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Irgendwann
in Mexico
Auf
dem Weg zum Epos
Ach,
Mechiko! Robert Rodriguez huldigt seinem Mutterland auf geradezu rührende
Weise. Zwar zeigt er ungeschönt all die Schwächen des Landes - der
Präsident ist ein Trottel, Drogenbosse beherrschen die Provinz, und die
Generalität ist korrupt. Aber dann, während in der Hauptstadt gerade
eine festliche Prozession zum Tag der Toten stattfindet und eine Putschistenarmee
diesen Zeitpunkt zu einem Umsturz nutzen will, da wird schnell klar, was der
Regisseur an seiner Heimat so liebt. Es ist nicht nur die Tatsache, dass die
Bevölkerung sich der Armee entgegenstellt. Es ist vor allem die Art und
Weise, wie sie es tut.
In
Hollywood hätte man einen rechtschaffenen Menschen gezeigt, der auf ein
Fass steigt und seine Landsleute auffordert, den Kampf mit den Rebellen aufzunehmen.
Mit ein paar Geigen und viel Jubel wäre daraus ein Rührstück
mit anschließender Zeitlupen-Metzelei geworden. Im Mexiko des Jahre 2003,
behauptet Rodriguez liebevoll in diesem Film, braucht man keine flammenden Reden,
um die rechtmäßige Regierung zu verteidigen. In Mexiko genügt
ein einfacher Griff in den Gürtel, und schon hat sich eine scheinbar hilflose
Feiertagsprozession in einen erschreckend schwer bewaffneten Kampfverband verwandelt,
der den Angreifern eine Straßenschlacht bietet, um die sie manche südamerikanische
Guerillamiliz beneiden würde. Ärmliche Hausfrauen binden sich ungerührt
Patronengürtel um, setzen sich den obligatorischen Sombrero auf, stürmen,
in jeder Hand einen Revolver, den verdutzten Angreifern entgegen und brüllen:
"Es lebe die Demokratie". Mexiko mag ja eine explosive Kloake sein
- aber es ist eine Kloake mit Überzeugungen, und sie ist so explosiv, dass
ihr keiner was kann.
Nicht
mal die Amerikaner übrigens. Johnny Depp ist zwar gewohnt umwerfend als
blindwütiger CIA-Agent, der glaubt, er könne die mexikanische Politik
nach Gutdünken umformen. Trotzdem kriegt er eine freundliche, aber bestimmte
Abfuhr. Was in einem Film von Robert Rodriguez heißt, dass er zwar überleben
darf, aber verschiedene Körperteile verlieren wird. Überhaupt ist
der Meister des Metzelfilms, der auch dieses Mal wieder alle filmischen Schlüsselpositionen
selbst besetzt hielt, nach den experimentellen Kinderfilmen der "Spy
Kids"-Reihe
wieder in Stimmung für Blutvergießen. Da werden Augen ausgestochen,
Knie weggesprengt, Haut abgezogen, Hälse aufgeschlitzt und natürlich
lagerhallenweise Patronen verschossen. Und doch unterscheidet sich "Irgendwann
in Mexico" grundlegend von Rodriguez' früheren Splatterorgien "From
Dusk till Dawn"
oder "Desperado". Waren diese noch Ausdruck hemmungsloser und unreflektierter
Jugendlichkeit, so begibt sich Rodriguez hier ganz ernsthaft auf den Weg zum
Epos. Der Tod ist kein komödiantisch-ästhetischer Tanz mehr, er ist
bittere Realität. Ähnlich wie in den großen Epen Sergio Leones,
auf die sich der Originaltitel "Once Upon a Time in Mexico" in voller
Ernsthaftigkeit bezieht, geht es hier auch um den Tod von Frauen und Kindern
und um den moralischen Kodex einer Gesellschaft zur Zeit eines großen
Aufbruchs. Und wie sein italienischer Vorgänger setzt auch Rodriguez dabei
auf eine sehr komplexe und überlange Geschichte, die in ihrem Zentrum simpler
nicht sein könnte, an ihren Außenbezirken jedoch mit einem vielfach
vertrackten Netz von Betrug und Gegenbetrug verwoben ist.
Über
den Patriotismus hat Rodriguez vom Splatter zu einem grausigen Realismus gefunden,
vom zynischen Genrezitat zur relevanten Realsatire, von der Pose zur Aussage.
Man mag vermuten, dass wir es hier mit einem Schlüsselwerk zu tun haben,
das weder vor der eigenen Größe zurückschreckt, noch, und das
ist vielleicht am wichtigsten für das Gelingen dieses Films, darüber
prätentiös wird. Ein im besten Sinne altmodischer, unterhaltsamer,
wichtiger Film.
Daniel
Bickermann
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im:
Irgendwann
in Mexico
Once
Upon a Time in Mexico. USA 2003. R,B,K,S,M: Robert Rodriguez. P: Columbia, Los
Hooligans, Dimension Films. D: Antonio Banderas, Johnny Depp, Salma Hayek, Mickey
Rourke, Willem Dafoe, Enrique Iglesias u.a. 97 Min. Buena Vista ab 18.9.03
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