen. Diesen Schluss zumindest
legt Wolfgang Beckers Good
Bye, Lenin!
nahe: Auf 79 Quadratmetern schönster Plattenwohnung muss Alexander Kerner
(Daniel Brühl) die DDR für seine Mutter wiederbeleben, denn die ist
nach der Flucht des Gatten in den Westen vor vielen Jahren stramme Sozialistin
geworden, im idealistischen Sinne natürlich - zu einer Parteibonzin hat
der Mut des Drehbuchs offenbar nicht gereicht. Obendrein hat sie die Wende,
nach einem Herzinfarkt kurz zuvor, im Koma verbracht. Der womögliche Schock,
sich nicht mehr im sozialistischen Vaterland zu befinden, sondern nunmehr den
Klauen des Klassenfeindes ohne territoriale wie soziale Rückzugsmöglichkeit
ausgeliefert zu sein, könnte einen 2. Infarkt provozieren und somit das
Leben kosten. Soweit die Grundvoraussetzungen der Geschichte.
Good
Bye, Lenin!
ist unterm Strich vor allem nett, somit aber eben auch herzlich belanglos. Der
eine oder andere gelungene Witz, die eine oder andere wehmütig nostalgische
Erinnerung - so passender-, wie leider aber eben auch naheliegenderweise im
Super8-Format umgesetzt - mögen gelungen sein und unwidersprochen ihren
Zweck erfüllen, ansonsten aber herrscht über weite Strecken eine Leere,
die vor allem im mangelnden Wagemut des zugrundeliegenden Drehbuchs begründet
ist. Eine beißende Satire auf Befindlichkeiten, hüben wie drüben,
hätte der Film werden können, ein ebenso witziger wie menschlicher
Einblick in ost-deutsche Lebenswelten, widergespiegelt im Trubel der Wendezeit.
Aus welchen Gründen auch immer hat man sich aber dazu entschlossen, einen
Film zu drehen, der es irgendwie jedem recht machen will, der keinen vor der
Kopf stoßen möchte und sich somit infolgedessen vor allem im handzahmen
Kitsch ausruht.
Und
mal ganz ehrlich: Witze über Honecker-Bilder - ja genau, jenes mit dem
blauen Hintergrund ist gemeint - an der Wand, Nudossi-Kult und Club-Cola-Zitat
sind nun wirklich schon lange nicht mehr abendfüllend. Die Klischees sind
soweit altbekannt, die Strategien zur Vereinnahmung - Marke nennen, Marke zeigen,
unter dem Vorzeichen des behaupteten Kultes, an dem sich ausnahmslos jeder -
ob mit, ob ohne "credibility" - beteiligen kann: Ein alter Hut. Diese
Strategie funktioniert ja schon bei den Witzen über die Grünen und
ähnliche Gutmenschelei von Florian Illies noch nicht einmal mehr bedingt,
warum sollte es also hier - wenn auch mit, zugegeben, anderer Thematik - auf
einmal frisch und sexy wirken? Dass die Geschichte zudem allerlei erzählerisches
Beiwerk - eine Liebesgeschichte, ein wenig Schmalz von alten Wunden - mitbringt,
das zwar ebenfalls recht nett ist, aber eben doch nur wie Anbiederung wirkt,
um auch wirklich niemandes mediokrem Filmgeschmack zu nahe zu treten, ist nur
noch obligatorisch angesichts des herrschenden Mangels an Inspiration und Experimentierfreudigkeit.
Ähnliches gilt für den entliehenen Soundtrack, den man zuvor auch
schon weitgehend bei der fabelhaften
Amélie
zu hören bekam.
Die
DDR, das scheint der Film nahe legen zu wollen, ist von nun an bloßer
Zitatenfundus, eine Schatzkammer an Klischees und Vorstellungen, die nunmehr
zwecks augenzwinkernder Kult-Anleihen zur Plünderung freigegeben worden
ist. Eine solche Verschiebung von Ikonen in den Bereich des "Camps"
ist auch per se nichts schlechtes, ganz im Gegenteil. Das Problem jedoch in
diesem Falle: Wann war die sprichwörtliche "Zone" in den Bilderwelten
des Westens - Becker ist Wessi, unnötig eigentlich zu erwähnen - jemals
etwas anderes?
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist zuvor erschienen im:
Zu diesem
Film gibt’s im archiv mehrere
Kritiken
Good Bye, Lenin!
D 2002. R,B: Wolfgang Becker.
B: Bernd Lichtenberg. K: Martin Kukula. S: Peter Adam. P: X Filme. D: Daniel Brühl, Katrin Saß, Chulpan Khamatova,
Michael Gwisdek, Maria Simon, Florian Lukas u.a. 121 Min. X Verleih ab 13.2.03
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