"This must be the worst movie I've ever seen" hört man es eine Reihe weiter hinten murmeln, bevor die beiden
Zuschauer den Kinosaal schon nach einer halben Stunde Film verlassen. In der Tat benötigt man eine gehörige
Portion Geduld und Wohlwollen, um The Hills Have Eyes, den zweiten Spielfilm des mittlerweile vor allem durch
Scream bekannten Amerikaners Wes Craven auch heute noch genießen zu können. The Hills Have Eyes ist
zusammen mit Filmen wie The Texas Chainsaw Massacre (Tobe Hooper, 1974) und Night of the Living Dead
(George Romero, 1968) einer der Gründungstexte des modernen Horrorfilms. Der Regisseur und seine Kamera
beginnen hier zögerlich, sich an einer Ästhetik der Gewalt zu erproben, die mittlerweile in noch wesentlich stärkerer
Form in Mainstream-Produktionen wie Gladiator oder The Silence of the Lambs Einzug gehalten hat: Man sieht
menschliches Fleisch sich vom Körper lösen, Knochen darunter hervorscheinen und eine gehörige Menge an
rosarotem Filmblut sich über Leinwand und Darsteller verteilen.
The Hills Have Eyes ist eine Low-Budget Produktion, die ihren trashigen Charme geradezu zelebriert: Die
Dialoge geben gar nicht erst vor, Charaktere zu zeichnen, sondern versuchen statt dessen, bereits zu Beginn des
Filmes möglichst oft möglichst blutige Metaphern für alltägliche Konversationen zu finden. In jedem anderen Film
wirkte es gestelzt, wenn die Tochter sorgenvoll zu ihren Eltern sagt, demnächst würden sie alle als menschliche
Pommes enden ob der Hitze der Wüste, hier sorgt die Zeile für einen Lacher, weiß man doch, was die Filmfamilie
erwartet: Eine Geschichte über eine Sippe von Kannibalen in der Wüste, Wegelagerer, die verirrte Durchreisende
überraschen, um sie möglichst grausam zu Nahrung zu verarbeiten.
Wes Craven und sein Kameramann Eric Saarinen zerstören dabei neben dem menschlichen Körper auch die
Struktur der amerikanischen Kleinfamilie. Was mittlerweile beinahe filmischer Alltag geworden ist - nicht zuletzt
durch erfolgreiche Blicke hinter die Fassade des amerikanischen Vorstädtertums in Werken wie Lynchs Twin Peaks
oder Mendes' American Beauty - war 1977 noch ein revolutionärer Zug. Als erstes stirbt der Vater, auch durch
seinen Beruf des Polizisten Inbegriff der patriarchalen Ordnung schlechthin. Weitere Mitglieder der Familie folgen,
doch bei all der Zerschlagung fester Strukturen kann doch nicht übersehen werden, dass Cravens Bilder - vielleicht
auch ein Zugeständnis an das Genre - das Herrschaftsverhältnis zwischen Mann und Frau durchaus aufrecht
erhalten. So brennen sich die Sekunden ins Gedächtnis, in denen die junge, selbstverständlich blonde, Protagonistin
vor einem der Kannibalen kniet, der ihr seinen geladenen Revolver in den weit geöffneten Mund hält. Die Kamera,
die Szene von oben filmend, lässt kaum einen Zweifel an der platten sexuellen Analogie, und wenn nach wenigen
Augenblicken der Bedroher die Frau mit seiner Waffe niederschlägt und ihr entgegen brüllt, er hebe sie sich "für
später" auf, beginnt man zu begreifen, warum ausgerechnet jene Szene, ohne einen Tropfen Blut vergossen zu
haben, in einigen Ländern der Schere der Zensur zum Opfer fiel.
Seine Kraft zieht The Hills Have Eyes allerdings wohl aus eben solchen Szenen in Kombination mit der
konsequenten Weigerung, sie moralisch zu deuten. Der im ganzen Film auftauchende sarkastische Humor lässt das
Publikum lachen, selbst wenn vor seinen Augen der Zusammenprall von "Wildnis" und "Zivilisation" in einer
grausamen Fehde ausgetragen wird und Craven wenig Zweifel daran lässt, wen er in diesem Kampf für den
Überlegenen hält. Den größten Lacherfolg aber erhält dann eine im Film besonders hervorgehobene Sequenz: der
Schriftzug The End. Mitten im Schlachtengetümmel, scheinbar ohne die narrativen Stränge, die zuvor geknüpft
worden waren zu lösen, färbt sich die Leinwand tiefrot und kündet vom Ende des Films. Zerstört wird so auch die
gewohnte Struktur des Hollywoodfilms, der einen Konflikt aufbaut und fein säuberlich wieder löst, zerstört wird das
Verlangen des Zuschauers nach narrativer Schließung. Vielleicht ist das Lachen nach dem Ende der Gewalt aber
auch nur eine Möglichkeit, die Grausamkeit, die einem von der Leinwand entgegenschrie, emotional zu verarbeiten.
Die einzige Alternative zum Lachen wäre die Flucht gewesen, die Flucht aus dem Kinosaal vor dem "worst movie
ever", den mancher der Zuschauer zu sehen glaubte.
Dieser Text ist zuerst erschienen bei:
Hügel der blutigen Augen
The Hills Have Eyes
Wes Craven
USA, 1977