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Grasgeflüster
Kifferkomödie aus England: Um sich vor dem Ruin zu retten, steigt die
gutbürgerliche Grace (Brenda Blethyn) auf Marihuanaanbau um.
Inhalt
Grace Trevethan (Brenda Blethyn) hat bisher ein beschauliches Leben
zwischen Teepartys und Orchideenzucht geführt. Doch als ihr Gatte ohne
Fallschirm aus einem Flugzeug springt, zerplatzt die Idylle wie eine
Seifenblase: Der Angetraute hatte sich ohne Graces Wissen
hochverschuldet. Neben einer heimlichen Geliebten hatte er auch die
Hypotheken auf Haus und Grundstück vor ihr verborgen. Trotz Unterstützung
der Dorfgemeinschaft steht Grace vor dem Ruin, doch da hat ihr Gärtner
Matthew (Craig Ferguson) eine rettende Idee: Selber nicht wirklich das
Genie für Pflanzenbetreuung, hat er ein paar armselige Marihuanastauden
hinter dem Haus des Vikars gezüchtet. Warum nicht die kärglichen
Pflänzlein der Meistergärtnerin Grace überantworten? Gesagt, getan: Unter
Graces grünem Daumen und ausgeklügeltem Düngungs- und Beleuchtungssystem
gedeiht das verboten Gut nur so vor sich hin. Jetzt gilt es nur noch, das
pflanzliche Gold an den Mann zu bringen. Als Grace erfährt, dass Matthews
Freundin Nicky (Valerie Edmond) schwanger ist, beschliesst sie selbst
nach London zu fahren, und trotz mangelnder Connections einen Deal
aufzustellen...
Kritik
Mit der Kifferkomödie ist das so eine Sache: Seit Cheech und Chong in
den 70ern so ziemlich jede Methode ausgereizt haben, sich Drogen in die
Birne zu knallen, hat sich ein Einheitsmuster durchgesetzt. Das Prinzip
dahinter ist, netten, nichtsahnenden Leutchen etwas Marihuana
unterzujubeln, und dann zuzusehen wie sie ahnungslos vollgeknallt durch
die Landschaft torkeln. Das macht auch die eine Hälfte von Saving Grace
aus, die andere ist die seit dem Erfolg von Ganz oder gar nicht so
beliebte englische Komödie, in der unzählige nette Menschen (und ein paar
scheinbar nicht so nette, die sich dann aber alle auch als ganz in
Ordnung erweisen) eine schwierige Aufgabe mit unorthodoxem Witz
bewältigen, was in Wahrheit natürlich nur wegen der Niedlichkeit der im
Drehbuch vorhandenen Welt aufgeht.
Sagen wir es also gleich: Bei wem die Vorstellung zweier älterer Damen,
die sich ein paar von den seltsamen Blättern mit nach Hause nehmen, weil
sie es für einen ausgefallen Tee halten, und dann in ihrem
Gemischtwarenladen lachend am Boden herumkugeln, während sie sich mit
Cornflakes vollstopfen, unweigerlich Gelächter hervorruft, der hat hier
seinen Film gefunden, ebenso wie Freunde der rundum glatten und
lieblichen englischen Komödie jüngeren Datums (wie kürzlich Lang Lebe Ned
Devine spielt auch Grasgeflüster in einem abgelegenen Dorf voller
Gutmenschen). Andernfalls ist man wohl so wie ich von tödlicher
Langeweile bedroht.
Denn eben, dass hier alles so sympathisch ist, macht den Film irgendwann
einfach nicht mehr auszuhalten - alles wird einer Nettigkeit
untergeordnet, die es unmöglich macht, in den Charakteren und Themen des
Films etwas anderes als Cartoon-Abziehbilder der Welt zu sehen, die
selbstgefällig-unfertig hingeschludert sind, und vor lauter
Wiedererkennhits (Stimmung!) und Witzwiederholung (Spass!) wirds schon
keiner merken. Zwar machen alle Schauspieler, allen voran die
verlässliche Brenda Blethyn, ihre Sache recht gut, aber oft haben sie
nicht viel, um damit zu arbeiten. Wenn etwa ein langer Aufbau um Graces
Reise nach London erfolgt (sie zieht sich ein weisses Sommerkostüm an,
weil das in ihren Augen nun mal das Richtige für einen Stadtausflug ist -
ihr Erfolg beim Marihuanaverkauf ist abzusehen), und sie schliesslich in
einer Szene dem Grossdealer (Tchéky Karyo ) gegenübersteht und ihn durch
ihre natürliche Art entwaffnet, so könnte man glauben, dass zwischen den
beiden Chemie entstehen sollte. Aber um nur nichts falsch zu machen,
kriegt Karyo bis auf ein paar Brocken französischen Akzents keine
Persönlichkeit. Das liesse sich anhand zahlreicher weiterer Beispiele aus
dem Film festmachen, aber ich fürchte, dabei in den Tiefschlaf
zurückversetzt zu werden.
Abgesehen von seiner Wiederholung des immergleichen Witzes (ein paar
Varianten davon sind anfangs gut, etwa der UFO-artige Lichtstrahl aus dem
Gewächshaus, werden aber totgeritten) hat Grasgeflüster noch ein paar
liebliche Breitwandaufnahmen von der Küste Cornwalls, vorhersehbare
Nebenhandlungen und - ein Zuckerl für den Heimanbauer, dem der Film
hiermit empfohlen sei - zahlreiche Nahaufnahmen von Blüten und Geräten
zur Graszucht zu bieten. Sogar der Dorfoktor (Martin Clunes), der gerne
mal herzensgut einen hinterm Haus durchzieht, hält den obligatorischen
Monolog darüber, dass Marihuana eigentlich weniger gefährlich ist als
Alkohol und längst legalisiert sein sollte. Stimmt, wird aber vom
herzensguten Ende (ein Schnellvorlauf ins Glück) ohnehin überflüssig
gemacht. Ärgerlich ist dabei nicht nur die Absehbarkeit des ganzen Films,
sondern auch noch die Frechheit der Macher, sich mit den klassischen
Ealing-Komödien der 40er/50er zu vergleichen - hätten die so ausgesehen
wie Saving Grace, dann hätte es nie den englischen Comedy-Boom gegeben.
Noch nicht einmal im derzeitigen macht sich der Film besonders gut, und
vermutlich nur, wer etwas derartiges noch nicht gesehen hat, wird dieses
Fertigprodukt trotzdem mögen, den anderen sei die einzig wirklich grosse
Kifferkomödie ans Herz gelegt: Reefer Madness, ein regierungsfinanzierter
(und todernst gemeinter) No-Budget-Propagandafilm aus den
Mittdreissigern, der die teuflische Droge gnadenlos anprangerte. Da kam
noch wirklich Überraschendes zutage, etwa dies: "...oder der Fall des
17jährigen, der einen Joint rauchte, und danach seine Familie mit der Axt
zerstückelte." So viel Innovation würde man sich hier auch häufig
wünschen.
Fazit: Routiniert, aber inspirationslos absolvierte Komödie mit
Einheitswitz und einer Unzahl netter Menschen.
Christoph Huber, 18.09.2000
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
Grasgeflüster
Saving Grace
Groß Britannien, 2000
Genre: Komödie
Mit: Brenda Blethyn, Martin Clunes, Craig Ferguson
Regie: Nigel Cole
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