zur
startseite
zum
archiv
Im
Glanz der Sonne
Die
Verfilmung eines politischen Bildungsromans wie „The Power Of One" („Die
Macht, eins zu sein", auf gut deutsch: „Solidarität") von Bryce
Courtenay -, wie sieht die Verfilmung aus, wenn der Regisseur zuvor EIN SUPERTYP
HAUT AUF DIE PAUKE oder KARATE KID 1 bis 3 oder ROCKY 1 + 5 gedreht hatte? Sie
sieht genauso aus wie der Film IM GLANZ DER SONNE (Originaltitel: THE POWER
OF ONE) von John G. Avildsen.
Sowohl
der Boxsport als auch das Polittraining stählen den Körper und Geist
des Helden, welcher vielgestaltig auftritt, da der Film darauf besteht, mit
dem Geburtsvorgang, also mit einem Baby als Helden zu beginnen. Die Suche nach
der wahren Identität produziert infolgedessen eine Fülle von Identitäten,
bis hin zu der eines Champions und Oxfordstipendiaten. Auch bietet IM GLANZ
DER SONNE ein Wechselspiel von Filmgenres, bald Märchen-, Kinder-, Jugendfilm,
bald brutaler Action-, aber auch engagierter Politfilm. Und alles zusammen?
Eine Apartheidsschmonzette.
Südafrika
in den dreißiger Jahren. Den rassistischen weißen „Afrikanern"
sind die Engländer, die, wie der Film sogleich informiert, die KZs erfunden
hatten, aufs äußerste verhaßt. Unser Held, Sohn englischer
Farmer und ganz schnell Waise, lernt, was es heißt, einer verfolgten Minderheit
anzugehören. Im Internat wird ihm auf den Kopf gepißt, was ihm den
Necknamen „P.K." einträgt. Trost und Kraft findet er in der Kultur
der Zulus und der Deutschen. Der Regenmacher lehrt ihn die Macht der Mythen.
Und Armin Mueller-Stahl, nicht nur Konzertpianist, sondern überdies Kakteenforscher,
lehrt ihn die Macht von Kunst und Wissenschaft. Und wieso gehört der Deutsche
zu den Verfolgten? Wir haben doch Krieg! Es ist 1939, und die Engländer
lassen den guten Deutschen im Konzentrationslager schmachten. Die bösen
Nazis, das sind selbstredend die rassistischen „Afrikaner", darum hat sich
auch Todfeind Sgt. Botha (Daniel Craig) ein großes Hakenkreuz auf den
Unterarm tätowiert. Gegen ihn anzutreten, dafür reichen P.K.s Kräfte
(wir erinnern uns: schwarze Mythologie, deutsche Kunst und Wissenschaft) nicht.
P.K., jetzt 18 Jahre alt, nimmt das Boxtraining auf und, mit zwanzig Pfund zusätzlicher
Muskeln versehen, schlägt er Nazi-Botha nieder. Jetzt ist er auch Held
der schwarzen Minderheit. In den jubelnden Townships, die Macht, eins zu sein,
erfahrend, weiß man auch Rat, wie es weitergehen soll: „Antwort findest
Du in der Natur". Da steht auch schon ein prächtiger Regenbogen über
dem Wasserfall, und Arm in Arm mit dem schwarzen Bruder schreitet er in den
Glanz der Abendsonne hinein.
Ja,
gedreht wurde vor den Victoria-Wasserfällen, und in Zimbabwe baute der
Film eine komplette schwarze Township auf. Vor diesen blitzsauberen und dazu
malerischen Kulissen erklingen nicht nur die Originalmusiken von Hans Zimmer
und Lebo M („Mother Africa"), sondern auch Beethovens Neunte (arrangiert
von Zimmer), und der enthusiasmierte Masibemunye
Bulawayo Chor reckt rhythmisch die Hände über dem Kopf, Disco-Fieber.
Diese
optischen und musikalischen Illustrationen begleiten den unermüdlich vorgetragenen
Buchtext. Erst als die Rede auf den Boxsport kommt, beginnt dem Regisseur etwas
einzufallen. Der Redestrom versiegt, und das Bild übernimmt die Handlung.
Freilich eine Handlung, wie wir sie seit den ROCKY-Filmen kennen. Die schlichte
Countdown-Lösung (gut gegen böse) und das einfältige Schlußbild
(schwarz und weiß vertrauen auf den Glanz der Sonne) gaukeln eine Harmonie
vor, die doch in den ersten beiden Dritteln des Films, den verbal-politischen,
zum Teil sogar differenziert, in Frage gestellt war. Es bleibt dabei, daß
im Genre-Misch-Produkt IM GLANZ DER SONNE mehrere, aber jeweils dramaturgisch
fragmentarisierte Filme stecken. Auch führt die Illustrationstechnik dazu,
daß viel zu viel Szenen jeweils viel zu kurz aneinander gereiht werden.
Hätte man IM GLANZ DER SONNE auf dem Bildschirm gesehen, dann wäre
sofort zu fragen: wer hat mit der Fernbedienung gespielt? Wer hat andauernd
auf Vorlauf gedrückt? Aber vielleicht ist noch viel Filmmaterial vorhanden,
dann könnte es ein lange, kitschige und sogar verdienstvolle Fernsehserie
werden. Denn wo gibt es sonst etwa in der Unterhaltungssparte über Apartheid
und prügelnde rassistische Polizisten zu sehen?
Dietrich
Kuhlbrodt
Diese
Kritik ist zuerst erschienen in: epd film
11/92
IM
GLANZ DER SONNE
THE
POWER OF ONE
USA
1992. R und Sch: John G. Avildsen. B: Robert Mark Kamen (nach dem Roman von
Bryce Courtenay). P:
Arnon Milchan. K: Dean Semler. M:
Hans Zimmer. T:
Clive Winter. Ba: Roger Hall. A:
Les Tomkins. Ko:
Tom Rand. Pg: Regency Enterprises/Le Studio Canal PIus/Alcor Films. V: Warner.
L: 111 Min. St: 5.11.1992. D: Stephen Dorff (P.K. mit 18 Jahren), Armin Mueller-Stahl
(Doc), Morgan Freeman (Goel Piet), John Gielgud (Schulleiter von St. John),
Maria Marais (Fay Masterson), Simon Fenton IP.K. mit 121, Guy Witcher (P.K.
mit 7), Alois Moyo (Hoppie Gruenwald).
zur
startseite
zum
archiv