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Hancock
Wal
gerettet, Schiff versenkt
Wie man beim Retten eines Wals ein Schiff
versenkt: Will Smith gibt in "Hancock" einen besoffenen Superhelden,
der mit dem Hintern einreißt, was er mit den Händen rettet.
In einer Szene bekommt man wirklich Angst.
Das ist, als Will Smith als versoffener Superheld Hancock auf einer Parkbank
erwacht. Bourbonflasche, Sechstagebart - in den USA ultimative Zeichen dafür,
mit sich selbst und dem Leben nicht zurande zu kommen. Und dann hält sich
Hancock ein Nasenloch zu, holt tief Luft - und für einen Moment sieht es
so aus, als würde er den Schnodder aus dem anderen Nasenloch direkt in
die Kamera rotzen. Zum Glück ist der Kamera dann aber doch ein kleiner
Junge wichtiger, der Hancock zutiefst verachtungsvoll anguckt.
"Aus großer Kraft folgt große
Verantwortung", heißt es in Sam Raimis "Spiderman"-Verfilmung. "Hancock"
erzählt von einer Situation, in der große Kraft auf eine noch größere
Leck-mich-am-Arsch-Haltung trifft. Dieser Hancock rettet zwar immer mal wieder
die Stadt, ist dabei aber oft so besoffen, dass er nebenbei gleich selbst halb
Los Angeles demoliert. In seinen besten Momenten sieht der Film wie ein etwas
schweinisches Videospiel aus, Verfolgungsjagden, Hubschrauber, Maschinenpistolen,
Adrenalinsoundtrack - alles dabei. Man ahnt als Zuschauer aber schnell, dass
diese bösen Szenen von einer Integrationsgeschichte abgepuffert werden
sollen, auch Hancock soll ein Guter werden! Immerhin darf man sich dabei noch
an zielgruppengerecht schön simulierten YouTube-Szenen erfreuen, in denen
Hancock einen gestrandeten Wal rettet, indem er ihn zurück ins Meer wirft
- und dabei eine vor der Küste ankernde Jacht versenkt. Und einmal darf
Hancock auch als Guter einem Bankräuber die Hand absägen. Ganz eindimensional
sollte die Zähmung des Superhelden dann doch nicht stattfinden.
Gezähmt wird er von einem Mann, der
die Welt durch PR retten will, mit kindlichen Glückslogos und Marketingmaßnahmen,
die auf kostenloser Verteilung von Medikamenten beruhen - in einem deutschen
Film würde man ihn wohl mit einer taz auf dem Frühstückstisch
charakterisieren. Ein Missionar des Guten trifft auf ein Arschloch - klar, dass
in einem US-Mainstreamfilm der Gute gewinnt, selbst wenn er, so wie hier, fast
noch mehr wie eine Comicfigur wirkt als Hancock.
Ob ein Superheldenfilm interessant wird
oder nicht, kann man am besten an den Flugszenen sehen. Bei "Hancock"
haben sie kaum etwas von Gleiten, von Schwerelosigkeit und von Wunscherfüllung.
Stattdessen rumpeln sie ganz schön, und das liegt nicht nur daran, dass
Hancock die zulässige Promillegrenze weit überschritten hat.
In der zweiten Filmhälfte gibt es
dann einige Szenen, in denen Will Smith auf Charlize Theron trifft. Es wäre
gemein, die Umstände zu verraten. Nur so viel: Es geht um Familienwerte,
und einigen ZuschauerInnen werden dazu die Wörter "reaktionär"
und "Backlash" einfallen. Ganz widersprechen mag man nicht, aber hier
noch ein Vorschlag zu einer möglichen anderen Lektüre: Durchgespielt
wird, wie es gelingt, auch als Superheldin eine gute Hausfrau und Mutter zu
sein. Gar nicht einfach! Zum Beispiel muss man manchmal so tun, als ob man zu
schwach wäre, um ein Marmeladenglas aufzukriegen, und seinen Ehemann um
Hilfe bitten - als rollenbestärkende Maßnahme für Normalomänner.
Dirk Knipphals
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Hancock
USA 2008 - Regie: Peter Berg - Darsteller: Will Smith, Charlize Theron, Jason Bateman, Adam Del Rio, Jameson Dixon Jr., Daeg Faerch, Stephen Bishop, Mark Simich, Steve DeCastro, Ron Fassler, David Mattey, Darrell Foster - FSK: ab 12 - Länge: 92 min. - Start: 3.7.2008
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