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Der
große Japaner - Dainipponjin
Schizo-Syndrom
Superheld
Mit "Der große Japaner - Dainipponjin"
hat der japanische Comedy-Star Hitoshi Matsumoto aus dem Mythos des Superhelden
eine mockumentarische Tragikomödie gemacht.
Im richtigen Leben aber, in das uns der
Film im dokumentarischen Wackelkamerastil ausführlichst einführt,
ist er ein unauffälliger Niemand. Hitoshi Matsumoto stellt ihn dar, der
japanische TV-Comedy-Superstar. Nach den großen Auslandserfolgen seines
Konkurrenten Beat Takeshi alias Takeshi Kitano hat ihn nun auch der Spielfilmehrgeiz
gepackt: Als Regisseur, Drehbuchkoautor und Hauptdarsteller dieses Films hat
er sich - das Minimum einer Differenz der Identitäten muss sein - in Hitosi
Matumoto umbenannt.
Superheldenmythen sind Erzählungen
von Figuren, die alle Hände voll zu tun haben, sich und ihr Selbst bei
ständigen Metamorphosen zwischen Normal- und Superzustand halbwegs zusammenzuhalten
- eigentlich also kranke Geschichten von gestörten Persönlichkeiten.
Ihr großes, hinter den Fantasien der Wunscherfüllung verborgenes
Drama besteht darin, das, was sie tun, als Erfahrungen so zu ordnen. Nur so
kommen die zwei Körper des Superhelden unter den einen Hut der kohärenten
Biografie. "Der große Japaner" ist eine mockumentarische Tragikomödie,
die sich des Problems der zwei Körper und damit der zwei Wirklichkeiten
des Schizosyndroms Superheld annimmt. Daisato ist, wie jeder gewöhnliche
Superheld, im öden Realweltalltag bloßer Verwalter und Heger seiner
ihm eigenen Heldenkräfte. Mitten im Leben ist sein Auftrag, allzeit bereit
zu sein zur Aktivierung des anderen Selbst und damit zur Rettung der Welt.
Gar nicht heldenhaft ist dagegen Daisatos
unaufgeräumtes Leben in seinem winzigen Haus in Tokio. Einzig aus der Differenz
zwischen Superheldenimage und Lebensrealität zieht der Film im scheindokumentarischen
Teil seine Pointe. Er reitet sie zu Tode und dann noch ein gutes Stück
weiter. Wir erfahren Privates und Privatestes von beträchtlicher Fadheit.
Wir lernen den Superhelden kennen als trübe Tasse, der nichts, auch und
vor allem seine Ehe nicht, auf die Reihe kriegt. Und wir warten geradezu unendlich
lange auf seinen ersten Einsatz im Kampf gegen die Monster.
Selbst die Metamorphose geschieht nicht
einfach so. Mit dem Mofa geht es erst einmal in die elektrische Transformationsanstalt.
Rituale von hanebüchener Umständlichkeit gilt es zu überstehen.
Dann endlich hinein ins digital animierte Vergnügen. Weiß Gott bizarr
sind die Wesen, mit denen der große Japaner - selbst zu einem grotesken
Körper mit noch groteskerer Elektroschockfrisur aufgepumpt - es hier zu
tun bekommt. Eines schleudert, nur zum Beispiel, sein Auge phallisch an einem
langen Schwanz durch die Gegend. Und beim Auftritt eines prügelwütigen
Riesenbabys wird endgültig klar: Der erschlaffte Alltagskörper und
Losergeist des großen Japaners hat längst auch seinen Heldenkörper
ergriffen. Er gewinnt zwar die eine oder andere Schlacht, macht dabei aber eine
zunehmend lächerliche Figur und rennt zuletzt vor dem Riesenbaby davon.
Zwar ist manches in den Monsterkampfszenen
von "Der große Japaner - Dainipponjin" und erst recht der unbeschreibliche
Epilog sehr wohl zum Schreien komisch. Das Großartige an dem Film ist
aber eher sein ausgesuchter Mangel an originellen Pointen. Der Film stellt selbst
die Geduld des geduldigsten Menschen auf die Probe, sein Witz ist oft derart
unterspielt, dass man ihn schwerlich bemerkt. Kenntnis einschlägiger japanischer
Superheldenfiguren (vor allem des Ultraman-Universums) ist vorausgesetzt, hilft
andererseits auch wieder nicht sehr viel weiter. Der eigentliche Geniestreich
ist nämlich die lange Mockumentarypassage, in der "Der große
Japaner" den Betrachter durch radikale Komikverweigerung in ungeahnte Formen
des Wahnsinns treibt.
Ekkehard Knörer
Dieser
Text ist zuerst am 19.07.2008 erschienen in der taz
Zu diesem Film gibt’s im
archiv der
filmzentrale mehrere Texte
Der
große Japaner - Dainipponjin
Japan
2007 - Originaltitel: Dai-Nipponjin - Regie: Hitosi Matumoto - Darsteller: Hitosi
Matumoto, Riki Takeuchi, Ryunosuke Kamiki, Itsuji Itao, Haruka Unabar - FSK:
ab 12 - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 113 min. - Start: 17.7.2008
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