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Grindhouse
Letzte Chance für die Knochenmühle
Als Harvey mit den Scherenhänden
wurde Harvey Weinstein geschmäht, weil er als Produzent gern in den Schnittfassungen
seiner Regisseure herumfuhrwerkte. Mit einigem Erfolg, muss man sagen. Die mit
seinem Bruder Bob betriebene Firma Miramax produzierte nach dem Durchbruch mit
Steven Soderberghs "Sex,
Lügen und Video"
Hit um Hit - und brachte es, auch dank heftig beargwöhnter Netzwerkerei,
insgesamt auf sagenhafte 258 Oscar-Nominierungen.
Für die Weinsteins, die in den Neunzigern
von Disney gekauft wurden, war die Welt also in bester Ordnung, von Quentin
Tarantinos Sensationserfolg "Pulp
Fiction" 1994 bis
zum großen Robert-Rodriguez-Hit "Sin
City" im Jahr 2004.
Im Jahr darauf aber trennten sich die Brüder von Disney und machten unter
dem Namen "The Weinstein Company" wieder ihre eigene Firma auf. Seitdem
läuft entschieden was schief, denn die alten Rezepte funktionieren an der
Kasse und auch bei den Academy Awards nicht mehr richtig. Zum bisher größten
Desaster wurde ausgerechnet das am ehesten todsicher klingende Weinstein-Projekt:
die "Grindhouse"-Kombi, für die sich die Regisseure Quentin Tarantino
und Robert Rodriguez zur Hommage ans schmutzige Action-Kino der Siebziger zusammentaten.
Gegen die Zutaten zu "Grindhouse"
schien erst einmal nichts zu sagen. Tarantino schrieb "Death
Proof", einen Rachefilm
mit grandiosen Dialogen und atemberaubenden Auto-Stunts, und der nerdige Metzelmeister
Rodriguez setzte mit "Planet
Terror" einen sleazigen
Zombie-Splatter obendrauf. Die Darstellerinnen waren öfter mal halbnackt
und insgesamt alle toll, und es steckte bis ins kleinste Detail wirklich viel
Liebe in dem Projekt. Zu den beiden Langfilmen, die, wie einst die Hitler-Tagebücher,
künstlich auf alt gemacht waren, kamen hinreißende Trailer zu weiteren,
aber - leider, leider - nicht existierenden Grindhouse-Filmen ("Machete",
"Werewolf Women of the SS"). Nur: Für den Mainstream-Geschmack
erwies sich das als zu speziell. Kaum einer wollte "Grindhouse" in
den USA sehen, bei der weltweiten Weiterverbreitung wurden die beiden Teile
einzeln verwertet, um ein paar deleted
scenes wieder erweitert
und bedauerlicherweise um die Extratrailer gekürzt.
Genützt hat auch das nicht viel,
sowohl "Death Proof" als auch "Planet Terror" blieben weit
hinter allen Hoffnungen zurück. Jetzt, ein Jahr später, ist dem deutschen
Verleiher erfreulicherweise alles egal. Er bringt zur Freiluftkinosaison das
"Grindhouse"-Paket in der ursprünglich vorgesehenen Fassung auch
in die deutschen Kinos. Die Fans der einschlägigen Genres sowie alle, die
es werden wollen, sollten diese Chance zum schrankenlosen Lustgewinn nicht verpassen.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
Grindhouse
USA
2007 - Regie: Quentin Tarantino, Robert Rodriguez, Eli Roth, Edgar Wright, Rob
Zombie - Darsteller: Kurt Russell, Rose McGowan, Danny Trejo, Freddy Rodriguez,
Josh Brolin, Marley Shelton, Jeff Fahey, Michael Biehn, Naveen Andrews, Stacy
Ferguson - Start: 3.7.2008
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