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Die
Hollywood-Verschwörung
Tod in Hollywood
Superman ist tot. Und ganz Amerika
ist erschüttert, Kinder verfallen in Depressionen, hat sich doch in jener Nacht
des 16. Juni 1959 gezeigt, dass am „Mann aus Stahl“ eben doch keine Kugeln abprallen
können. Doch war es Mord oder Selbstmord, als George Reeves, Star der „Superman“-TV-Serie,
mit einem Kopfschuss in seinem Bett aufgefunden wurde? Privatdetektiv Louis
Simo ermittelt, das ist der Beginn eines noirischen Dramas. Dem freilich Einiges
fehlt, um die Dämonie und Resignation der originalen Schwarzen Serie zu
erreichen, aber auch des ähnlich gelagerten, ebenfalls einem wahren Verbrechen
nachempfundenen Brian de Palma-Films „Black Dahlia“. Mit diesem teilt
„Hollywoodland“ zwar eine Kriminalstory, die aus einem Klatschspalten-Mordfall
erwächst, die Reflexion über die dunklen Seiten Hollywoods fallen
hier aber weit dünner aus.
In seinem Regiedebüt geht
Allen Coulter seinen Fall von zwei Seiten her an: Er zeigt die Ermittlungen
durch Louis Simo, der zunächst dem Geld, dann der Wahrheit hinterher jagt.
Und er zeigt die Karriere von George Reeves, dem Superman-Darsteller, seine
Affäre mit der Ehefrau des MGM-Vizepräsidenten Eddie Mannix, seinen
Erfolg im Vormittagsfernsehen, seine utopischen, hochfliegenden Pläne.
Eine Verschachtelung zweier Zeitebenen um den Angelpunkt der einen Nacht – freilich,
und das ist das Tragische des Films, erscheint dieses Ineinanderschieben des
Vorher und des Nachher willkürlich, steht der Stringenz der Erzählung
im Wege, verzögert das Tempo und erweckt den Verdacht, dass die Vermeidung
von Chronologie vor allem die Inhaltsleere des Films maskieren soll. Es gibt
in diesem Film keine richtigen Gegenspieler, keine Noir-Femme Fatale; und trotz
der bedeutungsvollen Musik, trotz der bedeutungsvollen Bilder hat der Film doch
kein Ziel außer der Whodunnit-Frage – die in drei Versionen beantwortet
wird, jeweils Vermutungen von Louis Simo nach seinem Stand der Ermittlungen.
Behutsam führt Coulter in
die endfünfziger Jahre ein, ohne den Dekor erdrückend zu gestalten,
ohne den Film in einem Museum spielen zu lassen. Adrian Brody als abgefucktes
private
eye, der
sich halbwegs über Wasser zu halten versucht, Ben Affleck als Schmierendarsteller,
der sich den Fotografen ins Blitzlicht stellt und sich in ambitionierte Rollen
hineinzuschlafen versucht: Das sind interessante Charaktere, und tatsächlich
schafft es Affleck, seine Rolle auszufüllen. Er knüpft an die Leistungen
seiner frühen Kevin-Smith-Filme an, und dabei ist es auf ironische Weise
passend, dass er für diesen Film eine Auszeichnung in Venedig 2006 erhalten
hat – ausgerechnet für die Darstellung eines miesen Schauspielers, den
Affleck mit seinem dumpfen, naiven Blick sehr gut trifft.
Doch je weiter der Film läuft,
je näher sich die Erzählebenen kommen – die Story, die zur Todesnacht
hinführt, die Story, die im Nachhinein das Rätsel aufdecken will –,
desto mehr nehmen Spannung und Interesse ab. Die eine Nacht, die Stunde Null,
verliert für den Zuschauer an Bedeutung, je wichtiger sie den Figuren wird,
ein seltsames Paradoxon, das wohl darauf zurückzuführen ist, dass
die Erzählstrategie von Coulter in seinem Film das Verbergen ist, nicht
das Enthüllen, das dann aber doch auf die eine oder andere Weise kommen
muss.
Am stärksten ist der Film
dann auch, wenn er Seitenblicke weg vom eigentlichen Plot riskiert, wenn er
ein sterbendes Hollywood zeigt, der abgehalfterten Darsteller, die alles für
eine Rolle tun würden, der alten und mächtigen Produzenten, die’s
nicht mehr lange machen werden und längst das Fernsehen als billigen Ersatz
fürs große Kino akzeptiert haben; die sich in mafiöse Strukturen
des Machterhalts geflüchtet haben.
Als George Reeves mit seiner Superman-Rolle
anfängt, darf er nicht etwa das berühmte rot-blaue Kostüm anziehen.
Der Bildkontrast im Schwarz-Weiß-Fernsehen verlangt nach undefinierbaren,
hässlichen Grautönen.
Harald Mühlbeyer
Dieser Text ist zuerst erschienen bei: screenshot
Die
Hollywood-Verschwörung
(Hollywoodland)
USA
2006.
Regie:
Allen Coulter.
Buch:
Paul Bernbaum.
Kamera:
Jonathan Freeman.
Musik:
Marcelo Zarvos.
Produktion:
Glenn Williamson.
Darsteller:
Adrian Brody (Luis Simo), Ben Affleck (George Reeves), Diane Lane (Toni Mannix),
Bob Hoskins (Eddie Mannix), Lois Smith (Helen Bessolo), Robin Tunney (Leonore
Lemmon).
Länge:
126 Minuten - Verleih: Buena Vista - Kinostart: 15.02.2007
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