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In the Mood for Love
Eine
tragische Liebesgeschichte im Hongkong der 60er - ein poetischer Geniestreich
von Wong Kar-Wei.
Inhalt
Hongkong,
1962. Zeitungsredakteur Chow (Tony Leung Chiu Wai ) zieht mit seiner Frau in
ein Haus der Shanghai-Community, ebenso Li-Zhen (Maggie Cheung ) mit ihrem Mann.
Ihre Ehepartner sind zumeist auf Reisen, und die beiden laufen sich gelegentlich
über den Weg. Doch irgendwann müssen sie den Tatsachen ins Auge blicken:
Ihre Angetrauten haben eine Affäre miteinander begonnen. In ihrer Verzweiflung
kommen sich die beiden näher und eine seltsame Beziehung beginnt, irgendwo
in der Schwebe zwischen Vertrauen, Liebe und Freundschaft...
Kritik
Ein
pulsierendes Streicherarrangement, die versunkene, von gelben, roten, grünen
Schatten heimgesuchte Welt des Hongkongs der 60er, ein Platz den Regisseur Wong
Kar-Wai schon immer mit Träumen einer unwiederbringlichen Jugend assoziierte.
(Und dem er schon ein Meisterwerk gewidmet hat, den 1990 entstandenen Days
Of Being Wild,
an dessen Ende plötzlich Tony Leung auftauchte wie eine Vorahnung.) Mit
In
The Mood For Love,
den Wong Kar-Wai, der ohnehin lieber improvisiert, als mit Drehbuch zu arbeiten,
flugs mit den bereits engagierten Schauspielern drehte, als ihm die chinesischen
Behörden die Drehgenehmigung für das ursprünglich geplante Projekt
Beijing
Summer
verweigerten, führt er diesen Fiebertraum in die endgültige Apotheose.
Dass
der Film dabei - typisch für seinen Regisseur - aus zehn Stunden prophylaktisch
gedrehtem, erst auf dem Schneidetisch in Form gebrachten Material besteht, sieht
man ihm nicht im geringsten an. War der Vorgänger Happy
Together
eine mäandernde Wucherung, so ist In The
Mood For Love
präzise und feinabgestimmt wie selten ein Film: keine Bewegung, keine Einstellung
zuviel. Alles scheint ganz zwingend - etwa, dass die Ehepartner der unglücklich
Liebenden nie zu sehen sind (und damit ein ungreifbares wie unangreifbares Faktum
bleiben); und doch hat Wong Kar-Wai die Szenen mit ihnen gedreht und wieder
verworfen.
Verworfen:
ein flüchtiger, endgültiger Klang haftet dem Wort an, und In The
Mood For Love
trägt beides in sich. Wong Kar-Wai operiert dabei zuerst minimalistisch,
detailbesessen. Rund um die exquisit gestalteten Innenräume, die Enge und
Intimität verbinden (und so das Verbotene der Liebesbeziehung auf doppelte
Wiese spiegeln: als Gesellschaftszwang, als letzte Zuflucht) entfaltet sich
ein Universum der immergleichen Handgriffe, deren leichte Variation den Vergleich
mit einem Musikstück nahe legen, etwas, das das Wesen von Wong Kar-Wais
Kino sehr gut trifft. Die Bürorituale, der Gang zum Nudelstand nebenan
(in gleitender, sämiger Zeitlupe), der höfliche Umgang miteinander
formen ein exquisites Gewebe, dem das Zentrum fehlt. Die Abwesenheit der Liebe,
das ist es, wovon In
The Mood For Love
anfangs unmerklich, schmerzlich erzählt.
Bis
das Gespinst zerreißt: Eine Krawatte, eine Handtasche (die schöne
Echos mit vorhergehenden Alltagsszenen formen) sind die letzten Beweisstücke
des Ehebruchs. Hier beginnt die Annäherung, manchmal zaghaft-spröd,
dann leidenschaftlich-heftig, die am Anfang selbst nur eine Ersatzhandlung ist.
Oder eine Selbsttäuschung: Um zu begreifen, was die abwesenden Angetrauten
tun, rücken Li-Zhen und Chow näher zueinander. In
The Mood For Love
bleibt dabei immer poetisch und subtil: Angeblich um ihm zu helfen, die von
ihr so geliebten serials zu schreiben, kommt Li-Zhen zu Chow. Als die polternden,
fröhlichen Nachbarn die ganze Nacht hindurch Mah-Jongg spielen, muss Li-Zhen
bei Chow im Zimmer bleiben, um anrüchige Spekulationen zu vermeiden. Gegen
den Lärm von Nebenan setzen die Liebenden immer größere Stille:
Etwas anderes haben sie (noch) nicht als den gemeinsamen, betäubenden Schmerz.
Der
Schmerz des Films beginnt sich dabei, rund um die Schauspieler anzulagern, festzufressen
an den Objekten, die sie umgeben: Eine Handbewegung ein Geländer hinauf
mit dem unwiederbringliche Erinnerungen verknüpft sind, die wehende, samtrot
triefende Vergänglichkeit, mit der Windstöße den Vorhängen
in einem Korridor Leben einhauchen, durch den die Protagonisten sich entfernen,
bis sie anzufrieren scheinen, das unerbittliche Ziffernblatt der Uhr in Großaufnahme.
Wong Kar-Wai beherrscht etwas, was rar ist im Kino dieser Tage: Er vermag Gegenständen
Leben einzuhauchen.
Noch
mehr als seine aus Herzblut arrangierten Dekors aber liebt er seine Schauspieler.
Angesichts der Entstehungsprozesse seiner Filme ist es immer wieder verblüffend,
welch subtile und zutiefst mitfühlende Menschlichkeit in den Darstellungen
lauert. Das beginnt bei den exakt gezeichneten Nebenfiguren (etwa Li-Zhens korrekter
Chef, Chows schlitzohriger Arbeitskollege, die immer fast ein wenig zu hilfsbereiten,
zu wohlwollenden, zu neugierigen Nachbarn) und erreicht höchste Vollendung
bei den Hauptrollen. Tony Leungs präzise Performance wurde heuer in Cannes
schon zu Recht mit dem Darstellerpreis gewürdigt, selbst er aber verblasst
angesichts der Göttlichen, Maggie Cheung. Was die hier macht, kann man
kaum noch Schauspiel nennen, mehr schon die körperliche Umsetzung des wiederkehrenden
musikalischen Leitmotivs des Films. Ein fließender, graziöser Gang
durch halberinnerte Welten, ein Sich-Zurücknehmen inmitten lebhafter Konversationen
oder stiller, erdrückender Leere, in denen sie fast schon ins Filmmaterial
einzuschmelzen scheint. Und, am Höhepunkt des Films, als sie, sonst selbstbeherrscht
die meiste Zeit, der Verzweiflung nicht mehr Herr wird und dem Film die frames
zu ihrer Aufzeichnung zu fehlen beginnen. Als hätte man die Pausen aus
ihrem Streicherstakkato entfernt, kondensiert sie zu einem Vibrieren des Schmerzes,
bis die Tränen aus ihr hervorbrechen.
Unter
seiner tragischen Liebesgeschichte formt Wong Kar-Wai, der immer schon im Privaten
das Allgemeine suchte, auch seinen Abgesang auf eine ganze Ära (nur passend,
dass dazu der herrliche Schmelz von Nat King Coles wenig gehörten spanischen
Balladen über den Kadern thront und dass am Ende Tony Leung eine alte Fabel
in den mächtigen Säulengängen von Angkor-Vat noch einmal durchspielt).
Ein Newsreel von De Gaulle, 1966, also am Ende des französichen Kolonialismus,
am Anfang seines Erbes, Vietnam, ist knapp vor dem Ende einmontiert und ebenso
wie für die Liebe gilt auch für die Shanghai-Community, für Hongkong,
für ganz Asien, dass eine Zeit unwiederbringlich vorbei ist. Wie hinter
Glas versuche er sich an die Figuren zu erinnern, sagt ein unidentifiziertes
Zitat am Ende des Films und es scheint sich auf den Regisseur selbst zu beziehen,
der in schwelgerischer Trauer ein Bild des Paradieses malen zu sucht und doch
immer wieder nur zusehen kann, wie es zerbricht. Vielleicht hofft er, das Glas
bräche mit.
Christoph Huber, 09.12.2000
Dieser
Text ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-archiv mehrere Kritiken.
In the Mood for Love
OT: In the Mood for Love - Hongkong / 2000
Genre: Drama
Mit: Lai Chen, Maggie Cheung, Tony Leung Chiu Wai
Regie: Kar-wai Wong
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