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Die
Hoffnung stirbt zuletzt
Die
Polizei und das Mädchen
Den
Alltag auf dem Revier prägen Männerbünde und Alpha-Tiere: Der
Drehbuchautor Fred Breinersdorfer hat für "Die Hoffnung stirbt zuletzt"
bei den Ordnungshütern geschnüffelt und vier reale Mobbingfälle
verarbeitet
Der
Aufenthaltsraum erinnert an eine Jungsumkleidekabine: Die Luft ist mies, die
Witze sind muffig. Cornelia (Anneke Kim Sarnau) lacht trotzdem höflich,
als sie ein Kollege als "Streifenmieze" tituliert. Die junge Frau
aus der Provinz hat gerade in Hamburg ihren Posten als Polizeimeisterin angetreten,
da will sie nicht zimperlich erscheinen. Immerhin findet sie Trost beim Dienststellenleiter
Eddy (Axel Prahl). Der Mann gibt sich väterlich, doch am Ende eines gemeinsamen
Abends steckt er ihr die Zunge in den Mund. Cornelia stößt ihn weg.
Am nächsten Tag beginnt der beleidigte Leitbulle seine Macht auszuspielen.
Sich
unterordnen oder draufgehen - andere Optionen existieren nicht. Dass Cornelia
am Anfang mit einem Polizisten über die Effizienz von Selbstmordpraktiken
fachsimpelt, ist ein böses Omen. Am Ende wird sie die Technik anwenden,
die ihr Kollege als unfehlbar gepriesen hat.
Mit
tödlicher Zwangsläufigkeit treibt die Handlung voran: Der Freund daheim
in der Kleinstadt serviert sie ab, die Psychologin weist ihr mit ein paar aufmunternden
Worten die Tür, und die einzige Kollegin auf dem Revier beweist wenig tröstliche
weibliche Solidarität: Sie kenne das alles, aber wenn man den Chef mal
rangelassen hätte, würde sich der Trubel wieder legen.
Das
Erregungpotenzial von "Die Hoffnung stirbt zuletzt" ist enorm, da
bedarf es keiner Emotionalisierungseffekte. Nüchtern werden die Unterwerfungspraktiken
eines männerbündisch organisierten Systems protokolliert - von subtilen
Demütigungen bis zu brachialen Machtritualen. Drehbuchautor Fred Breinersdorfer
hat vier aktenkundige Mobbingfälle verarbeitet; außerdem recherchierte
er auf Revieren. Damit man ihn gewähren ließ, gab er vor, an einer
Liebesgeschichte zu arbeiten.
Von
Liebe handelt "Die Hoffnung stirbt zuletzt" allerdings gar nicht.
Stattdessen werden präzise die Stationen eines Isolationsprozesses durchgespielt.
Die Formstrenge erstaunt, wenn man weiß, dass Regisseur Marc Rothemund
vorher den rammeldösigen Pimmelfilm "Harte Jungs" gedreht hat.
Hier nun treibt er mit geometrischer Genauigkeit das Trauerspiel auf seinen
Schlussakt zu. Die Ausstattung ist dabei authentisch bis zum unvorteilhaften
Politessen-Pony der Hauptdarstellerin.
Gebrochene
Lust am Sein
Dass
die verzweifelte Heldin trotz der fallbeispielhaften Verdichtungen ein so starkes
Eigenleben entwickelt, beweist einmal mehr die Präsenz von Anneke Kim Sarnau.
Die gab unlängst in dem Kammerspiel "Das Ende der Saison" eine
Studentin, die im Schatten ihrer sterbenden Mutter eine ungeheuerliche Lust
am Sein entwickelt. Jetzt verkörpert sie mit ähnlicher Dynamik die
Berufsanfängerin, deren Lebensmut mit grausamer Systematik gebrochen wird.
Insofern
geht "Die Hoffnung stirbt zuletzt" weiter als andere Milieustudien
aus dem Polizeialltag: Bei der TV-Produktion "Auf schmalem Grat" etwa
reichte das Mobbingthema nur für ein schwüles Thrillermelodram, und
Andreas Dresen gönnte seiner Protagonistin in "Die Polizistin"
immerhin Momente morbiden Zaubers. Gleichzeitig spiegelt sich der rauhe Realismus
aus Dresens Drama in "Die Hoffnung stirbt zuletzt". Und Axel Prahl
spielte schon in "Die Polizistin" den nölig-freundlichen Beamten.
Doch jetzt verwandelt er sich in ein jähzorniges Alpha-Tier, das fürchtet,
den Respekt der Herde zu verlieren.
Man
wird einfach nicht müde, dem Quadratmännchen, das bald auch noch als
"Tatort"-Kommissar in Münster ermittelt, dabei zuzuschauen, wie
er Polizisten spielt. Er gewinnt dem Streifensheriff ungewöhnliche Facetten
ab: tragisch und piefig, nobel und perfide. So einem traut man zu, über
Leichen zu gehen.
Christian
Buß
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in der:
Die
Hoffnung stirbt zuletzt
Deutschland
2001, Regie: Marc Rothemund, Buch: Fred Breinersdorfer, Kamera: Martin Langer.
Mit: Anneke Kim Sarnau, Axel Prahl, Wotan Wilke Möhring, Barbara Philipp,
Frank Siekel, Irmelin Beringer, Angelika Thomas, Gernot Endemann.
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