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Hwal
- Der Bogen
Überspannt
Irgendwo zwischen alten asiatischen
Mythen und Chiffren für die westliche geprägte Moderne sind die Film-Parabeln
des Koreaners Kim Ki-Duk angesiedelt. Gewalt, Sex und Genuss sind in seinen
Filmen oftmals die Widersacher der Unschuld - für Kim gleichbedeutend mit
einer metaphysischen Reinheit, die nach dem unvermeidlichen Sündenfall
stets erneut errungen werden muss.
Kims neues Werk Hwal
- Der Bogen nun lässt
den Allegorismus uneingeschränkt über alles Profane walten, scheint
es geradezu ignorieren zu wollen. Ein überdeutliches Arrangement: Der kleine
Kahn inmitten des unendlichen Meeres, darauf der namenlose alte Mann, die namenlose
junge Frau, vereint in wortlos-mystischer Verbundenheit, versus deren latente
Gefährdung durch Weltlichkeit und Hedonismus in Gestalt junger Angler mit
Markenklamotten und MP3-Player, denen der Alte das Hochseeangeln auf seinem
Schiff ermöglicht.
Last but not least der titelgebende,
magische Bogen, das Sinnbild und das Instrument der Strenge, für die Wahrsagerei
und für die Kunst der Musik - allesamt Domänen des Patriarchen. Ist
selbiger gut aufgelegt (und das ist er stets in der Vorfeude auf den 17. Geburtstag
des Mädchens, der Tag, an dem er sie zu „ehelichen“ gedenkt) verwendet
er den Bogen als Streichinstrument für esoterische Weisen (in Studioqualität),
möchte jemand seine Zukunft erfahren, schießt er damit Pfeile haarscharf
an dem schaukelnden Mädchen vorbei auf die bemalte Schiffswand (ein aggressives,
sexuell aufgeladenes Orakel), stört ihn aber die Konkurrenz der unmoralischen
Angelgäste (die es ausnahmslos auf die versonnen lächelnde Kindfrau
abgesehen haben) weist er sie mit gezielten Warnschüssen in ihre Schranken.
Doch selbst Rückkehrer mit Pfeilen in ihren Beinen schrecken niemanden
auf dem unsichtbaren Festland davon ab, munter weiter den Kahn zu mieten.
In der realen Welt hätte der
Alte seinen Broterweb verloren, doch was scherts Kim Ki-Duk und seinen poetischen
Symbolismus? Freunde der Logik werden bei Hwal
– Der Bogen längere
Durststrecken hinnehmen müssen, aber auch Mystiker und Code-Knacker werden
sich unterfordert fühlen, denn die gar nicht so sehr verschlüsselte
Message des Films ist gerade für diesen Regisseur ungewöhnlich straight:
Einen alternden, bärbeißigen Patriarchen verlangt es nach knospender
Jungfräulichkeit. Sein Begehr, das Mädchen mit Gewalt an sich zu binden,
lädt kaum zur Empathie ein und obendrein ist es mädchenfeindlich.
Da nützt auch die philosophische Metaebene nichts: Allzu unreflektierte
Altherrenphantasien werden nicht dadurch unpeinlicher, wenn sie uns als Konflikt
zwischen archaischer Tradition und modernem Werteverlust verkauft werden.
Leider scheint den Regisseur aber
auch sein sonst so ausgeprägtes Gespür für seine poetische Bildsprache
verlassen zu haben. Über weite Strecken erleidet das Auge den Mangel an
visueller Opulenz, dafür wird das Ohr über Gebühr mit „Weltmusik“
eingelullt. Immerhin hat wohl die Kritik an der Tierquälerei in früheren
Kim-Filmen den Regisseur dazu bewegt, diesmal keine Tiere exzessiv zu behelligen
– mit Ausnahme eines gefesselten Hahns. Er symbolisiert den Alten, und ein Junge
gibt ihm ein paar kräftige, symbolische Watschen. Das kommt von zuviel
Allegorien: Am Ende trifft es immer den Falschen.
Andreas Thomas
Dieser Text ist in ähnlicher Form auch erschienen im: „Applaus“, München
Zu
diesem Film gibt’s im archiv
der
filmzentrale mehrere
Texte
Hwal - Der
Bogen
Südkorea
2005 - Originaltitel: Hwal – The Bow - Regie: Kim Ki-Duk - Darsteller: Jeon
Sung-Hwan, Han Yeo-Reum, Seo Ji-Seok - Fassung: O.m.d.U. - Länge: 90 min.
- Start: 27.7.2006
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