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Ich
weiß, wer mich getötet hat
Junge Frauen verschwinden. Ein
Serienmörder geht um. Die Bilder sind in rot getaucht und in blau. Wir
sehen zu Beginn Lindsay Lohan als Stripperin (rot) und als aufstrebende Schriftstellerin
(blau). Wie diese beiden Identitäten - rot, blau, schreiben, strippen -
zueinandergehören, danach fragt der Film. Die Antwort darauf fällt
alles andere als einfach aus. Kein Wunder, denn schon der Titel "Ich weiß,
wer mich getötet hat" verspricht Unmögliches, eine Leiche nämlich,
die sprechend Auskunft gibt.
Aubrey, die junge Schriftstellerin
in blau, ist verschwunden. Sie wollte sich mit Freunden zum Kino treffen und
erscheint nicht. Im Hintergrund hängt ein Filmplakat, es handelt sich um
einen Film des nicht zu Unrecht völlig vergessenen 50er-Jahre B-Movie-Regisseurs
Hugo Haas. Das zeigt zweierlei an: Der Regisseur dieses Films ist an Realität
nicht sonderlich interessiert und er ist ambitioniert. Das freilich konnte man
schon zuvor merken. Daran, dass er gleich zu Beginn serienweise Füße
ins Bild rückt und Hände: das verspricht, weil es unmotiviert scheint,
aber nicht ist, nichts Gutes.
In der Tat: Der Fuß und
die Hand sind bald darauf ab. Aubreys Fuß, Aubreys Hand. (Man sieht auch,
wie sie abhanden kommen, darum hat der Film keine Jugendfreigabe.) Die junge
Frau taucht wieder auf, am Straßenrand liegen gelassen, lebend, aber verstümmelt.
Nur: Sie sei nicht Aubrey (blau), sagt sie. Sie sei die Stripperin Dakota
(rot). Keiner glaubt ihr, die Eltern nicht, ihr Freund auch nicht und am wenigsten
das FBI. Sie bekommt hoch raffinierte Prothesen. Sie kann mit dem Prothesen-Bein
wieder gehen, sie kann nun mit der Prothesen-Hand übermenschlich zupacken.
Nur ihre Aubrey-Identität lässt sich prothetisch nicht wiederherstellen.
"Ich weiß, wer mich
getötet hat" ist wahrscheinlich der von der amerikanischen Kritik
am schlechtesten besprochene Film des vergangenen Jahres (vgl. die Übersicht
bei Rotten Tomatoes). Kübelweise Hohn und Häme wurden über der
Hauptdarstellerin Lindsay Lohan ausgegossen. Auch an den Kassen ist der Horror-Thriller
böse geflopt. Lindsay Lohan selbst hat davon vermutlich nicht viel mitbekommen,
denn statt auf Werbetour für ihren Film war sie im Drogenentzug. 2007 war
für den Jungstar alles andere als ein gutes Jahr.
Dabei ist "Ich weiß,
wer mich getötet hat", das Mainstream-Debüt des zuvor mit billigen
Horror-Kruditäten aufgefallenen Chris Sivertson, ein einigermaßen
verblüffendes Ding. Überambitioniert, allzu stylish, mit großem
Selbstbewusstsein auf den Spuren von Dario Argento und Brian DePalma. Natürlich
sind Logik und Wahrscheinlichkeit die ersten Opfer des Drehbuch-Drangs, den
Zuschauer immer wieder auf dem falschen Fuß zu erwischen. Und spätestens
nach den Veränderungen, die man nach ersten Zuschauertest-Desastern vorgenommen
hat, führen viele von Sivertson mal subtil, mal brachial gesetzte Hinweise
und Spuren ins Leere oder bleiben jedenfalls nebulös. Die heftigen Diskussionen,
die über mögliche Erklärungen fürs Unerklärliche in
den Foren von imdb.com geführt werden, bezeugen aber, dass an dem Film
sehr viel mehr dran ist, als die amerikanische Kritik sehen wollte. "Ich
weiß, wer mich getötet hat" ist zwar keines der großen
Hollywood-Trash-Meisterwerke wie Paul Verhoevens "Showgirls" oder
John McTiernans "Rollerball". Aber in seinem großkotzigen Scheitern allemal aufregender
als das Gros der Hollywood-Jahresproduktion.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Ich
weiß, wer mich getötet hat
I know who
killed me. USA 2007. R: Chris Sivertson. B: Jeffrey Hammond. K: John R. Leonetti.
S:
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