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The
Hills Have Eyes - Hügel der blutigen Augen
(2006)
Die
Flut von Horrorremakes reißt nicht ab: Nach The
Fog im
Januar, lief Ende März die Neuauflage von Wes Cravens The
Hills have Eyes
(1977)
in den deutschen Kinos an, gut zwei Wochen später erschien das Herrshell
Gordon Lewis-Remake 2001
Maniacs als
DVD-Premiere und für den 6.6.06 (wie originell!) kündigt sich ein
neues Omen
an.
Die
Vermarktungsstrategie hinter der Recyclingmaschinerie ist leicht zu durchschauen.
Sollen die Neuverfilmungen doch nicht allein betagtere Gorehounds, die mit den
Originalen aufgewachsen sind in die Multiplexe und Videotheken ziehen, sondern
auch und vor allem ein jüngeres Publikum erreichen, dass mit 30 Jahre alten,
ausschließlich mit No-Names oder Laien besetzten und technisch für
heutige Standards meist dilettantischen Low-Budget-Produktionen wohl nicht mehr
sonderlich viel anfangen kann. Freilich: Würde es bei all diesen Filmen
um nichts anderes gehen als alte Geschichten an neue Sehgewohnheiten anzupassen,
um mit alten Titeln neues Geld zu verdienen, dann bräuchte man über
die Remakewelle eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren.
Wesentlich
interessanter als die ästhetische Erneuerung könnte die ideologische
sein. Bildeten doch die US-amerikanischen Splatterfilme der späten sechziger
und siebziger Jahre ein Spiegelbild der kollektiven Ängste und des traumatischen
Erlebens von Gewalt eines Landes, das durch Vietnam und Watergate in eine tiefe
Identitätskrise gestürzt worden war. Einerseits wurde der Rückkehr
des Vergangenen und Verdrängten, also dem
Motiv des Horrorgenres schlechthin, eine historische oder politische Dimension
verliehen, andererseits fand ein tiefes Misstrauen gegenüber staatlichen
Instanzen seinen Ausdruck. In 2000
Maniacs
(1964) kehrt die Bevölkerung eines Südstaatenkaffs aus dem Grab zurück,
um sich an durchreisenden Nordstaatlern für ein Massaker, das während
des amerikanischen Bürgerkriegs verübt wurde, zu rächen. In Night
of the Living Dead
(1968;
bereits 1990 neu verfilmt) lässt menschliches Versagen die Toten wiederauferstehen
und der Film legt an einer Stelle (bezeichnenderweise in Form einer Fehlleistung)
nahe, dass er als Allegorie auf den Vietnamkrieg zu verstehen sei. In The
Texas Chainsaw Massacre
(1974;
Remake: 2003) und Martin
(1977; zum Glück bislang nicht neu verfilmt) verfallen aufgrund von Arbeitslosigkeit
und Landflucht ganze Landstriche in Elend und Barbarei und in The
Hills have Eyes sind
geheime Atombombentests schuld an der Tragödie, die eine Familie ereilt.
(Mit Außerirdischen, wie es die deutsche Synchronisation weismachen will,
hat das Ganze ursprünglich übrigens nichts zu tun).
Ob
wir Zuschauer etwas davon haben, dass man sie uns noch einmal erzählt,
die Geschichten vom Grauen aus dem Nebel, der degenerierten Hinterwäldlerfamilie
oder den Zombies im Kaufhaus, hängt wohl nicht zuletzt davon ab, wie sich
die Remakes zu den zeitgeschichtlichen Konnotationen ihrer Vorbilder verhalten.
Wie sie diese verarbeiten und/oder aktualisieren. So verzichtete Zack Snyder
in seinem intelligenten Dawn
of the Dead-Remake
auf Romeros Konsumismuskritik und thematisierte stattdessen den Zusammenbruch
gewisser, heute allzu selbstverständlicher Kommunikationssysteme, die 1978
noch Zukunftsmusik waren.
Der französische Regisseur Alexandre Aja und sein Drehbuchautor Gregory Levasseur halten sich in ihrem Remake von The Hills Have Eyes einerseits streng an das Original, besonders was dessen „Zivilisierungs“-Diskurs und die – buchstäbliche – Zerlegung der stereotypen amerikanischen Kleinbürgerfamilie angeht, andererseits zeigen sie sich – vielleicht etwas zu – bemüht, um politische Aktualisierung. Das belegt bereits der Vorspann, in dem ein Country-Song über das Vergessen Bilder von Atombombenabwürfen und körperlichen Deformationen konterkariert.
Mr.
und Mrs. Carter feiern Silberhochzeit. Zusammen mit dem pubertierenden Sohn
Bobby, seiner etwas älteren Schwester Brenda, der ältesten Tochter
Lynn mit ihrem Mann Doug Bukowski und dem gemeinsamem Baby, sowie den beiden
Schäferhunden Beauty und Beast geht es im Wohnmobil unter gehissten Stars
and Stripes in
Richtung Kalifornien. Ungünstig nur, dass sie sich gerade in dem Teil der
Wüste Neumexikos verfahren, in dem die Regierung in den Fünfzigern
geheime Nuklearwaffentests durchführte. In einem verlassenen Dorf und den
umliegenden Höhlen versteckt sich eine Familie, deren Mitglieder durch
die Strahlung mutierten und die nun auf verirrte Reisende wartet. Es kommt zu
einem Kampf bis aufs Blut. Das dann auch in Strömen fließt.
Wesentlich
mehr Platz als das Original räumen Aja/Levasseur dem Generationskonflikt
innerhalb der Familie ein, namentlich dem Streit zwischen Mr. Carter und seinem
Schwiegersohn, der seinen Nachnamen wohl nicht von ungefähr trägt.
Während der patriarchalische Ex-Cop und Waffennarr „Big Bob“ als erster
ermordet wird, ist es gerade der liberale und pazifistische Doug, der sich im
blutrünstigen Show-down behaupten muss. Nicht von ungefähr erinnert
seine zerschlagene Brille dabei an das Filmplakat zu Peckinpahs Straw
Dogs.
Die bedrohliche Natur (the hills have eyes) mit ihren unheilverkündenden
Vögeln und ihren todbringenden Bestien muss besiegt werden. Dies gelingt
nicht zuletzt durch Domestizierung: In entscheidenden Momenten werden ein Schäferhund
und die kleine Tochter der Wüstenfamilie zu Helfern im Kampf gegen das
Böse.
Doug
besiegt die Bestien der Vergangenheit, indem er dem Tier in sich selbst freien
Lauf lässt, er überwindet den bösen Schwiegervater, indem er
in dessen Rolle schlüpft. Wo Craven seinen Film, ehe die letzten Schreie
verklungen und die Reste der Familie wiedervereint waren, abrupt in einer Rotblende
enden ließ, darf der neue Held sein gerettetes Baby heroisch gen Himmel
strecken als Zeichen seines Triumphes. Erneuerung kann also nur durch die Zerstörung
und gleichzeitige Aneignung des Alten stattfinden, und so lässt sich durch
ein abschließendes Hochhalten der familiy
values wohl
noch jedes Blutbad in irgendeiner gottverdammten Wüste auf diesem Planeten
rechtfertigen.
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
THE HILLS HAVE EYES
USA 2006 - Regie: Alexandre Aja - Darsteller: Aaron Stanford, Kathleen Quinlan, Vinessa Shaw, Emilie de Ravin, Dan Byrd, Tom Bower, Billy Drago, Robert Joy - FSK:
keine Jugendfreigabe, feiertagsfrei - Länge: 107 min. - Start: 23.3.2006
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