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Ground
Zero
Der brillante, preisgekrönte australische Politthriller
hatte sich 1987 zum Anwalt der Aborigines gemacht, die bei den Juchz- und Jubelfeiern
zum 200. Geburtstags des Erdteils ausgespart worden waren. Schon bei den Atomtests,
die die Briten in den fünfziger Jahren im Lebensgebiet der Aborigines veranstalteten,
etwa an deren heiligem Ort Maralinga 1954, hatte niemand an die Ureinwohner
gedacht, sie wurden nicht gewarnt, aufgeklärt oder gar medizinisch versorgt;
man behandelte sie wie Känguruhs oder anderes Wüstengetier. Der Film
bringt dies zur Sprache, und er findet deftigere Formulierungen. Der Plot ist
Fiction im Stil der Enthüllungskrimis, die Fakten sind authentisch; sie
werden im Laufe des Films recherchiert und dokumentiert. Und daran ist nichts
konventionell, sondern alles ungewöhnlich, brisant und anklagend.
Die Dreharbeiten begannen 1986, als die Königliche
Untersuchungskommission in Melbourne tagte. Wie sich bald herausstellte, funktionierten
australische und britische Geheimdienste den Untersuchungsausschuß in
ein Vertuschungsorgan um. Regisseur Pattinson und seine Rechercheure mußten
immer wieder feststellen, daß ihnen von den Geheimdiensten Dokumentar-
und Archivmaterial vor der Nase weggeschnappt wurde. Auf diesen Erfahrungen
basiert das Drehbuch.
1986 ließ Pattinson im Testgebiet Coober Pedy
im Bereich Ground Zero einen verstrahlten Bomber ausgraben (Halbwertzeit 25
000 Jahre), der dort dreißig Jahre zuvor im Wüstensand versenkt worden
war. Was in Ground Zero ans Licht gebracht wurde, ist in der Eröffnungssequenz
des Films dokumentiert; die Aktion symbolisiert Spurensuche, Vergangenheitsbewältigung
und die Aufdeckung eines Verbrechens. Harvey Denton (Colin Friels), smarter
Kameramann in der Werbefilmbranche, wird von den Fakten in die fiktive Rolle
des Helden gedrängt. Im Cockpit wird die Leiche seines Vaters entdeckt,
durch einen Genickschuß getötet. Aber hatten ihm nicht 1954 die australischen
Behörden erklärt, der Vater, ein Dokumentarfilmer, damals damit beauftragt,
die Testaufnahmen zu filmen, sei im Meer ertrunken? Und wo ist das Filmmaterial?
Denton macht sich auf die Suche, gejagt von Agenten der Geheimdienste, und das
Yuppieleben vertauscht er mit einem Alptraum.
Die Verfolgungsjagden und Thrillerklischees sind
in GROUND ZERO nicht Selbstzweck. Immer wieder unterbricht der Film die Handlung,
registriert in den Sitzungen der Untersuchungskommission Anklagen, Statements,
viele Lügen - und nennt die Dinge beim Wort. Die Kamera (Steve Dobson)
nimmt sich Zeit, die versehrte Landschaft zu zeigen, die Kraterwüste, und
die versehrten Überlebenden - Strahlenkranke, vereinzelt vor dem weiten
Horizont, ausgestoßen auch vom eigenen Stamm. Hier hat Donald Pleasence
seinen großen Auftritt - in der beeindruckenden Rolle eines Outcasts,
der sich von der britischen Armee losgesagt hat und ein Opfer seines Handelns
geworden ist; ohne Kehlkopf, ohne Glauben an eine Zukunft, die Gegenwart mit
den letzten Überlebenden teilend, aber besessen, die Verantwortlichen beim
Namen zu nennen und sie ins ewige Fegefeuer zu schicken.
Im besten Hollywoodstil bricht die Fiktion herein,
und sie dient jetzt etwas anderem: einer Wahrheit. Wir erfahren, daß die
Atomwolke, die über das Land zog (für die Aborigines heute noch „der
schwarze Nebel"), der Offentlichkeit damals als etwas Gutes, nämlich
als das Jahrhundertereignis einer Regenwolke verkauft wurde. Wir erfahren, daß
die Briten die Ureinwohner in den Atom-Kratern hausen ließen und daß
britische und australische Soldaten plutoniumverseuchte Trümmer (Tausende
liegen davon heute noch herum) mit bloßen Händen einsammeln mußten.
Ohne Schutzkleidung, „aber mit dem Rücken zum Knall", waren sie selbst
der Strahlung ausgesetzt. GROUND ZERO begnügt sich nicht mit nationalen
Schuldzuweisungen. Die Vertuschungskampagne erweist sich als Komplott zweier
Regierungen, die Schadenersatzforderungen fürchten. Und wo nicht aufgeklärt
wird, muß auch nicht gezahlt werden. Hier dreinzuschlagen braucht es offenbar
einen Helden wie Harvey Denton. Aber das ist zu schön, um wahr zu sein.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: epd Film 7/89
Ground
Zero
GROUND
ZERO
Australien
1987. R: Michael Pattinson, Bruce Myles. B: Jan Sardi, Mac Gudgeon. K: Steve
Dobson. Sch: David Pulbrook. M:
Chris Neal. T: Gary Wilkins. Ba: Brian Thomson. Pg: Pattinson-Burrowes Film
Group/BDB Prod. P: Michael Pattinson. V: Impuls. L:
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