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The Hills Have Eyes 2 

„Wir müssen wieder barbarisch werden, um den Barbaren angemessen begegnen zu können!“ Diese (erschreckende) Botschaft formulierte 1977 Wes Cravens Low-Budget-Klassiker „Hügel der blutigen Augen“ (fd 22 052), als es die in der Wüste von Nevada von atomar verseuchten Mutanten attackierte Durchschnittsfamilie Carter ihren Peinigern lustvoll mit gleicher Münze heimzahlte. Diese Geschichte wurde im Alexandre Ajas Remake im Jahr 2006 (fd 37 536) noch einmal, aber ungleich drastischer in Sachen „Gore“ erzählt, mit größerem Budget und einigem Raffinement in Sachen Ausstattungsfantasie – und war ein solcher Kassenerfolg, dass die Fortsetzung nicht lange auf sich warten lässt. Fürs Drehbuch zeichnen Wes Craven (für den das Remake eine Abkehr von der ironisch doppelt bis dreifach codierten „Scream“-Trilogie war) und sein Sohn Jonathan verantwortlich, während als Regisseur Martin Weisz verpflichtet wurde, dem der Ärger um den Kannibalen-Thriller „Rohtenburg“ (fd 37 507) in der Branche offenbar nicht geschadet hat. Weisz scheint seine Thematik gefunden zu haben.

 

Die Fortsetzung von „The Hills Have Eyes“ ist tatsächlich ein Sequel: Die Geschehnisse um die Carters liegen erst kurz zurück, als ein Gruppe von Wissenschaftlern im mysteriösen Sektor 16, einem lebensfeindlichen Terrain für Atomwaffenversuche, bestialisch massakriert wird. Als der Kontakt abreißt, werden junge Nationalgardisten, die gerade erst für den Einsatz in Kandahar ausgebildet werden sollten und deren Geschick bei den gezeigten Übungen noch der Verbesserung bedarf, in das steinige Wüstengebiet geschickt, das durchaus auch in Afghanistan, im Iran oder Irak liegen könnte. Es geht diesmal also nicht um die (blutige) Auseinandersetzung zweier Familienverbände – die Norm und deren Pervertierung –, sondern um eine Attacke auf eine militärische Zweckgemeinschaft durch „das Andere“, das Fremde. Während die Nationalgardisten ausgewogen nach den Kriterien Geschlecht, Rasse und Temperament rekrutiert wurden, bleibt die Mutantenfamilie im Gegensatz zum Vorgänger (zum Vorvorgänger aus dem Jahr 1977) strukturell schemenhaft. Die jungen Soldaten begehen fast schon aberwitzige Fehler, als sei ihre Ausbildung spurlos an ihnen vorüber gegangen (und als hätten sie niemals im Autokino die „Scream“-Regeln vorgeführt bekommen): Sie trennen sich, lassen sich ihre Waffen stehlen und begeben sich in ein labyrinthisches Netzwerk unterirdischer Minengänge; somit wird den Mutanten ihre Arbeit fast schon skandalös einfach gemacht.

 

Weisz und die Special-Effects-Abteilung sparen nicht an drastischen Bildern, während die Handlung eher an eine beliebige Computerspiel-Dramaturgie erinnert, bei der verschiedene Aufgaben gelöst werden müssen. Durch die weitgehende Ausblendung der Familienthematik und durch den kaum ausgeführten Konflikt, dass die Mutanten einst selbst Opfer der Gesellschaft wurden (im Vorgänger lautete der Vorwurf der Freaks noch explizit: „Was wir wurden, wurden wir dank Euch!“) und als leidende Kreaturen durchaus nachvollziehbare Rachebedürfnisse haben, verschenkt der Film sein subtextuelles Potenzial. Dass die Opfer dann zu über sich selbst staunenden Tätern werden, die Schädel zermatschen, Geschlechtsteile mit Vorschlaghämmern traktieren, Hirnstücke aus Wunden klauben und Bajonette in die Münder Sterbender rammen, vollendet den hier verhandelten Initiationsritus der Überlebenden: Sie wären jetzt also bereit, für Kandahar (oder den dritten Teil von „The Hills Have Eyes“).

 

Ulrich Kriest

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-dienst

 

The Hills Have Eyes 2

USA 2007 - Regie: Martin Weisz - Darsteller: Jessica Stroup, Reshad Strik, Michael McMillian, Daniella Alonso, Jacob Vargas, Lee Thompson Young, Michael Bailey Smith, Ben Crowley, Eric Edelstein - FSK: keine Jugendfreigabe - Länge: 89 min. - Start: 29.3.2007

 

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