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High
Crimes
Frau
in Not
Das amerikanische Kino arbeitet gerne mit überraschenden
Wendungen. Der regelmäßige Kinogänger hat deshalb das Problem,
dass er die meisten Überraschungen schon kennt. Sobald wir zu Beginn eine
erfolgreiche Frau sehen, die alles hat - gerade einen tollen Fall gewonnen,
ein tolles Haus und natürlichen einen tollen Ehemann, und wenn dann noch
Weihnachten ist und das saubere Glück nur so blitzt und glänzt, dann
wissen wir natürlich: Es dauert nur noch wenige Minuten, und etwas Schlimmes
passiert. In "High Crimes" wird plötzlich der Ehemann der erfolgreichen
Rechtsanwältin Claire (Ahsley Judd), Tom (Jim Caviezel), verhaftet. Das
ist nichts Ungewöhnliches, denn das amerikanische Kino liebt es, den erfolgreichen
Frauen zu zeigen, dass sie in der Liebe blind sind; die Verwandlung der tollen
Ehemänner in gemeine Verbrecher gehört zur Standardsituation und war
zuletzt wieder in "Genug" mit Jennifer Lopez zu besichtigen. Wobei
in "High Crimes" die Ehefrau aber fest an die Unschuld ihres Mannes
glaubt. Selbst wenn er eigentlich ein anderer ist, muss er nicht gleich der
Kriegsverbrecher sein, der vor 15 Jahren bei einem Militäreinsatz in El
Salvador ein Massaker an Zivilisten verübt hat.
Claire will ihn also vor dem Militärgericht
verteidigen. Eine zierliche Frau unter lauter uniformierten Männern - wir
sind im "Frau in Not"-Genre. Gott sei Dank findet sie Hilfe in Morgan
Freeman als Charles Grimes. Er gibt die Rolle des versoffenen und verwahrlosten
Rechtsanwalts, der nun noch mal zur alten Größe zurückfindet,
mit genau jener Spur von Müdigkeit an diesem Klischee, die wir auch empfinden.
Von
ihm stammt allerdings das schönste Zitat des Films: "Military justice
is to justice, what military music is to music."
Zusammen mit weiteren Nebenfiguren, die ähnlich
bekannt wirken aus "Funk und Fernsehen", strengen sie sich im Namen
der Gerechtigkeit an. Es gibt schöne Szenen glücklicher Teamarbeit;
verwirrende Spuren werden gefunden und verfolgt, überraschende Zeugen tauchen
auf und verschwinden wieder, der Fall weist schließlich verdächtig
nach ganz oben. Kurz vor dem Ziel greift Grimes wieder zur Flasche, aber gerade
noch rechtzeitig lässt er das Trinken auch wieder sein. Und dann, ganz
am Ende, kommt noch einmal eine jener erwarteten überraschenden Wendungen,
für die jede zuvor aufgebaute Logik geopfert wird. Aber auch das überrascht
uns nicht mehr.
Barbara Schweizerhof
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
High
Crimes - Im Netz der Lügen
USA
2002 - Originaltitel: High Crimes - Regie: Carl Franklin - Darsteller: Ashley
Judd, Morgan Freeman, Jim Caviezel, Adam Scott, Amanda Peet, Bruce Davison,
Tom Bower, Juan Carlos Hernández - Prädikat: besonders wertvoll
- FSK: ab 12 - Länge: 115 min. - Start: 24.10.2002
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