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Goyas
Geister
Bilder für
Bildungsbürger
Wenn man einen Film über einen Musiker macht,
beispielsweise über Mozart, dann kann man die Werke des echten Mozart problemlos
im Film unterbringen. Macht man hingegen einen Film über einen Maler, dann
ist das schon etwas schwieriger, denn Gemälde bilden meist Menschen ab.
Wenn daher im Film der Maler Francesco Goya ein Porträt malt, dann muß
man entweder ein Porträt im Stil von Goya anfertigen, das den Schauspieler
zeigt, der im Film Modell steht – oder aber man nimmt ein echtes Goya-Gemälde
und sucht sich für die Besetzung dann jemandem, der der Person auf ebendiesem
Bild möglichst ähnlich sieht. Was man auch macht, es bleibt kompliziert.
Und Filme über Künstler haben noch ein anderes Problem, denn das bewegte
Filmbild kommt nie zur Ruhe, der Film will immer weitermachen, während
das Gemälde eigentlich die Zeit anhält und in Ruhe betrachtet werden
will. Deswegen wirken Gemälde, formatfüllend ins Filmbild gerückt,
immer wie Fremdkörper in einem Medium, das ihrer Natur entgegengesetzt
ist.
Daß diese Probleme in Milos Formans neuem Film
"Goyas Geister" nicht im Zentrum stehen, liegt daran, daß der
Film eigentlich gar nicht von Goya handelt. Er erzählt aus der Zeit der
spanischen Inquisition und der französischen Besatzung um das Jahr 1800,
und der Maler ist über weite Strecken nur Zeitzeuge für einen historisierenden
Bilderbogen, in dem möglichst viele Themen Platz finden müssen. Die
Tochter eines reichen Kaufmanns fällt der Inquisition in die Hände
und wird gefoltert, Goya malt ein fratzenhaftes Porträt der spanischen
Königin, ein finsterer Mönch spielt sein übles Spiel, dann fallen
Napoleons Soldaten ein, lassen die Gefangenen der Inquisition frei, benehmen
sich ansonsten genauso daneben wie die Machthaber vor ihnen, und als die dann
wiederkommen, wird es auch nicht besser.
Mißtrauen gegenüber den Mächtigen
zieht sich wie ein roter Faden durch Milos Formans Filme, und "Goyas Geister"
hat seine stärksten Momente, wenn er illusionslos vorführt, wie stets
die Niederträchtigen und die Zyniker an die Macht geraten, während
die Anständigen froh sein können, ihre Haut zu retten. Dann aber verliert
der Film sich in zu vielen Geschichten und interessiert sich geradezu sensationell
wenig für seine Titelfigur. "Amadeus" lebte damals von einer höchst eigenen
Version eines kindischen, verrückten Mozart, die aber mit solch filmischem
Feuereifer verfochten wurde, daß es einen erstmal umwarf.
Hier ist im Zentrum eine Leerstelle. Goya, gespielt
von Stellan Skarsgård, ist ein Mann ohne Eigenschaften. Kaum ein Gedanke
wird an seine irrlichternden Bildeinfälle verschwendet, sie kommen überhaupt
nur am Rande vor. Bevor der Film am Ende zur melancholischen Meditation über
Werden und Vergehen wird, ist er in der ersten Hälfte eine Art Plädoyer
gegen die Erzwingung von Geständnissen durch Folter – das mag ein ehrenwertes
Anliegen sein, vielleicht nicht topaktuell, aber man kann notfalls noch nach
Guantanamo gehen und dort Zeitbezüge finden. Daß die Spanische Inquisition
nicht aus netten Leuten bestand, könnte sich auch herumgesprochen haben,
ebenso wie die Brutalität, mit der die französische Revolution in
der Gewißheit, die Menschheit zu beglücken, ihre eigenen Ideale mit
Füßen trat. Mehr kommt im Grunde nicht heraus, und da der Film, wo
er sich nun mal gegen Goya entscheidet, sich doch nicht für eine andere
Hauptfigur entscheidet, bleibt man selbst bei all dem Entsetzlichen merkwürdig
unberührt.
Im Abspann sind dann endlich die ganzen Bilder zu
sehen, für die Goya so bekannt ist, und abgesehen von der oben beschriebenen
Seltsamkeit des abgefilmten Ölgemäldes fragt man sich: Wo kommen die
her, wieso erst jetzt? Und: Wo kommen sie her, wieso malt jemand so etwas?
Milos Forman gibt keine Antworten – das wäre
nicht schlimm, aber er stellt noch nicht mal Fragen. Kamera und Schauspielführung
verströmen die bildungsbürgerliche Gediegenheit eines öffentlich-rechtlichen
Fernsehfilms, und nur gelegentlich blitzt die spielerische zwischenmenschliche
Raffinesse auf, für die man Milos Forman mit Recht verehrt hat. Gut gemacht
und gut gespielt ist das schon alles, doch auch wenn Natalie Portman nach fünfzehnjähriger
Kerkerhaft als wandelnder Zombie wieder ans Tageslicht wankt und in einer Doppelrolle
auch noch ihre eigene Tochter verkörpert, dann wirkt das wie eine Zirkusnummer,
für die niemand so recht den eigentlichen Grund weiß. Und das ist
ein Gefühl, das sich auf den ganzen Film erstreckt.
Dietrich Brüggemann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Goyas
Geister
Goya‘s Ghosts. E/USA/F 2006. R,B:
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