zur startseite
zum archiv
Herr Vig und die Nonne
Vor Jahrzehnten hat Herr Vig,
jetzt 82 Jahre alt, im heimischen Dänemark ein Schloss gekauft. Es ist
verfallen und verfällt. Herr Vig aber hat einen Plan, von dem man schwerlich
wird behaupten können, er habe sich aufgedrängt. Er will sein Schloss
zum Kloster machen - für die russisch-orthodoxe Kirche. Der Patriarch in
Moskau bedankt sich per Brief und schickt zwei Nonnen vorbei. Die stellen fest:
Kalt ist's im Schloss, das eher eine Schlossruine ist, und was tun die ganzen
Buddha-Statuen in den Räumen, aber alles in allem ist das hinzubekommen.
Die Nonnen verschwinden, die Heizung wird repariert, die Zeit vergeht, Herr
Vig, der von Anfang an seltsam war, wird immer seltsamer. Und dann kommt Amvrosya.
Amvrosya ist eine russisch-orthodoxe Nonne, die resolut den Umbau
der Ruine zum Kloster in Angriff nimmt. Ein Raum wird zur Kirche bestimmt, ein
schwer ornamentales Holzkreuz wird aufgestellt. Herrn Vig, den Amvrosya aufs
Reizendste immer mal wieder auslacht, ist das nicht geheuer. Später wird
er vorschlagen, draußen im Garten eine richtige Kirche zu bauen und die
im Schloss wieder aufzugeben. Ausgeschlossen, erklärt Amvrosya, wo einmal
Kirche ist, wird immer Kirche sein. Russisch-orthodoxes Grundgesetz. (Das wird
schon stimmen, aber man traut ihr durchaus zu, dass sie ihm da einen Bären
aufbindet.) Herr Vig staunt, aber er fügt sich. Widerstrebend. Er ist ein
misogyner alter Mann. Seiner Erfahrung nach, die er freilich nicht hat, ist
Sex eine so überflüssige wie unangenehme Angelegenheit. Was auch mit
der Nase zu tun hat. Denn neben manch weiterem unliebenswürdigen Zug hat
Herr Vig eine echt seltsame Nasenfixierung. Wahrscheinlich konnte er, sagt er,
seine Mutter nicht lieben, weil ihm ihre Nase nicht gefiel. Die Vaternase aber,
die war wunderbar!
Tragen Herr Vig und seine Kloster-Idee
und seine Nasenfixierung einen ganzen Dokumentarfilm? Freundlich gesagt: eher
nicht. Herr Vig, über den man eigentlich nichts Böses schreiben sollte,
denn er ist inzwischen verstorben, gehört zu der Sorte Menschen, die desto
uninteressanter werden, je näher man ihnen kommt. Umso erstaunlicher, dass
die Regisseurin Pernille Rose Gronkjaer darauf beharrt, ihn und ihn allein zum
Fokus ihres Films zu machen. Sie fragt ihn dies, sie fragt ihn das und immer
redet Herr Vig nur Stuss. Und nebenbei wirbelt eine auf den ersten Blick schon
faszinierende Figur wie die Nonne Amvrosya durchs Bild, findet Herrn Vig immerzu
angemessen lustig, und doch wird sie von der Regisseurin sträflich ignoriert.
Lieber schneidet Gronkjaer noch eine und noch eine meditative Naturaufnahme
dazwischen und kippt ordentlich orchestrale Musiksoße darüber, als
wäre ihr stieseliger Vig die ganz große Oper. Das ist er nicht. Er
ruhe trotzdem in Frieden.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Herr Vig und die Nonne
Dänemark 2006 - Originaltitel: The Monastery / Hr. Vig og nonnen - Regie: Pernille Rose Grønkjær - Darsteller: (Mitwirkende) Jørgen Laursen Vig, Schwester Amvrosija - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 84 min. - Start: 7.2.2008
zur startseite
zum archiv