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Heimatfilm!
Nichts
will so recht zusammenpassen im Örtchen Fallen, das eigentlich überall
in unserer schönen deutschen Heimat liegen könnte. Es gibt einen Puff
dort, eine Polizeistation, die nur aus einem Polizeiauto und einem Polizisten,
eine Ambulanz, die nur aus einem Krankenwagen mit zwei Sanitätern besteht,
eine Kneipe, eine Tankstelle und jede Menge frustrierter Leute, die – weil eben
nichts zusammen passt – sich regelmäßig meist mit Hochprozentigem
die Kante geben müssen.
Inmitten
all dessen eine Art Dorfschönheit mit Namen Britta. Britta hält alle
Handlungsfäden zusammen, weil sich irgendwie alle Männer, die nicht
ihr Bruder oder schwul sind (ja, auch in Kleinstädten gibt’s das schon),
wenn nicht nach ihr umdrehen, dann nach ihr verzehren. So z.B. ihr „Verlobter“
Bernd, der Polizist, der irgendwie keine eigenen Sachen und kein eigenes Auto
hat und deshalb immer in Dienstuniform rumrennt, oder im Polizeiauto rumfährt.
Als er sich ein eigenes Grundstück aus der Hüfte leiert (ja irgendwie
ist er schon als Sheriff angelegt) und Britta damit (und mit der darin enthaltenen
Zukunft für Zwei) überraschen will, geht der Schuss nach hinten los:
Nun will Britta noch weniger von ihm wissen als vorher. Nichtmal im Streifenwagen
mehr will sie mitfahren. Stattdessen verguckt sie sich in den Rettungssanitäter
mit der lächerlichen Fönfrisur. Kunststück, wenn der ihr doch
ab und zu was Nettes sagt, wie „Ich liebe dich“.
Leute,
die permanent auf etwas warten, die ständig unterfordert sind, die an der
Beengtheit der Kleinstadt leiden wie Löwen an ihrem Käfig, müssen
schon so eine Notgeilheit entwickeln, oder, wenn zuwenig Drogen am Start sind,
einen ausgeprägten Alkoholismus. Es ist aber auch schwer, bei eingeschränkter
Auswahl der Partner, der beruflichen und der kulturellen Perspektiven - also
der Lebensperspektiven überhaupt - sich zusammen zu reißen. Deshalb
schafft das auch in „Heimatfilm!“ kaum einer. Deshalb sehen die auch teilweise
aus wie in den Siebzigern, tragen Unmodisches und sagen Unmodisches. Eben das
ist das Symphatische an diesem Film. Jeder, der in einer deutschen Kleinstadt
aufgezogen wurde, wird in vielen kleinen Momentaufnahmen seine „Heimat“ wieder
entdecken.
Wenn
es aber nur bei diesen kleinen Treffern bliebe. Das Problem ist, dass Regisseur
Daniel Krauss auch versucht, eine Geschichte zu erzählen, also versucht,
diese vielen kleinen Wahrheiten originell zu verknüpfen. Leider verwechselt
er nicht selten - wie die meisten deutschen Regisseure - Originalität mit
platter Überzeichnung, mit schrillem Humor, mit dem Griff in den Klischeetopf.
Gerade unter ihrer zwanghaften Gefallsucht leidet die Geschichte und mit ihr
die Figuren, deren Darsteller übrigens ein seltsames Ensemble verkörpern.
So hat z. B. Wolfgang Stumph einen boulevardesken Cameo-Auftritt in der Tankstelle,
der sich in keiner Weise der sensibleren Szenerie einfügt, und Hollywood-Profi
Hannes Jaenicke wird dem Film mit seinem Namen geholfen haben, mit seinem zu
routiniert dumpf gespielten Polizisten hat er dem Film geschadet. Denn, und
daran kränkelt „Heimatfilm“ von Anfang an, Britta (die auch in ihrer provinziellen
Einfachheit mehrgesichtig bleibende Fritzi Haberlandt) und Bernd: der Teufel
weiß, was die beiden zusammengebracht hat! Die passen einfach schon vom
Typ her nicht zusammen, und zwar nicht nur, weil das Drehbuch es so herausarbeiten
möchte.
Nichts
will so recht zusammen passen in „Heimatfilm“. Der Film ist reich, überreich
an Typen, allein daran übernimmt er sich schon, weil er den Überblick
über die Handlung verliert, aber vor allem, weil er es nicht schafft, seine
Figuren in einen funktionierenden Bezug zueinander zu setzen. Mit Witzchen allein
kann der Film sich nicht über Wasser halten. Dass etwa der Ort „Fallen“
heisst, ist einer dieser Scherze, die dem Film seine potentielle Subtilität
rauben. Dass übrigens die Filmmusik von Peer Raben, Fassbinders Hofkomponist,
komponiert wurde und eigentlich in ihrer jenseitigen Künstlichkeit nie
zur Flapsigkeit des Films passt, ist eine dieser Absurditäten mehr, die
den Film zu einem merkwürdigen Zwitterwesen machen.
Was
bleibt, sind Highlights der genau beobachteten Momentaufnahmen, die Heimat
also, was nicht klappt, ist die Geschichte und ihre Umsetzung, der Film!
Zuviel
gewollt, zuviel verloren.
Andreas
Thomas
Heimatfilm!
Regie:
Daniel Krauss
Musik:
Peer Raben
Darsteller:
Fritzi Haberlandt (Liegen lernen), Hannes Jaenicke (Schnee in der Neujahrsnacht),
Lars Gärtner (Das Experiment)
Altersfreigabe:
FSK 12
Heimatfilm!
ist zusammen mit dem Film Nicht
Fisch, nicht Fleisch
auf folgender DVD erschienen:
Heimatfilm!
/ Nicht Fisch nicht Fleisch,
Deutschland 2002
Verkauf
ab 10.2.2004
Genre
Drama
ca.
184 min. PAL Color
Produktionsland
Deutschland 2002
DVD
Bildformat 4:3 Letterbox
Ländercode
2
Extras
Kapitelanwahl, Trailer, Biografien und Fotogalerie
Untertitel
Ton
Deutsch, Dolby Digital 2.0
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