In the Mood for Love
Im Hongkong Anfang der 60er Jahre bezieht der Zeitungsredakteur Chow
(Tony Leung) mit seiner Frau eine Wohnung in einem Haus in der
Shanghai-Community. Zur gleichen Zeit zieht in der Nachbarwohnung die
wunderschöne Li-zehn (Maggie Cheung) mit ihrem Mann ein. Während ihre
Ehepartner nur sehr selten zu Hause sind, begegnen sich Chow und
Li-zehn sehr oft, freunden sich an und müssen eines Tages feststellen,
daß ihre Ehepartner eine Affäre miteinander haben. Fortan entwickelt
sich auch zwischen den beiden eine Beziehung...
Nur wenig erinnert bei „In the Mood for Love“ an die Filme, mit denen
der Hongkonger Autorenfilmer Wong Kar-Wai in Europa bekannt geworden
ist. Den schnellen Schnitten und dem aufregend-flirrenden
Handkamerastil seiner Großstadtballaden „Chungking Express“ oder
„Fallen Angels“ setzt er jetzt diese Liebesgeschichte entgegen. Äußerst langsam und ohne viele Dialoge
erzählt, fängt er mit den betörend-schönen Bildern des (auch für diesen
Film in Cannes) preisgekrönten Kameramanns Christopher Doyle die
Stimmung und das gesellschaftliche Klima in der Hongkonger
Shanghai-Community zu Beginn der 60er Jahre ein. Die Menschen in dieser
Gesellschaft waren Flüchtlinge, die nach der Übernahme Shanghais durch
die kommunistische Truppen, in die Britische Kronkolonie geflohen
waren. In der Enge dieses Milieus, in dem Wong Kar-Wai als Kind selbst
aufgewachsen ist, entfaltet sich sanft, aber kraftvoll zu der großartig
ausgewählten, melancholischen Musik, zwischen traditionellen
chinesischen Opernliedern, Filmsongs aus den 50ern und Nat King Coles
Interpretationen lateinamerianischer Klassiker, die poetische
Geschichte der Beziehung zwischen Chow und Li-zehn.
Wong Kar-Wai hat einen raffinierten Erzählstil in diesem Film. Er
arbeitet mit dem Prinzip der Wiederholung. Immer wieder zeigt er die
gleichen Alltagsszenen: Wie sich Chow und Li-zehn beim Nudeln holen
oder beim Mahjong spielen treffen. Immer wieder ist es die gleiche
Treppe, sind es die gleichen Räume, in denen sie sich begegnen. Durch
die kleinen Variationen dieser immer gleichen Situationen läßt sich
jede kleine Veränderung der Beziehung der beiden und jedes kleine, neue
Detail sofort erkennen. Man wird zwangssensibilisiert für eine
melancholische Spurensuche, bei der Wong Kar-Wai aus Blicken,
zufälligen Berührungen und scheinbar beiläufigen Situationen ein
intensives Gefühlskonzentrat destilliert. Nie sieht der Zuschauer, wie
sich Chow und Li-zehn küssen, geschweige denn miteinander schlafen. Nie
verlieren die Hauptfiguren die Würde und die Eleganz, die über dem
gesamten Film liegt, und obwohl die Betrogenen selbst zu Ehebrechern
werden, erfolgt keinerlei moralische Verurteilung. Die Geschichte über
zwei ist eigentlich eine Geschichte über vier Personen, doch Wong
Kar-Wai zeigt die Ehepartner nicht, konzentriert sich ganz allein auf
Li-zehn und Chow, deren Beziehung ständig zwischen Mutlosigkeit und
Verzweiflung, Liebe und Erotik, Nähe und Distanz oszilliert. Besonders
die schöne Maggie Cheung, in ihren engen, eleganten Kleidern, ist die
perfekte Verkörperung einer Frau, die äußerlich zwar Haltung bewahrt,
innerlich aber zerrissen ist.
Es ist selten, daß einen so langsames Kino so atemlos zurückläßt. „In
the Mood for Love“ schenkt uns eine Stimmung, die abhängig macht -
durch ihre tiefe Traurigkeit und ihre unerträgliche Schönheit.
Sascha Rettig
Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Zu diesem Film gibt es im filmzentrale-archiv mehrere Kritiken.
In the Mood for Love
IN THE MOOD FOR LOVE
Hongkong - 2000 - 90 min.
Produktionsfirma:
Block 2 Pictures
Produktion:
William Chang
Regie:
Wong Kar-wai
Buch:
Wong Kar-wai
Kamera:
Christopher Doyle
Mark Lee Ping-bin
Musik:
Danny Chung
Schnitt:
William Chang
Wong Ming-lam
Darsteller:
Maggie Cheung (Li-chun)
Tony Leung (Chau)
Rebecca Pan