Die Gottesanbeterin
Nein, so etwas hätte ich weiß Gott nicht erwartet. Nicht vom
Harather Paul, der zuletzt mit "Weihnachtsfieber" noch gepflegt
langweilte, schon gar nicht von der Hörbiger Christiane, die als
Serientante fürs Öffentlich-Rechtliche den Anschein erweckte, ihre
Bestimmung gefunden zu haben. Der österreichische Film ist gewiß im
Kommen, mit Filmen wie "Nordrand" oder "Komm, süßer Tod", doch
meist im Rahmen konventioneller Inszenierungen und der Realität
verpflichteter Dramaturgien.
"Die Gottesanbeterin" allerdings ist dermaßen Over the Top, daß es
bisweilen schon schmerzt. Images werden genußvoll dekonstruiert,
kleingehäckselt gar, und zudem Bildfolgen kreiert, wie sie der
deutschsprachige Film generell selten aufzubieten imstande ist.
Fernsehästhetik ade. Dabei fängt alles so harmlos an, wäre der
folgerichtige nächste Satz, doch an der "Gottesanbeterin" ist
nichts harmlos. Die Spielschulden häufen sich schon nach wenigen
Minuten, gottlob verschlechtert sich der Gesundheitszustand des gut
versicherten Gatten proportional. Verständlich, daß ein wenig
Nachhelfen den Umweg über das natürliche Ableben angenehm verkürzt,
den Schuldenberg somit rasant erodiert, das Leben einfach
sorgenfreier macht.
So könnte es weitergehen, denkt sich eine kühl kalkulierende
Christiane Hörbiger, und in der Tat: Die nächsten Ehemänner gehen
vom Traualtar nicht über Los, sondern geradewegs unter die Erde,
der unliebsame Mitwisser wird handlich portioniert (Splatter made
in Austria!) und mit der Straßenbahn spazieren gefahren. Daß Szenen
wie diese so ausnehmend gut funktionieren, vermag ein wohl
dosiertes Drehbuch vorzubereiten, welches langsam, aber konsequent
die Absurditätsschraube anzieht, bis gegen Ende wirklich alles
machbar und plausibel erscheint. Welcher Film erarbeitet sich schon
solche Optionen?
Die stylishe, doch nie gelackt wirkende Inszenierung sowie das
bemerkenswerte Sounddesign fallen überdies wohltuend ins Auge,
beziehungsweise Ohr; der Verzicht auf jegliche Political
Correctness erfreut nicht minder. Mein Gott, was ein Trash, werden
da sicher wieder manche rufen, und recht haben sie alle, doch wer
einen solchen Film wagt, erwirbt auch Anspruch auf wüste
Beschimpfungen und angeekelte Zuschauer. Langweiliges Mittelmaß
gibt es eh zur Genüge.
Carsten Happe
Dieser Text ist zuerst erschienen im:
Die Gottesanbeterin
A 2001. R,B: Paul Harather.
B: Susanne Freund, Gerda A.
Grossmann. K: Fabian Eder.
S: Andreas Kopriva. M: Mona
Davis Music. P: Allegrofilm.
D: Christiane Hörbiger, Udo
Kier, Jan Niklas, Peter
Faerber, Ursula Koban, Simon
Schwarz, Tanja Petrovsky u.a.
92 Min. Movienet ab 27.9.01