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Human
Nature – Die Krone der Schöpfung
Ganze Tage unter Affen: In "Human Nature
- Die Krone der Schöpfung", einer Kooperation von Regisseur Michel
Gondry und Drehbuchautor Charlie Kaufman, führt der Zufall drei Triebtiere
zusammen. Der Film jongliert mit den Evolutionsstufen und entwickelt sich so
zur Behaviorismus-Farce
Will der Mensch etwas über sich selbst erfahren,
geht er am besten in den Zoo. In der Primatenanlage offenbart sich ihm die ganze
Wahrheit über die eigene Existenz - nur dass sich dem Betrachter dieses
originär-libertären, natürlicherweise unkonditionierten Treibens
jenseits der Umzäunung nicht mehr instinktiv die Nackenhärchen aufstellen,
weil er sich durch hundertfach überschriebene kulturelle Codes und über
Jahrmillionen evolutionär notwendig gewordene Verhaltenskorrekturen geschützt
wähnt. Zu divergent erscheinen die Lebenskonzepte, als dass der Anblick
triebhaft kopulierender Schimpansen mit dem eigenen, unterdrückten Verlangen
korrespondieren könnte. Man wendet sich also diskret ab und vergewissert
sich seiner Zivilisiertheit.
Michel Gondrys Behaviorismus-Farce "Human Nature
- Die Krone der Schöpfung" allerdings legt nahe, dass es mit dieser
Gewissheit nicht weit her ist. Bei Gondry, dessen zweiter Film "Vergiss mein nicht" ebenfalls gerade in den Kinos angelaufen ist,
liegen öffentliches Masturbieren und der Tisch-Knigge weniger als eine
Evolutionsstufe voneinander entfernt. Hinter der Fassade guter Manieren treten
paradiesische Urzustände zu Tage. Unter dem Deckmantel der Satire spielt
Gondrys Film verschiedene Modelle vom richtigen Leben im falschen durch - und
kommt dabei zu überraschenden Schlüssen. Kein Wunder, stammt das Drehbuch
zu "Human Nature" doch von Charlie Kaufman, der für "Being John Malkovich" die geniale Methode erfand, für 20 Minuten
in den Kopf einer Celebrity zu steigen.
Auch das Personal von "Human Nature" hat
so manche Probleme mit dem Kopf. Die wahren Ursachen der Neurosen liegen jedoch
viel tiefer verschüttet. Da haben wir zunächst Nathan Bronfman (Tim
Robbins), den seine Eltern als Kind immer in den Zoo mitnahmen, um ihm - am
lebendigen Anschauungsobjekt - das kleine Einmaleins der menschlichen Verhaltenslehre
vorzuführen. Jahre später hat er den häuslichen Drill so verinnerlicht,
dass er weißen Mäusen mit Hilfe von Elektroden Tischmanieren beizubringen
versucht. Alles zum Wohle der Forschung.
Für Lila (Patricia Arquette) verkörpert
der Wissenschaftler die absolute Erfüllung bloßen Menschseins. Lila
selbst hatte sich in die Wälder abgesetzt, nachdem ihr in der Pubertät
ein dichter Körperpelz gewachsen war. Von ihrem Baumhaus aus schrieb sie
einen Öko-Bestseller, bis es sie irgendwann wieder unter die Menschen und
auf den Behandlungsstuhl einer befreundeten Elektrolytikerin trieb - alles der
leidigen Triebe wegen.
Das Triebtier schlechthin (und somit Objekt jedweder
Begierden) in dieser ungleichschenkligen menage
à trois ist Puff (Rhys Ifans),
eine Art Kaspar Hauser, dessen Vater sich nach der Ermordung Kennedys freiwillig
von der menschlichen Gesellschaft verabschiedete, um fortan ein zwangloses Leben
als Affe zu führen. Der Zufall - oder besser: die Triebe - haben diese
drei Menschen zusammengeführt. Aber wenn wir ihnen das erste Mal begegnen,
hat einer von ihnen bereits ein Einschussloch in der Stirn, während ein
anderer vor dem Kongress für ein verfassungsmäßiges Recht auf
Primitivismus ficht. Die Richter ziehen die Verfassungsänderung weitsichtig
in Erwägung. Die Sprecherpositionen haben sich schon am Anfang von "Human
Nature" verschoben: Das gutturale Grunzen des Wahlprimaten ist britischer
Distinguiertheit gewichen, dem Wissenschaftler bleibt nach dem Verlust seiner
Wissenschaftlichkeit die nackte Triebstruktur als irrationale Existenzgrundlage.
Hätte nur noch gefehlt, dass er sich in seinen eigenen Fäkalien wälzt.
Doch Gondrys Film und Kaufmans Skript spielen nur
die nächstliegenden Möglichkeiten dieser viel versprechenden Grundidee
durch - als wäre eine werkgetreue Shakespeare-Rezitation schon der Gipfel
der Kultiviertheit. Kaufman sollte es besser wissen. Mit seinem Drehbuch zu
"Adaption" hat er die Irrtümer menschlicher Verhaltensweisen
hintergründiger auseinander gefriemelt. Die Essenz der menschlichen - oder
der männlichen? - Natur fasst Nathan in "Human Nature" wie folgt
zusammen: "Wenn du zweifelst, tu nie, was du wirklich tun willst."
Ganz so einfach gestaltet sich das richtige Leben im falschen dann doch wieder
nicht. Am Ende nämlich nehmen sie sich alle nichts - die Menschen und all
die anderen Affen.
Andreas Busche
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in der taz
Human
Nature - Die Krone der Schöpfung
USA
/ Frankreich 2001 - Originaltitel: Human Nature - Regie: Michel Gondry - Darsteller:
Patricia Arquette, Tim Robbins, Rhys Ifans, Miranda Otto, Robert Forster, Mary
Kay Place, Miguel Sandoval, Toby Huss, Peter Dinklage - FSK: ab 12 - Länge:
96 min. - Start: 10.6.2004
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