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Grenzpatrouille
Showdown
am "Tortilla-Vorhang"
"There's
a place, so I been told,
Every street is paved with gold,
And it's just across the borderline.
When it's time to take your turn,
There's a lesson you must learn:
You could lose more than you ever hope to find." (1)
Ein Zaun trennt nicht nur zwei
Länder; er spaltet auch Reichtum und Armut, Verzweiflung von Habgier, Hilfeschreie
von Skrupellosigkeit. Auf der einen Seite hoffen die mexikanischen "Habenichtse"
- wie viele US-Amerikaner die Mexikaner sehen und nennen - auf ein besseres
leben in den Staaten. Auf der anderen Seite versuchen Grenzpolizisten, den illegalen
Übertritt der Mexikaner zu verhindern und schicken Hunderte wieder zurück
in ihr Land.
Aber das ist nur die halbe Wahrheit
- höchstens. Tony Richardson nahm sich 1982 eines Thema an, das schon lange
eines war und noch lange sein wird. Nicht nur zwischen den Staaten und Mexiko.
Auch die europäischen Außengrenzen sind teilweise von meterhohen
Zäunen umgeben, etwa in Nordafrika, um die "Habenichtse" der
Welt abzuhalten, in Europa ihr Glück zu versuchen.
"And when you reach that broken-promise land,
All your dreams flow through your hands.
You will know it's too late to change your mind.
You paid the price to come so far,
Just you wind up where you are,
And you're still just across that borderline." (1)
Das Gedächtnis ist schwach.
In einer Zeit der vermeintlichen oder tatsächlichen Schnelllebigkeit sind
Vergessen und Verdrängen permanenter Bestandteil einer Mentalität,
die von den Ursachen der heutigen Spaltung der Welt nichts mehr wissen will
- weder von Kolonialismus und Imperialismus, noch von anderen historischen Ereignissen,
die so starke Nachwirkungen haben, dass man eigentlich dazu veranlasst wäre,
Fragen zu stellen. Doch wer stellt sie schon?
"Up and down the
A thousand footprints in the sand
Reveal a secret no one can define.
That river rolls on like a breath
In between my life and death.
Tell me, who is next to cross that borderline."
(1)
Richardson zeigt uns einen Teil
der Grenze zwischen den USA und Mexiko, irgendwo in der Nähe von El Paso.
Hier verrichtet der Polizist Charlie Smith (Jack Nicholson) seinen Dienst. Seine
Frau Marcy (Valerie Perrine) drängt ihn, nach El Paso in eine "schmucke"
Einfamilienhaushälfte zu ziehen. Marcy träumt nur von einem: einem
Leben in Saus und Braus, wohlwissend dass Charlie als Grenzpolizist nicht gerade
viel verdient. Charlie entschließt sich dennoch, in das Haus in El Paso
zu ziehen, in dessen anderer Hälfte sein Kollege Cat (Harvey Keitel) und
dessen Frau Savannah (Shannon Wilcox) wohnen, weil er hofft, dem Sumpf der Korruption
zu entkommen, in dem er als Polizist bislang verwickelt war. Drogenhandel war
nur eines der Delikte, in die Charlie wie etliche seiner Kollegen involviert
waren.
Während Marcy damit beschäftigt
ist, ein teures Sofa und ein nicht minder kostspieliges Wasserbett anzuschaffen,
und davon träumt, beim Fernsehen Karriere zu machen, wird Charlie gleich
mit zwei Toten konfrontiert: Ein Kollege wird nachts aus dem Hinterhalt erschossen
- seine Kollegen vermuten einen mexikanischen Drogendealer als Täter. Wenig
später findet Charlie einen Drogenkurier, den er festgenommen hatte, mit
durchschnittener Kehle auf der mexikanischen Seite. Doch Cat und Charlies Vorgesetzter
Red (Warren Oates) interessieren sich kaum für beide Vorfälle.
Kurz nachdem er einem Mexikaner
namens Juan (Manuel Viescas) das Leben gerettet hat, der auf der Flucht zwischen
die Gleise geraten und fast von einem Zug überfahren worden war, entführt
man das Baby von Juans Schwester Maria (Elpidia Carrillo), die sich in einem
Auffanglager illegal über die Grenze gekommener Mexikaner befindet. Charlie
findet heraus, dass ein gewisser Manuel (Mike Gomez), der als Spitzel für
die Polizei arbeitet, hinter der Entführung steckt. Und Cat, sein Kollege,
will ihn dazu überreden, bei illegalen Geschäften mitzumachen: Cat
und Red schleusen heimlich Mexikaner, die illegal über die Grenze gekommen
sind, nicht wieder zurück nach Mexiko, sondern vermitteln sie an Unternehmen,
die billige Arbeitskräfte anheuern wollen.
Während sich Charlie weigert,
an diesen Aktivitäten mitzumachen, versucht Cat, durch einen fiesen Trick
Charlie zu erpressen. Der hat jedoch - obwohl er Cat seine Mitarbeit an den
illegalen Aktionen zusagt - nur noch eines im Sinn: Er will das Baby Marias
aufspüren, um es seiner Mutter zurückzubringen
...
"And when you reach that broken-promise land,
And all your dreams flow through your hand.
You know it's too late to change your mind.
'Cause you paid the price to come so far,
Just you wind up where you are,
And you're still just across that borderline." (1)
Obwohl in "The Border"
so einiges passiert an persönlichen Entwicklungen - etwa die merkwürdigen,
krisenhaften Beziehungen zwischen Charlie und Marcy, aber auch zwischen Cat
und Savannah - und an handfesten kriminellen Machenschaften, inszenierte Richardson
die Geschichte eher als eine fast ruhige, stimmungsvolle und nachdenkliche Zeitreise
an einen Ort, an dem die Widersprüche und Konflikte zwischen den beiden
Ländern immer kurz davor stehen, wie ein Pulverfass zu explodieren. Er
zeigt die verzweifelten Versuche armer Menschen, wenn auch nur für eine
gewisse Zeit in den Staaten Geld zu verdienen - und er zeigt die skrupellosen
Machenschaften einer fast durchgehend korrupten Grenzpolizei, aus dem bitteren
Schicksal dieser Menschen Kapital zu schlagen, ohne dabei vor Mord zurückzuschrecken.
"The Border" geht aber
darüber hinaus. Richardson zeigt nämlich neben der Gewissenlosigkeit
eines Cat oder Red oder der archaisch "simplen" Gewalttätigkeit
eines J. J. (Jeff Morris), der den korrupten Cops hilft, vor allem die Gleichgültigkeit
einer reicheren Gesellschaft gegenüber einer ärmeren. Hierfür
stehen besonders Marcy und Savannah, für die die Mexikaner und deren Schicksal
überhaupt nicht zu existieren scheinen.
"Yeah, you're still just across that borderline,
Well, you're still just across that borderline,
Well, yeah, you're still just across that borderline." (1)
Zentrale Figur des Films aber
ist Jack Nicholsons Charlie. Nicholson spielt diesen Charlie als überlegten
Mann, der endlich aus dem Sumpf der Korruption heraus will, aber immer wieder
von anderen hineingezogen wird - doch in El Paso nur noch zum Schein mitspielt.
Nicholsons Charlie ist voller Konflikte. Kaum zu verstehen ist, warum er Marcy
geheiratet hat, eine Frau, für die Konsum und Geltungssucht die einzigen
Triebfedern ihres Lebens zu sein scheinen. Charlie ist anfangs allerdings auch
ein Mann, der fast ziellos sein Leben verbringt, nicht weiß, was er mit
seinem Leben anfangen will. Er kennt eigentlich nur ein Ziel: keine Korruption
mehr. Und später ein weiteres: Maria, die er immer wieder an der Grenze,
drüben oder hüben, trifft, ihr Baby zurückzubringen. Dass er
damit gleichzeitig seine korrupten Kollegen lahmlegt, ist eher eine Art Nebenprodukt
seines Handelns. Was Charlie tatsächlich bewegt, bleibt über weite
Strecken verborgen. Aber in der Entführung des Babys und dem Mord an einigen
Mexikanern zeigt sich für ihn - und eben auch für uns - die wirkliche
Grenze, die überschritten wurde und nicht überschritten werden darf.
Diese Polarisierung zwischen einer
Landesgrenze, die arm und reich trennt, und den Grenzen im Handeln, Verhalten
und Denken, die uns eigentlich interessieren sollten, durchzieht den Film bis
zum spannenden Showdown am Schluss des Films.
DVD
Format: Dolby, HiFi Sound, PAL
Sprache: Deutsch,
Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch
Untertitel: Deutsch,
Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch und weitere
sieben Sprachen
Region: Region
2
Bildseitenformat:
16:9
FSK: Freigegeben
ab 16 Jahren
Studio: Universal/DVD
DVD-Erscheinungstermin:
3. August 2006
Die Universal-DVD,
die bei jpc z.B. für € 5,99 zu erwerben ist, bietet keine "besonderen
Vorkommnisse", sprich: kein Bonus-Material, aber einen in Ton und Bild
exzellent wiedergegebenen Film. Hier lohnt es sich besonders, den Film einmal
mit Originalton zu genießen, der zwar zu den weniger bekannten mit Jack
Nicholson gehört, aber nichtsdestotrotz sehr sehenswert ist.
Ulrich Behrens
(1) "Across The Borderline", Musik und Text von Jim
Dieser Text ist
zuerst erschienen in:
Grenzpatrouille
(The Border)
USA 1982, 108 Minuten
Regie: Tony Richardson
Drehbuch:
David Freeman, Walon Green, Deric Washburn
Musik:
Ry Cooder
Kamera: Ric Waite
Schnitt: Robert K. Lambert
Ausstattung: Toby Carr Rafelson
Darsteller: Jack Nicholson (Charlie Smith), Harvey Keitel (Cat),
Valerie Perrine (Marcy), Warren Oates (Red), Elpidia Carrillo (Maria), Shannon
Wilcox (Savannah), Manuel Viescas (Juan), Jeff Morris (J. J.), Mike Gomez (Manuel)
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