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Good
Night,
and Good Luck
Gute
Nacht, selbstbewusste Frauen, wo immer ihr auch sein mögt … Bemerkungen
zum US-amerikanischen politischen Bubenkino dieser Tage, nicht zuletzt Good
Night, and Good Luck.
Politik
ist Männersache. Auf diesen traurigen Konsens hat sich die aktuelle Welle
an politischen Themen-Filmen eingeschworen, die derzeit aus den USA zu uns herüberschwappt.
Auch wenn die vorgeführten Männerbünde explizit als irrwitzige,
gemeingefährliche Waffenbruderschaften entlarvt werden, wie die johlenden,
notgeilen Spätpubertierenden im Golfkriegs-Einsatz in Jarhead oder
die Geschäftsfreundschaft zwischen aufstrebendem US-Waffenschieber und
psychopathischem afrikanischem Diktator in Lord
of War
- Frauen haben (wenn sie überhaupt außerhalb von Männerphantasien
auftauchen) allein die Handlungsoption, sich dem problematischen Männertreiben
schleunigst zu entziehen, so wie die "trophy
wife"
des Waffenhändlers in Lord
of War,
die ihn - und damit den Film - schließlich verlässt. Männer
sind in diesen Filmen vielleicht Schweine, aber sie sind fast alles, was wir
zu sehen kriegen.
Das
liegt an den Themen der Filme? Aber wie kommt es dann, dass nicht nur Waffenhandel
und Kriegstreiberei, sonder auch Bushkritik im Kino bis auf weiteres ein Männergeschäft
ist? Und ich meine richtige
Männer.
Solche wie die schmierigen Machosäcke, die in Inside
Deep Throat
von den guten alten Zeiten schwärmen, als mann sich beim Ausdenken, Drehen
und Schweinereich-Werden von einem Fellatio-Porno noch wie ein sexualrevolutionärer
Partisanenkämpfer gegen Nixons bigotte Regierung vorkommen durfte. Selbst
einem scharfen Denker wie Joe Dante (Gremlins)
geraten ungute misogyne Untertöne in die pointierte Abrechnung mit der
Administration Bush, jr.: In seinem einstündigen Zombie-Agitprop-Vergnügen
The
Homecoming
(gedreht für die TV-Reihe Masters
of Horror)
wird gleich eingangs genüsslich eine Frau erschossen und in der folgenden
Rückblenden-Erzählung als bösartigstes neokonservatives Miststück
von allen etabliert, gegen das die männlichen Präsidenten-Berater
die reinsten Bürgerrechtler sind. Im testosteronschwangeren Kontext solcher
filmischer Meinungsäußerungen wirkt sogar der populistische Spitzbub
Michael Moore wie ein androgynes Zwischenwesen.
Und
jetzt Good
Night, and Good Luck (Regie:
George Clooney, Drehbuch: Clooney und Grant Heslov). Einer der nuanciertesten,
ästhetisch wie politisch reifsten Mainstreamfilme zur neuen alten Weltordnung.
Ein knappes, bemerkenswert unaufgeregtes Büro-Kammerspiel in schön
kontrastreichem Schwarzweiß, mit vielen knackigen Performances, und mit
Untertönen diverser sozialer Spannungen und moralischer Ambivalenzen der
50er, dass es nur so knistert. (Etwa zu den Themen assimilierte Juden im Mediengeschäft
und Kommunistenangst in den eigenen, aufgeschlossenen Journalistenhelden-Reihen.)
Eine kleine Episode vom Ende der antikommunistischen Hexenjagd - die schonungslos
kritische Berichterstattung des Teams um TV-Journalist Edward R. Murrow über
Kommunistenjäger Senator McCarthy – wird von Clooney und Haslov zum Lehrstück
für aufrechten Journalismus hochgespielt und zurechtgebogen. Aber wenn
die Darstellung der historischen Fakten im Sinne der Dramaturgie tatsächlich
ein wenig sehr selektiv ist - für eine ausführliche Analyse dieser
Frage siehe Jack Shafers bissigen Artikel zum Film auf der Homepage des US-Magazins
Slate -,
so hält der Film sich doch sehr zurück mit jenen reißerischen
Polit-Thriller-Reflexen, die etwa seinen Kino-Trailer dominieren.
Einzig
in der Bewunderung für seine Protagonisten kennt Good Night,
and Good Luck
keinerlei Zurückhaltung. Der dynamische, höchst entscheidungsfreudige,
pointierte Bonmots in alle Richtungen schleudernde Journalist, der ständig
gangbare Kompromisse zwischen Pragmatik und Ethik seines Handelns aushandeln
muss, ist schon immer eine der liebsten Gestalten (und vorteilhaftesten Verkörperungen)
des klassischen Hollywood-Films gewesen. Insofern ist er auch eine umso wichtigere
Ikone für Good
Night, and Good Luck,
dessen Nostalgie nicht zuletzt dem knappen, präzisen US-Filmschaffen vergangener
Jahrzehnte gilt. Aber mit so viel andächtiger Bewunderung wurde abseits
von Bibelfilmen schon lange nicht mehr Männern bei öffentlichen Verkündigungen
zugesehen, so viele zärtliche stock-heterosexuelle Blicke und Worte wohl
seit den Tagen von Howard Hawks nicht mehr zwischen Männern bei der Arbeit
ausgetauscht. Der Zigarettenrauch, der hier ständig abgesondert wird, ist
dabei ebenso ein Index für die hochmoralische Virilität der Journalisten
wie ihre lakonischen One-Liner. Als einzige Frau in der journalistischen Bubenbande
hat Patricia Clarkson durchaus auch Schönheit und Würde, aber wenn
mann nach nächtlichem Herumsitzen im Journalisten-Stammlokal die Morgenausgaben
der Zeitungen studieren will, dann wird ganz selbstverständlich die Frau
von den Kollegen auf die Straße geschickt, um sie zu besorgen.
Nicht
nur in unreflektiert gender-politischer Hinsicht wirkt Good Night,
and Good Luck
eher wie ein Rückzugsgefecht als ein Offensivmanöver: Das resignative
Ende des Films - Murrows Nachrichten-Sendung wird auf einen weniger wichtigen
Sendeplatz abgeschoben, um Platz für lukratives Entertainment zu machen
- kündet von einem Zurücksehnen in jene Zeiten, als alles einfacher
und klarer war, obwohl doch gerade den ganzen Film über schon Murrows seriöser
Journalismus hart erkämpft wurde. In ähnlich paradoxer Weise sind
die Büro- und Studio-Innenräume des Films einerseits vollgesogen mit
nostalgischer Hingabe: im Studio musiziert in regelmäßigen, den Film
gliedernden Abständen eine Jazzband mit schwarzer Sängerin - laut
US-Kritiker Jonathan Rosenbaum auch eher eine historische Lüge des Films
- und verstreut Fifties-Wohlfühl-Laune. Zugleich erweckt die rigide örtliche
Beschränkung des Films auf einige wenige Innenräume den Eindruck von
einem Leben unter Belagerung bzw. auch von akuter professioneller Entfremdung
und Abkapselung der Journalisten von der Außenwelt: Worüber Murrow
und sein Team berichten, das kennen sie (so spitzt es die Raumordnung des Films
zu) schon nicht mehr aus erster Hand, sondern nur aus jenen Filmaufnahmen, die
von anderen (kaum sichtbaren) Reportern wie Flaschenposten ins TV-Studio angeschwemmt
und dort im Projektionsraum neugierig gesichtet werden. Vielleicht ist aber
gerade diese Haltung das journalistische Heldentum, von dem Good Night,
and Good Luck
erzählt: in den eigenen engen Bürowänden und beruflichen Zwängen,
inmitten unüberschaubarer und undarstellbarer Machtzusammenhänge einfach
einmal an einer Stelle zu beginnen mit der Analyse. Nur halt heute bitte ohne
Machismo.
Joachim
Schätz,
7.2.2006
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Good
Night, and Good Luck
USA
2005
Regie:
George Clooney
Drehbuch:
George Clooney, Grant Heslov
Kamera:
Robert Elswit
Schnitt:
Stephen Mirrione
Darsteller:
David Strathairn, Robert Downey Jr., Patricia Clarkson, Ray Wise, Frank Langella,
Jeff Daniels, George Clooney, Tate Donovan u.v.a.
Start
(in Österreich): 17.2.06 (in Deutschland): 6.4.2006
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