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The Host
Ein Monster ist immer nur so gefährlich
wie der Kontext, in dem es erscheint. Das Monster in Bong Jon-Hoons Horrofilm
ist ein glitschiges, trampliges, computergeneriertes Wesen vertraut ekliger
Machart, das Kinder verschlingt und keinen Spaß versteht; also erst mal
das Übliche. Jedoch taucht es auf aus dem Han-Fluss in Seoul, in den ein
Koreaner im amerikanischen Auftrag literweise Formaldehyd verklappt hat. Die Sache mit der Verklappung ist
eine wahre Geschichte und der Film nur die ins Horror-Genre extrapolierte Behauptung,
dass die Feigheit vor dem politischen Freund wie der Schlaf der ökologischen
Vernunft Mutationen gebären. Das ist der Kontext, der das Monster allegorisch
und darum gefährlich und den Film zu einem kleinen Meisterstück keineswegs
versteckter Gesellschaftskritik macht.
Es geht "The Host" aber
nicht nur um das große, sondern auch das kleine Ganze. Eine Familie zieht
in den Kampf gegen die gefräßige Mutation. Das Monster hat die kleine
Hyun-seo (Ko Ah-sung) verschleppt; man hält sie für tot, dann aber
gelingt es ihr, aus der Höhle des Löwen übers Handy ihren Vater
Kang-du (Song Kang-ho) anzurufen. Der ist nicht der Hellste, aber sofort zu
allem entschlossen. Der Großvater, ein Imbissbudenbetreiber, ist ebenso
dabei wie der Onkel, der sich irgendwie in bessere Verhältnisse geflüchtet
hat, und die Tante, die als erfolgreiche Bogenschützin zu Berühmtheit
gelangt ist. Die Familie trägt den koreanischen Allerweltsnamen Park. Sie
sind die Helden des Films, aber auch eine Familie wie jede andere. Was freilich
unübersehbar fehlt, sind Mütter. Nichts ist in "The Host"
heil, und zwar von Anfang an; der Film plädiert für aktive Herstellung
von Solidarität im Guten gegen das Böse, auf allen Ebenen.
Die Familie wird, wie alle, die
mit dem Monster in Kontakt geraten sind, unter Quarantäne gestellt. Der
Internierung entkommt der Familientrupp mit List, Geld und Chuzpe. Todesmutig,
unbeirrt, wenn auch nicht immer strategisch brillant macht man sich auf die
Suche nach dem Versteck, in das das Biest die kleine Hyun-seo verschleppt hat.
Unterdessen wird von amerikanischer Seite die Behauptung in Umlauf gebracht,
das Monster verbreite tödliche Viren. Das Militär riegelt das Gebiet
um den Fluss ab, der flächendeckende Sprüh-Einsatz eines Virengiftmittels
mit dem vielsagenden Namen "Agent Yellow" wird erwogen. Die tapfere
Familie rennt, rettet, flüchtet und wer den Nervenkitzel sucht, kommt durchaus
auf seine Kosten. Der amerika- und regierungskritische Subtext läuft freilich
immer mit. Später sieht man Demonstrationen und kann dabei bewundern, wie
alte Straßenkampftechniken gegen das Monster zum Einsatz gebracht werden.
Nicht Godzilla vs. Mothra, sondern Molotov-Cocktail vs. Agent Yellow.
Das Erstaunliche an "The
Host" ist, dass er die verschiedensten Dinge und Genres unter einen Hut
bringt. Zwar hat das koreanische Unterhaltungskino neuerer Prägung ohnehin
eine gewisse Aversion gegen die aus Hollywood gewohnte Sortenreinheit in Ton
und Genre. "The Host" treibt es aber wirklich wild, denn zwischen
Horror-Schauer und Politkritik unternimmt der Film immer wieder ausgedehnte
Streifzüge aufs Gebiet der Groteske. So gibt es eine halb entsetzliche,
halb zum Schreien komische Szene, in der Kang-du gehirnoperiert wird. Den Betrachter
beschleichen, nein, attackieren durchweg gemischte Gefühle. Der Kern des
Plots ist reines Melodram: die Wiederherstellung der Familie, die Rettung der
Tochter. Dieses Ziel verliert "The Host" nie aus den Augen, nur jubelt
er einem auf dem Weg dahin so allerlei unter, ohne je wirklich aus dem Gleis
zu geraten. In seiner Heimat hat "The Host" dabei einen Nerv getroffen.
Mehr als 13 Millionen Zuschauer wollten Bongs Horror-Polit-Groteske sehen und
machten das Werk so zum erfolgreichsten koreanischen Film aller Zeiten. (Man
muss sich vor Augen halten, dass Korea gerade mal 48 Millionen Einwohner hat.)
Der Siegeszug setzte sich auf internationalen Festivals fort - und die ehrwürdigen
"Cahiers du Cinema", für alles Amerikakritische ohnehin aufgeschlossen,
führen "The Host" auf ihrer Liste der besten Filme des Jahres
auf Platz 3.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen bei:
The Host
Südkorea 2006 - Originaltitel: Gwoe Mul - Regie: Joon-ho
Bong - Darsteller: Kang-ho Song, Hae-il Park, Du-na Bae, Hie-bong Byeon, Ah-sung
Goh, Dong-ho Lee, Je-moon Yoon, Pil-sung Yim, David Joseph Anselmo, Paul Lazar
- FSK: ab 16 - Länge: 119 min. - Start: 29.3.2007
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