Grüne
Wüste
Auf
Wiedersehen Kindheit
`Life is what happens to you while you're busy making other plans`,
stellte John Lennon bereits vor mehr als 20 Jahren fest. Dieses
Dilemmas ist sich auch "Grüne Wüste" schmerzlich bewußt.
Er kann zwar ebenso wenig verhindern, daß das kleine, dreckige, aufregende
Leben und hochtrabende, hoffnungsvolle Pläne selten zusammenfinden - zumindest
aber unternimmt er einen sehenswerten Versuch.
Die
14jährige Katja steht am Abgrund, auf den Mauern "ihrer" Burgruine,
inmitten "ihrer" grünen Wüste. Herunterstürzen ist
eine Option, die Herausforderung des Lebens anzunehmen die andere. Eines Lebens,
daß bis vor kurzem noch so sorglos schien, zumindest auf dem Abenteuerspielplatz
ihrer kindlichen, überschaubaren Welt, die jedoch sehr bald an allen Enden
Risse zeigt: Ihr bester Freund Johann erkrankt plötzlich an Leukämie,
das sensible Gleichgewicht ihrer Familie gerät aus dem Takt. Katja steht
vor einem Neuanfang. Diesen Spagat vollführt auch der Film selbst. Leicht
hätte "Grüne Wüste" auf dem Niveau durchschnittlicher
`TV-Romane` landen können, mit Fokus auf dramatischen Szenen, pathetischer
Leidensdarstellung. Ganz frei davon ist der Film beileibe nicht, nutzt er doch
bisweilen schamlos das Auf und Ab von Johanns Krankheit zur Manipulation der
Gefühle. Doch zumeist umschiffen die einfühlsame Regie und die ruhige
Kameraführung diese Klippen der Trivialität. In seinem ersten Kinofilm
gelingt es Anno Saul, den abrupten Abschied von der Kindheit glaubhaft zu entwickeln
und in sorgfältig komponierte Bilder zu kleiden. Auch die für einen
deutschen Film erstaunlich stimmige Musik von Marcel Barsotti hält die
Balance zwischen intimer Spannung und großen Emotionen. Den wesentlichen
Anteil zum Gelingen des Films tragen jedoch die durchweg erstklassigen Leistungen
der Schauspieler bei. Tatjana Trieb und Robert Gwisdek sind Katja und Johann;
voller Elan zu Beginn, trotzig und zornig im folgenden, doch stets beeindruckend
natürlich und mitreißend. Martina Gedeck offenbart in ihrer pointierten
Darstellung die ganze Unsicherheit und Selbstgefälligkeit von Katjas Mutter,
schafft ein Wechselbad der Gefühle. Ulrich Noethen und Heino Ferch geben
ihren konträren Rollen ein unverwechselbares Gesicht, frei von aufgesetzten
Manierismen. Ein authentischer Film über Jugendliche ist selten geworden
in diesen Tagen, in denen das Revival des Teeniefilms ganze Flutwellen pubertärer
Witzchen in die Kinos spült. Umso erfreulicher ist es daher, einen deutschen
Film zu sehen, in dem der Horizont der Protagonisten nicht vom letzten Joint
oder der Aussicht auf Entjungferung benebelt ist. Ein Sieg des Lebens, letztlich.
Carsten
Happe
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im:
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Kritiken
Grüne
Wüste
D 1999. R: Anno Saul. B:
Swenja Karsten. K: Gero Steffen. S: Ingrid Broszat. M: Marcel Barsotti . P:
Trebitsch. D: Tatjana Trieb, Robert Gwisdek, Martina Gedeck, Ulrich Noethen
u.a. 100 Min. Lichtmeer ab 25.1.01