Der Herr der Ringe - Die Gefährten
"Der Ring fiel in die Hände des wohl unmöglichsten Wesens, das man
sich vorstellen kann." Ein Satz aus dem Präludium der wohl
monumentalsten Fantasyverfilmung bis dato, der nicht nur auf einen
der Hobbits im "Herrn der Ringe" zutrifft, sondern auch auf den
Regisseur, Peter Jackson. Denn eigentlich müsste es doch verwundern,
dass ausgerechnet ein als etwas verschroben geltender Filmemacher aus
Neuseeland, der bislang lediglich einige herbe Splatterfilme („Bad
Taste“, „Brain Dead“) und einen vielgelobten, aber erfolglosen
psychologischen Thriller (Heavenly Creatures) inszenierte, mit dem
wohl umfangreichsten Projekt der Filmgeschichte beauftragt wurde.
Doch das Unmögliche geschah: Peter Jackson gelang es, Saul Zaentz die
Rechte an der Realverfilmung zu entlocken, der sich nach dem Flop der
Zeichentrickverfilmung von Ralph Bakshi gegenüber weiteren
Leinwandprojekten sehr reserviert gezeigt hatte, und Jackson
unterzeichnete einen Vertrag bei New Line Cinema. Das kleine
Filmstudio (welches mittlerweile von AOL Time Warner geschluckt
wurde) und der Außenseiterregisseur machten sich daran, einen
Streifen zu realisieren, für den der Begriff "Monumentalfilm" neu
definiert werden muss. Für jedes Buch innerhalb des "Herrn der Ringe"
wurde ein eigener Film reserviert, und alle drei Teile wurden in 274
Drehtagen in Neuseeland am Stück gefilmt. Das ohnehin schon
gigantische Budget von rund 300 Millionen Dollar (ohne Werbekosten)
erscheint noch größer, wenn man bedenkt, dass die Produktionskosten
in Neuseeland nur ungefähr halb so hoch sind wie in Hollywood. Als
dann um Weihnachten 2001 der erste Teil der Trilogie in die Kinos
kam, stellte sich die bange Frage: Wird der Film grandios, oder
grandios scheitern?
Einfach macht es die Buchvorlage dem Regisseur nicht. Zwar sieht die
grundsätzliche Geschichte auf den ersten Blick recht simpel aus: Der
Hobbit Frodo (Elijah Wood) bekommt vom weisen Magier Gandalf (Ian
McKellen) einen geheimnisvollen Ring anvertraut, der diesen wiederum
von Frodos Onkel Bilbo (Ian Holm) erhalten hat. Dieser "Eine Ring"
wurde vor Jahrtausenden vom dunklen Herrscher Sauron geschmiedet, um
die Völker „Mittelerdes“ zu unterjochen. Seine dunkle Macht verdirbt
jeden, der den Ring anlegt. Nun liegt auf Frodo und seinen Gefährten
die schwere Bürde, den Ring zurück an seinen Ursprungsort im Lande
Mordor zu bringen und dort in den ewigen Feuern des Schicksalsbergs
zu vernichten. Diese Grundkonstruktion wird aber durch eine Unmenge
von Nebencharakteren und phantastischen Episoden ergänzt. J.R.R.
Tolkien siedelte sie in einem komplexen Kosmos verschiedener Völker
und Kulturen an, die allesamt mit schon fast akribischer
Detailversessenheit ausgearbeitet wurden - bis hin zu
unterschiedlichen Sprachen.
Von Anfang an war klar, dass auch bei insgesamt rund 9 Stunden
Laufzeit sich der "Herr der Ringe" nicht vollkommen werkgetreu
verfilmen lassen würde. Doch Peter Jackson ließ sich von den
Begehrlichkeiten, die ihm von den verschiedensten Seiten
entgegenschlugen, nicht irre machen und schrieb zusammen mit seiner
Ehefrau Frances Walsh ein Drehbuch, das nicht nur einfach bestimmte
Szenen weglässt, sondern vielmehr eine eigenständige Interpretation
des "Herrn der Ringe" darstellt. Für Tolkien-Puristen sicherlich eine
schwere Prüfung: Figuren wie Tom Bombadil werden weggelassen,
Abschnitte, die im Buch gut und gerne hundert Seiten umfassen, auf 15
Minuten gekürzt, andere Figuren ausgebaut und Handlungsstränge
verschoben. Kann ein so gewagtes Vorgehen gelingen? Es gelingt, und
zwar auf ganzer Linie. Dass Jackson den (raren) Frauenfiguren im
"Herrn der Ringe" mehr Gewicht und Persönlichkeit verleiht, ist eine
weise Entscheidung und bei allen Kürzungen gelang es dem Ehepaar, den
Geist von Mittelerde gut auf die Leinwand zu transferieren.
Ebenfalls verhinderte Jackson effektiv, dass aus dem Film eine
Hollywood-Großproduktion von der Stange wurde. Sicher, "Der Herr der
Ringe" ist ein riesiges Spektakel, welches die Messlatte für das
technisch Machbare weiter nach oben schiebt. Atemberaubende
Kamerafahrten durch die Festung und Verliese des von der Macht
Saurons korrumpierten Saruman (Christopher Lee) lassen selbst
Effektspektakel wie "Star Wars - Episode 1" blass aussehen. Hinzu
kommen noch die wunderschönen Landschaftsaufnahmen, die belegen,
welch gute Wahl Neuseeland als Filmort war. Der feine Blick für
Details ist aber nur ein Indiz dafür, dass hier jemand am Werk war,
der Filmemachen deutlich ernster nimmt, als es in der weichgespülten
Hollywood-Welt sonst der Fall ist. So sind die Effekte keineswegs
selbstzweckhafte Muskelspielereien: Dies zeigt sich daran, dass der
aufwändigste Effekt im "Herrn der Ringe" vollkommen unauffällig ist:
Die erst mit Computerhilfe in monatelanger Arbeit überzeugend
realisierbare Verkleinerung der Hauptdarsteller auf Hobbit-Format.
Verblüffend erscheint, wie es Jackson gelingen konnte, bei einem
derartigen Filmprojekt, welches durchaus seine kommerzielle
Verwertbarkeit im Blick behalten muss (wäre der Film gefloppt, wäre
New Line Cinema bankrott), den streckenweise enorm düsteren Tonfall
der Romanvorlage konsequent durchzuziehen, ja sogar auszubauen. Die
Macht des Rings erhält in der Jackson-Interpretation deutlich mehr
Gewicht, mit seinem eindringlichen Flüstern wird er zu so etwas wie
einem Nebendarsteller - er hat beispielweise in "Die Gefährten" mehr
Kameraeinstellungen als Nebenfiguren wie Legolas (Orlando Bloom).
Auch die zahlreichen Kämpfe beeindrucken durch ihre kompromisslose
Inszenierung: Seit "Excalibur" und "Braveheart" ist es wohl niemanden
mehr gelungen, Schlachtengetümmel derart "schmutzig" und deshalb
überzeugend zu inszenieren.
"Der Herr der Ringe" ist ein monumentaler Film zu einem monumentalen
Buch. Rund drei Stunden lang lässt Peter Jackson dem Zuschauer kaum
eine Verschnaufpause, andererseits gelingt es dem Regisseur ohne
größere Schwierigkeiten, uns die Charaktere trotz der dicht
gedrängten Handlung ans Herz wachsen zu lassen. Dies ist mit
Sicherheit auch ein Verdienst der gut ausgewählten Schauspielerriege.
Über einige Besetzungen kann man vortrefflich streiten, doch gerade die Hauptfiguren des ersten
Buches, Frodo und Gandalf erweisen sich als Volltreffer: Einen
besseren Gandalf als Ian McKellen kann man sich kaum vorstellen, er
geht vollständig in seiner Rolle auf. Elijah Wood lässt uns die
Verantwortung, die auf diesem kleinen Hobbit liegt, fast körperlich
spürbar werden.
Zusammen mit seinen Schauspielern gelingt es Peter Jackson einen
atmosphärisch ungeheuer dichten Film zu schaffen, der aber nicht nur
etwas fürs Auge ist, sondern auch viele Interpretationsmöglichkeiten
bietet. Über die teilweise gewagten Drehbuchänderungen wird in der
Tolkien-Fangemeinde sicher noch lange diskutiert werden, viel
interessanter sind jedoch andere Aspekte des Films. Die Geschichte
von der Initiation eines Hobbits - der ja eigentlich nichts anderes
als die Quintessenz des spießigen Bürgertums ist - wirft nicht nur
Fragen nach den Motiven unsres Handelns und grundsätzlichen Werten
wie Freundschaft, Treue oder Opferbereitschaft auf. Peter Jackson
akzentuiert vor allem eine Botschaft, die in Zeiten, in denen
Begriffe wie "Engagement" geradezu zu Schimpfwörtern verkommen sind,
schon fast unverfroren idealistisch daherkommt. Galadriel (Cate
Blanchett) wird zum Sprachrohr dieser Botschaft, wenn sie Frodo in
der Orginalversion sagt: "Even the smallest person can change the
course of the future." Nachdem wir es in den Neunzigern gewohnt
waren, im Film so gut wie alles nicht ohne eine gehörige Portion
Sarkasmus und Ironie serviert zu bekommen, mag so manchen Zuschauer
der schon fast heilige Ernst, mit dem Jackson seine Botschaften im
"Herrn der Ringe" transportiert, zunächst irritieren. Doch auf diese
Weise hat er, ohne es im fernen Neuseeland wissen zu können, dem
hierzulande beschworenen Abgesang auf die Spaßgesellschaft einen
passenden Film zur Seite gestellt. Schluss mit lustig.
Daniel Möltner
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-Archiv mehrere Kritiken.
Originaltitel: The lord of the rings - the fellowship of the ring
USA/Neuseeland, 2001, 178 min, FSK 12
Darsteller:
Elijah Wood - Frodo Beutlin
Ian McKellen - Gandalf
Viggo Mortensen - Aragon
Sean Astin - Samwise 'Sam' Gamgee
Liv Tyler - Arwen Undómiel
Cate Blanchett - Galadriel
John Rhys-Davids - Gimli
Billy Boyd - Peregrin 'Pippin' Took
Dominic Monaghan - Meriadoc 'Merry' Brandybock
Orlando Bloom - Legolas
Sean Bean - Boromir
Ian Holm - Bilbo Beutlin
Christopher Lee - Saruman
Regie:
Peter Jackson
Drehbuch:
Frances Walsh, Peter Jackson, Philippa Boyens
nach dem Roman von J.R.R. Tolkien
Musik:
Howard Shore
Songs von Enya