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Helden
der Nacht
Bobby Green (Joaquin Phoenix) besitzt alles, was
in den späten 80er Jahren als begehrenswert gelten kann: Eine gestylte
Frau, pastellfarbene Hemden, Yuppie-Schmuck, Zugriff auf Designerdrogen und
er betreibt - zwar nicht in Manhattan, aber doch in Brooklyn - einen Amüsiertempel
für die Schickeria der B-Garde, in dem sich auch die Schwergewichte des
kriminellen Milieus gerne sehen lassen. Ein sorgloser, leicht halbseidener Lebemann,
der Verlockungen eben nachgibt, leicht schmierig, aber nicht wirklich böse.
Sein Geheimnis ist dies: Eigentlich heißt er
Robert Grusinsky und ist Halbrusse, der sein Erbe zu verheimlichen sucht; zum
Missfallen seines Vaters Albert (in Altershochform: Robert Duvall) und Bruders
Joe (Mark Wahlberg), hundertzwanzigprozentige, straffe Polizisten, die den vom
Glauben abgefallenen Sohn gerne auf ihrer Seite, am liebsten in den Reihen der
Staatsgewalt, wüssten. Im Visier haben sie den aufstrebenden Drogenboss
Vadim (Alex Veadov), Stammgast in Bobbys Nachtklub. Vater und Sohn versprechen
sich Zugriff auf den Verbrecher, während Bobby eine Kooperation aus Trotz
und Eigennutz ablehnt. Was folgt, ist ein Kampf bis aufs Blut zwischen Polizei
und Drogenmafia. Zwischen deren Fronten werden Bobbys Existenz und Loyalität
zusehends in Frage gestellt.
"Helden der Nacht" erinnert in mancher
Hinsicht an Martin Scorseses Oscar-Erfolg "Departed", genauer: an dessen Original, den Hongkonger
Copthriller "Infernal
Affairs". Zwei Brüder,
zwei Fronten, Fragen der Loyalität und Identität. Doch im Gegensatz
zu Scorseses psychologischem Overkill, ist "Helden der Nacht" ein
blitzblank poliertes Gerippe, das sich im vollen Bewusstsein des kolportagehaften
Charakters seiner Räuberpistolengeschichte ganz und gar auf deren Dynamikpotenzial
verlässt und dabei gewinnt.
Die Story ist schematisch und folgt klaren Linien.
Jede Konfrontation der Parteien, in deren Schlingen Bobby Green zunehmend um
Raum zum Atmen fürchten muss, folgt glasklar aufeinander bezogenen Frontstellungen.
Keine Figur ist Mensch mit Tiefe, sondern bloß Träger einer Storyfunktion,
entsprechend hölzern und grob das Spiel. Solchen Mut zur Flachheit hat
man aus Hollywood schon lange nicht mehr gesehen, man kennt sie ohnedies eher
aus dem dafür zu Recht bejubelten Genrekino aus Hongkong. Auch die Inszenierung
folgt über weite Strecken einem planen Funktionalismus: Unambitionierte
Schuss-Gegenschussverfahren lösen die Dialoge auf, manch TV-Film, mit Sicherheit
aber jede aktuelle US-Qualitätsserie bietet ästhetisch mehr Reiz als
die oft überstandardisierte Konzeption weiter Strecken.
Das ist aber nicht mangelndem Können geschuldet,
es ist vielmehr kühles Kalkül. Ein Ruhepol zu den überraschend
furiosen Szenen dieses merkwürdigen, aber großartigen Films. "Helden
der Nacht" lässt sich völlig auf Bobby Green ein, einen Held,
der keiner ist, zum grimmigen Heroismus dann aber doch gezwungen wird. Schnitt,
Kamera und Tonspur - an der Grenze zur Hörbarkeit vibrierender Ambient
- lassen das Geschehen in klaustrophobe Zustände geraten, etwa wenn Bobby
Green, als verdeckter, verdrahteter Ermittler, dem das Herz sichtlich bis zum
Halse schlägt, vom Bösewicht in die Schemenwelt einer Brooklyner Drogenküche
eingeführt wird. Eine Verfolgungsjagd mit dem Auto durch New York verzichtet
völlig auf wuchtige Spektakel und bietet dafür eine Auflösung
ins hypnotisch Abstrakte - eine faszinierende Sequenz. "Helden der Nacht"
ist voll von solchen sogartigen Momenten, deliranten Bruchstellen, die gegen
jeden Strich gebürstet sind, mit dem man in Hollywood Genre angeht: Entschleunigung
statt Eskalation, minimalistische Konzentration auf den Moment statt gehetzte
Prasselei, Anspannung bis ins Unerträgliche statt hektischer Entladungen
in alle Richtungen.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.perlentaucher.de
Helden
der Nacht - We Own the Night
USA 2007
- Originaltitel: We Own the Night - Regie: James Gray - Darsteller: Joaquin
Phoenix, Mark Wahlberg, Eva Mendes, Robert Duvall, Vadim Nezhinski, Danny Hoch,
Oleg Taktarov, Moni Moshonov, Antoni Corone - Prädikat: wertvoll - Länge:
113 min. - Start: 21.2.2008
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