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Hitman
Kein Boll-Werk
Videospielverfilmungen sind immer ein gewagtes Unterfangen.
Zwar hat die Spielewelt schon Geschichten von epischer Breite gesehen und filmreife
Zwischensequenzen aufgefahren, die geradezu einen zweiten Blick erfordern, um
sie von "Matrix" zu unterscheiden. Das ändert jedoch nichts
an dem Umstand, dass sich das Spiel doch deutlich schwieriger in einen Film
transformieren lässt als ein Film in ein Spiel. Letzteres lebt von der
eigenen Verwicklung des Spielers in das Medium, um die ein Rahmen mit Plot aufgefüllt wird; es kann niemals
so viel erzählen wie ein Film. Es ginge im Prinzip gar ohne Erzählung.
Bei der Filmrezeption fehlt jene Interaktion. Es ist wohl die Hauptaufgabe beim
Spiel-Verfilmen, die fehlende Interaktion mit vorlagengetreuen Details zu kompensieren;
erkennt der Spieler sein Spiel im Film, hat dieser eigentlich schon viel gewonnen.
Andererseits muss es ja auch noch so etwas wie eine filmische Grundqualität
geben, um vor allem die Nicht-Spieler zufrieden zu stellen. Man kann also nicht
einfach nur einen guten Film drehen, man muss zusätzlich die Spielidentifikation
gewährleisten, will man nicht Gefahr laufen, von tobenden Gamern bis an
sein Lebensende Drohbriefe zu erhalten.
Verdammt verzwickter Balanceakt
- videospielverfilmende Regisseure können fast nur verlieren. Man stelle
sich außerdem vor, beim zu verfilmenden Gegenstand handle es sich um einen
Shooter, in Deutschland Killerspiel genannt. Man stelle sich weiterhin vor,
dass es in dieser Vorlage kein mutiertes Alienrobotervolk zu fraggen gilt, sondern
dass Pixelmenschen als Opfer herhalten. Oder um es konkret zu sagen: Wir sind
ein geklonter glatzköpfiger Profikiller, der Zielpersonen aus dem weltlichsten
Grund der Welt - Geld - tötet. Von lautloser Ninjastrategie bis hin zum
gepflegten Amoklauf à la Augen-zu-und-durch bleibt die Wahl für
den Lösungsweg allein dem Spieler überlassen. Die geräuschloseste
Variante bildet das Ideal, denn das Spiel legt Wert auf Authentizität:
Wie im wahren Leben eines Profikillers machen viele Leichen viel Dreck. "Hitman"
unter der Regie von Xavier Gens folgt nicht immer der optimalen Taktik.
Agent 47, Killer aus der Retorte,
tarnt sich wenig und zieht gelegentlich seine Silverballers. Der hier begangene
Lösungsweg, der in der Spielreihe eher mit dem Status "Metzger"
oder "Soziopath" quittiert werden würde, spiegelt den Status
quo der Action wider. Ballern, etwas Handlung vorantreiben, Ballern, Handlung
schleppen, mit Schwertern andere Hitmans filetieren, Handlung auf der Schulter
ins Ziel tragen. Es geht um einen unbedeutenden, für eine Spielverfilmung
jedoch durchaus bemühten Agentenplot um politische Verschwörungen
und geheimdienstlichen Hahnenkampf zwischen Interpol und FSB.
Mit der Unmoral des Spiels wurde
dergestalt umgegangen, dass sie in die Genregepflogenheiten des Actionfilms
überführt wurde. Wenn auch polizeiliche Kräfte von den Kugeln
des Glatzkopfes nicht verschont werden, dann unter der suggerierten Prämisse
einer paradoxen Verteidigungssituation. Üblicherweise aber trifft es Waffenhändler,
Killer und andere Gestalten mit befleckten weißen Westen. Diese Actionmoral
hat viel mit ähnlichen Agententhrillern gemein, mit dem gerne angebrachten
Jason Bourne ist 47 von seiner Anlage her allerdings nicht vergleichbar. Er
ist ein Zyniker vor dem Herrn. Wenn der Profikiller mit dem eintätowierten
Barcode im Nacken bei seiner Flucht durch ein Hotelzimmer auf zwei Jugendliche
stößt, die einen der "Hitman"-Teile gerade spielen, dann
kommt das der Selbstironie der Spiele schon recht nahe. Dagegen hätten
die Produzenten alles falsch gemacht, würde 47 in die Fußstapfen
eines Sprüche klopfenden "Stirb
Langsam"-McClanes treten.
Besonders das Verhältnis
zu Frauen portraitiert die Verfilmung treffend. In den ersten drei virtuellen
"Hitman"-Veröffentlichungen tauchte stets eine attraktive Prostituierte
auf, die um die Hilfe des Misanthropen bat. Im dritten Teil war es - wie immer
- dem Spieler überlassen, ob er sich sein Herz erweichen ließ, für
den Spielverlauf war dies nie von Belang. So blieb es allein seine Entscheidung,
die Schöne infolge eines missglückten Balkonsprunges hinaufzuziehen
oder einfach in die Tiefe stürzen zu lassen. Wie sieht es im Film hinsichtlich
des Umgangs mit Frauen aus? Die Prostituierte sitzt lasziv auf dem Schoß
des Hitmans, oben ohne, ein göttliches Abbild der Verführung. Was
macht der Glatzkopf? Er zückt die Betäubungsspritze. Sex ist die Sache
des Retortenkillers nicht.
Dennoch ringt sich 47 gerade nicht
zuletzt für sie Anflüge von Menschlichkeit ab. So ist die Verfilmung
ein - notwendiger - Kompromiss aus massentauglichen Zugeständnissen und
ursprünglichem Pixelzynismus. Nicht jeder Spielunkundige wird sich an der
gelegentlich harten Gangart erfreuen, wie auch nicht jeder eingefleischte Spielfan
den zuweilen menschelnden Zügen Timothy Olyphants etwas wird abgewinnen
können. Videospielverfilmende Regisseure können fast nur verlieren.
Der Tatsache zum Trotz, dass hier kein neuer Stern am Actionhimmel erleuchtet
und auch "Silent Hill" als Primus der Videospielverfilmungen unerreicht bleibt,
kann die Spielfangemeinde sich aber zweifellos erleichtert fühlen über
die Nichtverpflichtung Uwe Bolls als Regisseur und sich sodann an der Übernahme
einiger Details und Gimmicks erquicken: an Diana von der Agency, an einem ähnlich
gelagerten, wenn auch nicht ganz so edlen Soundtrack, am originalgetreuen Anzug
samt knallroter Krawatte und am Gang des Hitmans, an einer Verfilmung der Finalmission
aus "Contracts" und sogar: am gelben Quietscheentchen.
Daniel Szczotkowski
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.ciao.de
Hitman
- Jeder stirbt alleine
Frankreich
/ USA 2007 - Originaltitel: Hitman - Regie: Xavier Gens - Darsteller: Timothy
Olyphant, Dougray Scott, Robert Knepper, Olga Kurylenko, Ulrich Thomsen, Michael
Offei, Henry Ian Cusick - FSK: keine Jugendfreigabe - Länge: 92 min. -
Start: 13.12.2007
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