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Harry Potter und der Orden des Phönix
Der neueste, fünfte Film
aus der Harry-Potter-Reihe ist solides Abenteuerkino
mit viel Spezialeffekten und ohne Längen – dafür fehlt einiges, was
die Romane J.K. Rowlings so interessant macht.
Harry Potter und der Orden
des Phönix
(Harry Potter
and the Order of the Phoenix) ist ein Paradebeispiel dafür, wie machtlos Filmkritik in
einigen Fällen wirklich ist. Unabhängig davon, was irgendwo mit einiger
Ernsthaftigkeit über diesen Film zu lesen sein wird, findet er natürlich
sein Publikum. Schließlich warten Millionen von Potter-Fans seit Monaten
auf diesen, den fünften Film der Serie. Mit größerer Freude
wird von diesen Freunden der – Hype hin, Marketingkampagnen her – bemerkenswert
guten Kinderbuchreihe sicherlich nur noch der siebte und wohl letzte Band erwartet,
der zumindest in der englischen Originalfassung keine zehn Tage (am 21. Juli
nämlich) nach Start von Harry Potter und der Orden des Phönix in die Buchläden gelangt.
Dass der Film so gleich noch zum Marketinginstrument für das neue Buch
wird, ist ein sicherlich erwünschter Effekt.
Nun ist es keineswegs so, dass
Harry Potter
und der Orden des Phönix ein schlechter Film wäre, eine reine Fassade, auf die der
Name „Harry Potter“ geklebt wurde, um möglichst viel junges Publikum anzuziehen.
Michael Goldenbergs Drehbuch nimmt das Material des gleichnamigen Bandes der
Reihe auf und macht aus den immerhin über 700 Seiten Material eine spannende,
straff durcherzählte Geschichte.
Harry (Daniel Radcliffe) kehrt
darin im mittlerweile fünften Jahr an die Zauberschule Hogwarts zurück,
nachdem er einen Angriff zweier Dementoren, der bedrohlichen, geisterartigen
Wesen, die das Gefängnis von Askaban bewachen, nur knapp überlebt
hat. Auf dem Internat muss er aushalten, dass ihm nicht alle Mitschüler
glauben wollen, dass Lord Voldemort wieder unter den Lebenden ist (und einige
ihn gar für mitschuldig am Tod eines Freundes halten). Außerdem muss
sich Harry damit auseinandersetzen, dass das zuständige Ministerium dem
geliebten Schuldirektor Albus Dumbledore (Michael Gambon) eine Aufpasserin in
Person der äußerst unangenehmen und machthungrigen Dolores Umbridge
(Imelda Staunton) ins Haus gesetzt hat.
Da Umbridges Unterricht zur Verteidigung
gegen die dunklen Künste rein theoretisch bleibt, gründet Harry mit
Ron (Rupert Grint), Hermine (Emma Watson) und anderen Schülern „Dumbledores
Armee“ – sie treffen sich in einem geheimen Raum der Schule und bringen sich
dort selbst die für eventuelle Kämpfe nötige Praxis bei. Sie
stellen sich damit direkt gegen Umbridges ausdrückliche Weisungen, was
insbesondere der sonst so braven Hermine erstaunlich viel Freude macht. Am Ende
müssen zumindest einige der Schüler ihre Fähigkeiten dann auch
tatsächlich in einem Kampf gegen Voldemorts Anhänger unter Beweis
stellen.
Natürlich bleibt bei der
filmtypischen Verdichtung der Handlung so einiges auf der Strecke, was gerade
dieses Buch (und die Harry-Potter-Bücher im Allgemeinen) so lesenswert
und lebendig macht: Viele Nebenhandlungen und -charaktere werden, wenn überhaupt,
in der Leinwandadaption nur stiefmütterlich behandelt, und insbesondere
die gesamte Hintergrundgeschichte wird diesmal fast völlig ausgeblendet.
Auch hätte zumindest die zarte Liebesbeziehung Harrys zu Cho Chang (Katie
Leung) etwas mehr Aufmerksamkeit verdient: Der eine, sehr keusche Kuss ist ein
nahezu singulärer Moment in der Handlung, der kaum vorbereitet wird. Stattdessen
konzentriert sich das Leinwandgeschehen ganz auf die drei Protagonisten und
die Ereignisse in Hogwarts. Das ist zwar handlungsökonomisch sehr sinnvoll,
dem unbedarften Zuschauer bleibt so womöglich aber einiges unverständlich.
Mit anderen Worten: Das Zielpublikum
dieses Films sind ausschließlich jene, die Harry Potter bereits kennen und am besten auch zumindest den Band Harry Potter und der Orden
des Phönix gelesen
haben. Denn der Film hält sich weder mit Exposition noch mit Erklärungen
auf – dafür ist gar keine Zeit –, sondern steigt direkt in medias res ein.
Die Verknappung geht dann so weit, dass im Schnitt einige deutliche Anschlussfehler
entstanden sind und bestimmte Szenen völlig herausgenommen wurden, die
sich eigentlich zwingend aus den vorherigen Ereignissen ergäben.
Dabei gelingt es Regisseur David
Yates, der bislang nur durch Fernsehproduktionen in Erscheinung getreten war,
mithilfe der Musik und der generell dunkleren Farbtöne, in die die Bilder
getaucht sind, in seinem Erstling für die große Leinwand die im Buch
angelegte düstere, gar bedrohliche Grundstimmung aufzugreifen und auch
durch filmische Mittel zu verstärken.
Was leider außen vor bleibt
– auch dies eine Folge der filmischen Verknappung – ist letztlich die Entwicklung
vor allem der Figur Harry Potters. In Joanne K. Rowlings Büchern tritt
er als zunehmend auch an sich und seinen Fähigkeiten zweifelnder (und gelegentlich
heftig pubertierender) junger Mann auf. Diese inneren Konflikte werden in Harry Potter und der Orden des Phönix zwar angedeutet, lösen sich aber zum Ende hin wie von selbst
auf, anstatt eine wirkliche Entwicklung anzustoßen. Der Eindruck von Oberflächlichkeit
wird noch dadurch verstärkt, dass Radcliffes durchtrainierter Körper
der Figur des jugendlich-zweifelnden Harry Potter schon entwachsen zu sein scheint
– da machen sich die drei Jahre Altersunterschied zwischen Harry und dem inzwischen
18jährigen Radcliffe doch bemerkbar.
Unabhängig davon aber wird,
wie gesagt, der Film sein Publikum finden. Dafür spielt auch keine Rolle,
dass sich allenfalls unter dem Aspekt des Marketings erschließt, warum
zwanzig Minuten für die IMAX-Kinos auch in „3-D“ gedreht wurden. Die Szenen
gehören nicht unbedingt zu den spannendsten des Films, und über die
Qualität der räumlichen Kinoerfahrung kann man schon in technischer
Hinsicht streiten. Der große Aufwand erscheint so als leicht verzweifelter
Versuch, die Plastizität einzuholen, die die Imagination erreicht, wenn
man einen der Potter-Romane liest. Ein solcher Versuch aber muss scheitern.
Rochus Wolff
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.critic.de
Harry
Potter und der Orden des Phönix
(Harry
Potter and the Order of the Phoenix); USA 2007; 138 Minuten; Regie: David Yates;
Drehbuch: Michael Goldenberg; Produzent(en): David Heyman, David Barron; Mit
Daniel Radcliffe, Rupert Grint, Emma Watson, Evanna Lynch, Matthew Lewis, Imelda
Staunton, Gary Oldman, Kinostart: 12.7.2007
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