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The
Hills have Eyes (2006)
In seinem berühmten Essay "An Introduction
to the American Horror Film" beschrieb der Filmtheoretiker Robin Wood Wes
Cravens Kannibalenfamilie aus „The
Hills have Eyes“ (1977) Ende der
Siebziger Jahre als „Rückkehr des Verdrängten“. Inmitten der Wüste
von New Mexico sah sich die amerikanische Kernfamilie den Attacken ihres negativen
Spiegelbildes ausgesetzt: einer Gruppe von Mutanten, die außerhalb der
zivilisatorischen Regeln noch einmal all die Triebe ausleben durften, die ihr
bürgerlicher Widerpart längst domestiziert hatte. Der Siebziger-Jahre-Horrorfilm
war reich an solchen Bilder, von George Romeros Zombiemassen bis Hoopers Leatherface
(„Don’t mess with Texas“). Das genuin Amerikanische dieser kurzen Schockwelle
blutrünstiger Terrorfilme war jedoch, wie sie sukzessive ein Gefühl
von fundamentalem Unbehagen auf die amerikanische Landschaft rückprojizierte.
Thematisch schloss sich ein Kreis von Cravens sadistischem Suburbia-Schocker
„Last house on the Left“ (1972) bis zu Tobe Hoopers Mittelklasse-Horror „Poltergeist“ (1982). Dazwischen begab sich der amerikanische
Horrorfilm kurz mal in die Wüste.
Das Schockierende an Filmen wie „Texas
Chainsaw Massacre“ oder Cravens Frühwerk
war gerade die Irrationalität der Attacken, ihre veritablen Terrorqualitäten,
die in der kurz darauf aufkommenden Slasher- und Zombiefilm-Welle nur noch anhand
reiner Gore-Werte bemessen wurden. Alexander Ajas Remake von „The Hills have
Eyes“ ist zunächst eine Hommage an diese kurze Blütezeit des „American
Horror“. Er funktioniert ähnlich wie Rob Zombies „The
Devil’s Rejects“ als eine originalgetreue
Nachstellung eines äußerst zeitbezogenen Sujets. Die einzigen Hinweise,
dass Ajas Film nicht in den siebziger Jahren spielt, sind iPods und Handys (sogar
der Camper, den sich die Carter-Familie für ihren Überlandtrip zugelegt
hat, ist ein klassischer Airstream).
Die aktuellen politischen Verhältnisse hätten
dem alten culture clash ‚Städter vs Provinzler’ (rote Staaten vs blaue
Staaten?) durchaus etwas Blutauffrischung verschaffen können, doch Aja
entschied sich für eine andere Form der Aktualisierung: seine Mutanten
sind radioaktiv-verstrahlte Minenarbeiter, Opfer der amerikanischen Atombombentests
in den fünfziger und sechziger Jahren. Empathie erfahren sie deswegen noch
lange nicht. Spätestens ab der Hälfte verliert „The Hills have Eyes“
jedoch seinen Schrecken und kippt in ein reaktionäres Revenge Movie um.
Ajas Versuch führt noch einmal deutlich vor Augen, wie schwierig sich der
Transfer von Siebziger-Jahre-Horrorfilmen in die Gegenwart letztlich darstellt
- kulturell wie ästhetisch. Der Soundtrack ist da nur ein Beispiel. Die
Mischung aus alten Country-Songs (Webb Pierces herzerweichendes „More and More“
über eine Montage aus Los Alamos-Footage und Pathologiebildern) und dem
üblichen NuMetal-Gebolze ist eine Geschmacksverirrung, die den Film streckenweise
schwer erträglich macht.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
The
Hills Have Eyes – Hügel der blutigen Augen
THE HILLS HAVE EYES
USA 2006 - Regie: Alexandre Aja - Darsteller: Aaron Stanford, Kathleen Quinlan, Vinessa Shaw, Emilie de Ravin, Dan Byrd, Tom Bower, Billy Drago, Robert Joy - FSK:
keine Jugendfreigabe, feiertagsfrei - Länge: 107 min. - Start: 23.3.2006
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